Neuigkeiten aus dem Homeoffice
Ich habe die Kontrolle über mein Leben verloren. So sähe es jedenfalls Karl Lagerfeld, lebte er noch. Der Modezar hatte ja ein gestörtes Verhältnis zu Jogginghosen, und in genau so einem schicken Teil sitze ich gerade wieder im Homeoffice. Bei Stefan Knoll, dem Chef der Deutschen Familienversicherung und Oberst der Reserve, der Disziplin auch im Heimbüroalltag für wichtig hält, hätte ich damit keine Chance auf einen Job. “Wer jetzt in der Coronakrise in Jogginghose im Homeoffice sitzt, lässt sich gehen. Und wer sich bei den Klamotten gehen lässt, tut es auch bei seiner beruflichen Tätigkeit”, sagte Knoll jüngst der “Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung”.Seit ich mich vor vier Wochen auf diesem Kommentarplatz zu Wort gemeldet habe, hat sich allerdings eine entscheidende Änderung ergeben. Ich hatte damals berichtet, dass ich Kultschlappen trage, nämlich Adiletten. Doch dieses “Must-have” (Herstellerangabe) musste ich aufgrund der Nachrichtenentwicklung entsorgen. Sie erinnern sich: Adidas hat Ladenmieten nicht gezahlt. Zwar hat sich das Unternehmen inzwischen entschuldigt. Aber, so weiß Adidas: “Es wird dauern, Ihr Vertrauen wieder zurückzugewinnen.” Stimmt. Ich trage nun “Fila since 1911”. Auch Kult. Im “Notiert in Frankfurt” vor vier Wochen hatte ich zudem den Verdacht geäußert, Robert Restani, der Chef der Frankfurter Sparkasse, an deren Telefonpressekonferenz ich damals teilnahm, könnte auch in Adiletten im Büro sitzen. Weit gefehlt! Restani ließ mich freundlich wissen, solche “modischen Querschläger” kämen für ihn nicht in Frage. Er habe sehr wohl Anzugschuhe getragen und sei im Gegensatz zu mir sogar frisch rasiert gewesen. Doch damit nicht genug: Anders als im Vorjahr habe er sich eine – ich vermute: rote – Krawatte umgebunden und so “ein Statement gegen die derzeit um sich greifende, coronabedingte Lässigkeit” gesetzt. Denn die schieße selbst nach den Maßstäben des neuen Sparkassendresscode weit übers Ziel hinaus.An Telefonkonferenzen haben wir uns alle schnell gewöhnt, auch an die beliebte Frage von Teilnehmern “Können Sie mich hören?” (ja, sehr gut sogar) und Kindergeschrei im Hintergrund. Wo war noch mal die Stummtaste? Was die Leute sonst noch treiben, während sie an so einer “Schalte” teilnehmen, weiß ich nicht. Meine Multitaskingkompetenz geht jedenfalls nicht so weit wie die von Robert Habeck. Der Co-Chef der Grünen vertreibt sich die Zeit bei Telefonkonferenzen, wie die Kollegin Pia Rolfs in der “Wetterauer Zeitung” berichtete, indem er “nebenbei die Wäsche macht”. Ich dagegen sitze vollkonzentriert am Schreibtisch und denke darüber nach, wann die Öffnungsdiskussionsorgie wohl meine Arbeit erreichen wird. Meine letzte Präsenzpressekonferenz vor dem Lockdown fand Ende Februar statt. Der nächste Termin, die Bilanzpressekonferenz der Rentenbank, wird auch nur ein virtuelles Event sein. Was schon deshalb extrem schade ist, weil die Küche des Förderinstituts einen legendären Ruf genießt und das Haus neben dem Triple-A-Rating kürzlich obendrein als “Qualifizierter Ausbildungsbetrieb” für Köche ausgezeichnet wurde.