InterviewVDP-Präsident Gero Bergmann

„Nicht aus allen Ecken Gegenwind“

Die zusätzlichen Eigenkapitalvorgaben sind dem Verband deutscher Pfandbriefbanken (VDP) ein Dorn im Auge. Es sei unklar, was dieses Mehr an Eigenkapital bringen soll, mahnt Verbandspräsident Gero Bergmann. Für die Immobilienmärkte rechnet er erst im kommenden Jahr mit Klarheit.

„Nicht aus allen Ecken Gegenwind“

Im Interview: Gero Bergmann

„Nicht aus allen Ecken Gegenwind“

Der neue VDP-Präsident über ungeliebte Kapitalpuffer, die Lage an den Immobilienmärkten und die Chancen der Transformation

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Die zusätzlichen Eigenkapitalvorgaben durch die Kapitalpuffer der BaFin sind dem Verband deutscher Pfandbriefbanken (VDP) ein Dorn im Auge. Es sei unklar, was dieses Mehr an Eigenkapital an Sicherheit bringen soll, mahnt Verbandspräsident Gero Bergmann. Für die Immobilienmärkte zeigt er sich vorsichtig und rechnet erst im kommenden Jahr mit Klarheit.

Herr Bergmann, als neuer Präsident des Verbands deutscher Pfandbriefbanken (VDP) werden Sie sich künftig stärker in die Diskussion über die Regulierung der Mitgliedsinstitute einbringen. Zuletzt stand unter anderem der Kapitalpuffer im Fokus. Wo sind aktuell die größten Schmerzstellen in dem Bereich?

Der antizyklische Kapitalpuffer und der Systemrisikopuffer für Wohnimmobilienfinanzierungen sind für uns auf jeden Fall wichtige Themen. Es geht hier um eine zusätzliche Belastung unserer Institute um 22 Mrd. Euro. Es ist aber unklar, was dieses Mehr an Eigenkapital bei den Banken an zusätzlicher Sicherheit bringen soll. Hinzu kommt, dass man mit dem Systemrisikopuffer ein Problem adressieren will, das es so unserer Einschätzung nach gar nicht gibt. Preissteigerungen bei Immobilien und starkes Kreditwachstum haben wir nicht mehr, beides wurde als Argument für den Puffer geltend gemacht.

Bis zur Zinswende sah es aber nach einer Überhitzung des Marktes aus, oder etwa nicht?

Es geht jetzt um die aktuelle Situation. Und die erfordert ein Umsteuern der Politik. Seit 2008 ist die Eigenkapitalquote der Immobilienfinanzierer deutlich nach oben gegangen. Mittlerweile haben wir im Durchschnitt eine Eigenkapitalquote von 14 bis 15%. Und jetzt kommt der Kapitalpuffer dazu. Der antizyklische Kapitalpuffer in Höhe von 0,75% bezieht sich dabei auf die gesamte Bilanz und der 2%-Systemrisikopuffer auf die gesamte Wohnimmobilienfinanzierung, egal wie stark einzelne Darlehen möglicherweise schon getilgt wurden, egal wann der Kredit aufgenommen wurde und egal wie groß das Risiko des einzelnen Kredites ist.

Würde ein Wegfall des Puffers die Probleme lösen?

Ein Wegfall der Kapitalpuffer wäre zwar nicht der allergrößte Hebel, um Finanzierungen zu erleichtern oder um das Problem im Wohnungsbau zu lösen. Aber man sollte sich in der aktuellen Lage natürlich jede Maßnahme anschauen und prüfen, wie sie wirkt. Die Puffer sind ein Symbol für eine Regulatorik, die Finanzierungen eher behindert als fördert.

Wenn der Kapitalpuffer nicht das größte Problem der Regulierung ist, worauf liegt Ihr Fokus dann?

Der wesentlich größere Hebel ist die Basel-III-Gesetzgebung mit dem Auseinanderlaufen von Wohn- und Gewerbeimmobilien, was die Eigenkapitalunterlegung und die Übergangsfristen angeht. Das werden wir als Verband genau beobachten. Geradezu ein Unding ist die Kapitalunterlegung von 150% bei der Projektentwicklung, das ist nicht sachgerecht. 150% entsprechen der Kapitalunterlegung eines ausgefallenen Kredits.

In Europa ist der Finanzierungsmarkt durch Banken dominiert und daher ist es naheliegend, dass der Regulator da besonders aufmerksam ist, oder?

Das ist richtig, die Banken stemmen die Finanzierungen. Es ist ja auch ihr Geschäftszweck, Kredite zu vergeben. Es wäre nur hilfreich, wenn wir hierbei nicht vonseiten der Aufsicht und der Politik überreguliert würden. Gerade die Politik sollte doch wissen, welche strategische Rolle die Banken bei den großen anstehenden Aufgaben übernehmen und dass es ohne sie nicht geht. Bislang sind alle Versuche der EU-Kommission, alternative Finanzierungsprodukte zu schaffen, die Teile der Bankenfinanzierung übernehmen könnten, gescheitert. Ich nenne als Beispiel nur den Eltif, einen langfristigen Investmentfonds, der bei seiner Schaffung ein Fehlschlag war. Die Transformation kann auf jeden Fall nur mit den Banken erfolgreich werden.

Ein Blick auf die Immobilienmärkte. Zuletzt war eine leise Hoffnung zu spüren, dass die Talsohle erreicht sein könnte. Wie schätzen Sie die Lage ein?

Wir sind weiter in unruhigen Zeiten, wir haben hohe Zinsen, Inflation und Krieg in Europa. Die Diskussion darüber, wo sich am Markt der neue Preis einpendeln wird, ist noch nicht zu Ende geführt. Es ist nicht auszuschließen, dass wir hier erst im zweiten Halbjahr 2024 Klarheit bekommen.

Gibt es Unterschiede bei den Nutzungsarten?

Wir haben festgestellt, dass beispielsweise im Einzelhandel, der seit Jahren unter starken Preisrückgängen leidet, eine Talsohle am frühesten erreicht werden kann. Das sieht bei Büros anders aus. Auffällig ist zudem das Auseinanderlaufen zwischen Miet- und Preisentwicklung, insbesondere im Wohnsegment. Wir rechnen damit, dass es in den nächsten Monaten im gewerblichen Bereich noch zu stärkeren Anpassungen kommt.

Was bedeutet die derzeitige Marktsituation für Ihre Branche?

Auch in der aktuellen Lage müssen wir Immobilienfinanzierer so aufgestellt sein, dass wir weiterhin finanzieren können und so beispielsweise den Wohnungsmarkt wieder ankurbeln. Das ist eine Verantwortung, die wir als Banken haben, und die darf nicht durch regulatorische Vorgaben konterkariert werden. Wenn wir – Stichwort Kapitalpuffer – beschränkt werden in den Finanzierungsmöglichkeiten, führt das auch zu einem beschränkten Angebot im Wohnungsmarkt.

Spielen nicht die Zinsen die größere Rolle?

Das ist immer ein Zusammenspiel von verschiedenen Faktoren. Zinsen sind ein Faktor, Regulatorik ein weiterer. Wir sehen zudem auf der Angebotsseite einen deutlichen Einbruch, weil große Projektentwickler nicht mehr aktiv sind. Zwar werden noch bestimmte Immobilien fertiggestellt, aber es droht ein weitgehender Stillstand im Wohnungsbau. Da ist Gefahr im Verzug.

Das klingt nicht gut, Ungemach von der Regulierung und schwierige Märkte. Ist es wirklich so dramatisch?

Nein, das Geschäft bricht nicht ein und es gibt auch nicht aus allen Ecken Gegenwind. Im Gewerbeimmobilienmarkt sehen wir enormes Potenzial, etwa im Bereich der Nachhaltigkeit. Auf die Immobilienwirtschaft warten Kraftanstrengungen, wichtige Kraftanstrengungen, die wir finanzieren können. Spannend ist auch der Umbau von Innenstädten, die wieder lebenswerter werden sollen und einen entsprechenden Mix an Nutzungsarten brauchen. Auch das muss finanziert werden. Diese Transformationen sind Aufgaben, die die Immobilienfinanzierer begleiten.

Sind die Leerstände im Einzelhandel in den Innenstädten nicht enorme Risiken? Liegt nicht auch der gewerbliche Markt am Boden?

Sicher gibt es einen starken Einbruch bei den Transaktionen und erhebliche Wertkorrekturen, insbesondere in den B- und C-Städten. Aber die Banken machen sich Gedanken darüber, wie sie die Transformation mit Krediten unterstützen können. Da heißt es auch, mutig zu agieren, wenn es um die Umnutzung etwa von Handel zu Wohnen geht. Die Bereitschaft der Banken dazu ist nach meiner Wahrnehmung da.

Am Ende müssen Sie aber Risiken kalkulieren und wollen Geschäfte machen?

Da bin ich absolut bei Ihnen. Aber wir nehmen die Verantwortung für die Entwicklung in der Immobilienwirtschaft sehr ernst. Wir Banken entscheiden darüber, was finanziert wird, was also realisiert wird und was nicht. Beispielsweise auch, wenn es wie erwähnt um das Beispiel Umnutzung von Einzelhandel zu Wohnen und Büro geht.

Das heißt, Sie sind über das reine Bankgeschäft hinaus tätig in der Planung?

Natürlich sind wir nicht involviert in die Stadtentwicklung, aber am Ende landen bei uns alle Pläne. Und wir haben eine Verantwortung. Zur Frage, was man mit 30.000 Quadratmetern leerstehender Shoppingfläche macht, gibt es interessante Konzepte, die wir uns gerne anschauen.

Also Sie prüfen das wohlwollend?

Das hat mit Wohlwollen wenig zu tun, sondern mit der Prüfung der Zukunftsfähigkeit. Der Markt befindet sich im Wandel. Die Zeit, in der man quasi selbsterklärende Konzepte auf den Tisch kriegt, mit einem 20-Jahres-Mietvertrag mit erstklassiger Bonität, ist vorbei.

Wie sieht es aus beim Thema Wohnimmobilien? Fühlen Sie sich verantwortlich für die Lücke zwischen Fertigstellung und Bauzielen?

Nein, das tun wir nicht. Wir versuchen aber, die Schaffung von Wohnraum über Finanzierungen im Rahmen unserer Möglichkeiten zu unterstützen. Wenn politisch formulierte Ziele nicht erreicht werden, muss man sich weiter gemeinsam an den Tisch setzen und besprechen, wie man diesen Zielen näher kommen kann. Wir als Verband sind über das Bündnis bezahlbarer Wohnraum sehr eng in die politische Diskussion eingebunden.

Halten Sie das Ziel von 400.000 Wohnungen pro Jahr für utopisch, wo man doch 300.000 Wohnungen kaum erreicht?

Es ist auf jeden Fall gut, dass man sich ein Ziel setzt. Die Bundesregierung ist nicht verantwortlich dafür, dass die Marktverhältnisse so sind, wie sie sind, und dass der Anstieg der Zinsen und Baukosten manches Wohnungsneubauprojekt zunichtemacht. Sicher ist das Ziel von 400.000 neuen Wohnungen pro Jahr aus heutiger Sicht unrealistisch. Aber jede einzelne Wohnung, die wegen des Bündnisses extra gebaut wird, ist ein Gewinn.

Was kann man überhaupt noch tun, um in dem Segment Fortschritte zu machen?

Man muss in erster Linie daran denken, die Prozesse zu beschleunigen, damit das Bauen schneller geht. Wir brauchen auch mehr öffentliche Baugrundstücke, die zur Verfügung gestellt werden. Es gibt viele Flächen, die man nutzen könnte. Aber man muss sich trauen, die Grundstücke zu bebauen.

Kann Regulierung in dem Feld helfen?

Jedenfalls ist eine Maßnahme, die die Eigenkapitalanforderung für Banken im Bereich Wohnungen hochsetzt, nicht hilfreich. Man könnte aber auch darüber nachdenken, den Pfandbrief besser nutzbar zu machen. Er wurde schon in der Vergangenheit zur Hebung privaten Kapitals für gesellschaftliche Aufgaben genutzt. Eine Idee, die wir im Verband dabei für zumindest überlegenswert halten, ist die Erhöhung der Beleihungsausläufe in der Pfandbriefdeckung auf vergleichbare Niveaus wie in vielen europäischen Ländern.

Da wären wir beim Thema Transformation, Nachhaltigkeit und ESG. Was sollte aus Ihrer Sicht gemacht werden?

Aus unserer Sicht hat die Finanzierung der Transformation höchste Priorität. Wenn wir das am Beispiel des Wohnungsbaus anschauen, dann könnte man klimabezogene Maßnahmen mit Garantien unterstützen. Das hätte den Vorteil, dass die Bilanz der Bank nicht belastet wird.

Transformation heißt ja die Förderung des Übergangs. Doch politisch vorgegeben werden vielfach hohe Endziele.

Es ist in der Tat ein Kernproblem, dass man nur an den Endzustand denkt. Ein Gebäude ist nur nachhaltig, wenn es als taxonomiekonform gilt. Dabei sollte man auch den schrittweisen Weg dahin finanzieren. Das Problem betrifft mittelbar auch unsere Pfandbriefe: Den EU-Green-Bond-Standard erfüllen Bonds nur, wenn die als Sicherheit dienenden Gebäude vollständig taxonomiekonform sind. Besser wäre es, im Rahmen des Standards auch Maßnahmen auf dem Weg dahin zu berücksichtigen.

Was heißt das für die Immobilienfinanzierer?

Wir wollen auf Dauer ein grünes Immobilienkredit-Portfolio aufbauen, das dann als Deckungsstock für grüne Refinanzierungsinstrumente eingesetzt werden kann. Es gibt bereits Institute, die einen Discount für solche Kredite gewähren. Auch das Interesse großer institutioneller Investoren an Green Bonds nimmt immer mehr zu.

Aber es gibt doch schon grüne Pfandbriefe. Was ist der Unterschied?

Grüne Pfandbriefe sind nicht deckungsgleich mit dem EU-Standard, sondern beruhen auf eigenen Standards. Sie laufen auch sehr gut. Wir kommen aktuell auf einen Umlauf von rund 22 Mrd. Euro. Wir sehen in dem Bereich aber noch viel mehr Potenzial. Der Pfandbrief besticht durch Transparenz, da man genau sagen kann, was finanziert wird.

Das Interview führten Wolf Brandes, Detlef Fechtner und Anna Sleegers.

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