IM GESPRÄCH: ANDREAS KRAUTSCHEID, BUNDESVERBAND DEUTSCHER BANKEN

"Nicht im stillen Kämmerlein"

Der Hauptgeschäftsführer über das Äquivalenzregime der EU und die Aussichten auf Korrekturen

"Nicht im stillen Kämmerlein"

Ob Anbieter aus Drittstaaten ihre Finanzdienstleistungen innerhalb der Europäischen Union anbieten dürfen oder nicht, liegt in der Entscheidung der EU-Kommission. Nach Ansicht der privaten Banken darf diese jedoch nicht im stillen Kämmerlein gefällt werden. Transparente Kriterien seien notwendig. Von Detlef Fechtner, FrankfurtDer Bundesverband deutscher Banken (BdB) sieht dringenden Korrekturbedarf bei einem zentralen Instrument, mit dem die Europäische Union die Spielregeln für Marktteilnehmer aus Drittstaaten in Europa festlegt – dem Äquivalenzregime. “Das ist derzeit nur ein Flickenteppich”, beklagt Hauptgeschäftsführer Andreas Krautscheid im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. Der Brexit offenbare “die Schwäche des Äquivalenzprinzips in der aktuellen Form”.Die EU-Kommission hat bislang die Möglichkeit, durch eine einseitige Entscheidung einem Drittstaat zu bescheinigen, dass dessen Regeln in einem gewissen Bereich, etwa in einer bestimmten Finanzdienstleistung, mit den EU-Regeln gleichwertig sind. Eine solche Anerkennung bewirkt, dass Anbieter aus diesem Drittstaat für ebenjene äquivalenten Finanzdienstleistungen Zugang zum EU-Markt erhalten.Der Bankenverband kritisiert, das aktuelle Äquivalenzregime sei nicht transparent, die Entscheidungen seien nicht vorhersehbar. Deshalb macht sich die Interessenvereinigung des privaten Bankgewerbes für mehr Berechenbarkeit stark – und hat zu diesem Zweck jüngst ein Positionspapier vorgelegt, das “objektivere Entscheidungsmechanismen” und “konsistente Prinzipien” für die Einschätzung der Äquivalenz von Drittstaaten verlangt (vgl. BZ vom 22. Februar).”Unsere Forderungen zielen auf Verlässlichkeit, Transparenz, Rechtssicherheit – und zwar sowohl bei Anbahnung, Anerkennung oder auch drohender Aberkennung von Äquivalenz”, erläutert Krautscheid. Die Marktteilnehmer bräuchten Klarheit über die Kriterien einer Äquivalenzentscheidung. “Denn wo Entscheidungen nicht vorhersehbar und wo sie zugleich kurzfristig rückholbar sind, können keine belastbaren Geschäftsbeziehungen aufgebaut werden.”Der Hauptgeschäftsführer stellt klar, dass sein Verband nicht am Prinzip der Letztentscheidung der EU-Kommission rütteln möchte. “Es ist in Ordnung, wenn die Europäische Kommission das letzte Wort behält.” Vielmehr gehe es darum, ein Rahmenwerk für Äquivalenzregime zu entwickeln, das auf objektiven Kriterien fußt. Wenn zum Beispiel Bedenken aufkommen, dass die Gleichwertigkeit des Rechts nicht mehr gegeben ist, müsse das frühzeitig angekündigt werden und im Austausch der Aufseher unter Einbeziehung der Industrie diskutiert werden. “Ein Entzug der Äquivalenz darf nicht im stillen Kämmerlein vorbereitet werden”, unterstreicht er. Industriepolitisches ThemaKrautscheid warnt davor, die Bedeutung des Themas Äquivalenz zu unterschätzen: “Die Diskussion über das Äquivalenzregime mutet technisch an, ist aber eigentlich im Kern eine industriepolitische Kontroverse.” Denn das Recht zur Anerkennung und Aberkennung der Äquivalenz sei für die Europäische Kommission “ein politisches Machtinstrument in ihren Beziehungen zu Drittstaaten”. Internationale UnterstützungDer Bankenverband ist zuversichtlich, Mitstreiter für seine Positionen zu gewinnen. “Unsere Forderungen werden vom europäischen Dachverband der nationalen Bankenvereinigungen begrüßt”, sagt Krautscheid. Der Verband werde nun bei der Bundesregierung für seine Position werben. Dabei hoffe er auf Unterstützung vor allem der Länder, die wie Irland oder die Niederlande vom Brexit in besonderer Weise betroffen sind.Zudem habe die Europäische Kommission ja selbst ein Interesse daran, das Äquivalenzregime weiterzuentwickeln. “Nicht ohne Grund hat sie voriges Jahr dazu eine Mitteilung verfasst”, erinnert Krautscheid. Auch das Europäische Parlament habe sich bereits mit dem Thema befasst – und das, nach Meinung des BdB, aus gutem Grund. Schließlich sei ein transparentes Äquivalenzsystem im ureigensten europäischen Interesse, weil es zur Attraktivität der Finanzplätze auf dem Kontinent beitrage.