Nicht jeder Emittent hält, was er verspricht
Den Klimawandel aufhalten und umweltschonende Maßnahmen vorantreiben – so lautet die Zielsetzung der Emittenten sogenannter Impact oder Green Bonds, die derzeit förmlich aus dem Boden sprießen. 2018 kamen nach Angaben der Climate Bonds Initiative Neuemissionen mit einem Volumen von 168 Mrd. Dollar auf den Markt – so viel wie nie zuvor in der bis 2007 zurückreichenden Geschichte dieser Anlageklasse. Auch in diesem Jahr soll der Markt um 20 % wachsen, schätzt die Ratingagentur Moody’s. Mit den Niederlanden gab Ende Mai erstmals ein mit einem Triple-A-Rating bewerteter Staat eine nachhaltige Staatsanleihe heraus.Diese Finanzierungsform ist ein wichtiger Beitrag, wenn die Welt auf dem Weg zu einer CO2 -armen Wirtschaft vorankommen will. Prognosen zufolge sind zur Erreichung der Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen bis 2030 Gesamtinvestitionen zwischen 5 und 7 Bill. Dollar erforderlich.Unbestritten begünstigt die Bedeutung des Aufbaus einer auf ökologischen, ethischen und sozialen Aspekten beruhenden Wirtschaft das Wachstum der grünen Anleihen. Speziell für Klimaschutz- und Entwicklungsprojekte vorgesehene Bonds sind die mit Abstand am weitesten verbreitete Form festverzinslicher Impact-Anlagen.Generell fehlende Standards werfen jedoch erhebliche Fragen für Investoren auf, die für mehr als nur den finanziellen Return investieren. Insight Investment hat ein Ampel-system für Impact-Anleihen auf Basis einer eingehenderen Analyse in drei Schlüsselbereichen entwickelt: ESG-Rating: Erstellung eines umfassenden Nachhaltigkeitsprofils des Emittenten nebst Prüfung der ESG-Risiken. Rahmenbedingungen: Analyse, wie das Unternehmen, das über die Green Bonds aufgenommene Kapital verwenden will und welche Ziele es dafür definiert hat. Auswirkungen: Messung des konkreten Einflusses, der durch die Anleihen finanzierten Projekte, wie beispielsweise der Menge der produzierten erneuerbaren Energien.Das Ergebnis: Nur ein Drittel der in den vergangenen drei Jahren emittierten grünen Anleihen erfüllen die ausgearbeiteten Kriterien, um als “grün” im Ampelsystem zu gelten. Allein seit Jahresbeginn haben die Analysen mehr als ein Dutzend “Green Bonds” identifiziert, die Insight Investment aus Nachhaltigkeitsgründen nicht in nachhaltigkeitsorientierte Mandate aufnehmen wird.Dies hat uns dazu bewogen, die Authentizität des Labels “Green Bond” in Frage zu stellen. Ein Beispiel: Laut der Internationalen Energieagentur sind Immobilien für fast 40 % der globalen CO2 -Emissionen verantwortlich. Grüne Anleihen könnten somit dazu beitragen, dies zu reduzieren. Doch die Emissionen mehrerer Immobiliengesellschaften haben unsere Mindestkriterien, aufgrund der unzureichenden Details, hinsichtlich der Verwendung des durch die Emission der Anleihen aufgenommenen Kapitals nicht erfüllt.Ein Beispiel auf staatlicher Ebene ist Polen, welches in diesem Jahr seine dritte grüne Anleihe emittierte. Zwar wird das durch die Emission aufgenommene Kapital zweckge-bunden allokiert, doch trägt dies nicht dazu bei, das stark von Kohle abhängige Land von diesem CO2 -intensiven fossilen Energieträger abzubringen. Hier wird deutlich: Eines der größten Probleme ist die unzureichende Offenlegung. Detaillierte Berichte über die tatsächliche Verwendung des aufgenommenen Kapitals fehlen meistens – obwohl dies eine Mindestanforderung sein sollte. Ohne klare, vergleichbare Informationen ist es schwierig, die Auswirkungen von Green-Bond-Finanzierungen zu beurteilen.Gleichwohl gibt es auch Positivbeispiele mit eindeutig definierten Verpflichtungen in Bezug auf erneuerbare Energien, Energieeffizienz und Wasserwirtschaft. Die Niederlande etwa wollen das aufgenommene Kapital ihrer im Mai begebenen ersten grünen Anleihe dazu verwenden, die Netto-CO2-Emissionen des Landes bis 2030 um fast die Hälfte zu senken. Fragt sich, wie Anleger mangels fehlender eindeutiger Standards und fehlender Informationen für diese Investmentspezies auf der Suche nach dem passenden Fondsanbieter vorgehen sollen.Mit der Zielsetzung, die Kapitalströme in Richtung nachhaltiger Investitionen zu lenken und Umweltrisiken zu managen, will die Europäische Union (EU) Transparenz und einen langfristigen Ansatz fördern. Ende September einigte sich der EU-Rat auf seine Position zur Taxonomie nachhaltiger Tätigkeiten. Da das Europäische Parlament seine Position bereits im März festgelegt hat, ist somit der Weg für die Verhandlungen zwischen dem EU-Rat und dem Europäischen Parlament frei. Bis Ende 2021 soll die Taxonomie fest-gelegt sein, um ihre vollständige Anwendung bis Ende 2022 sicherzustellen. Das Ziel: Wirtschaftsakteure und Investoren sollen ein besseres Verständnis darüber erlangen, welche Tätigkeiten als nachhaltig gelten, so dass sie fundierte Investitionsentscheidungen treffen können.Der Aktionsplan der EU-Kommission für nachhaltige Finanzierungen schlägt einen ehrgeizigen Rechtsrahmen vor, der den Finanzsektor mit dem Ziel der Schaffung einer nachhaltigen Wirtschaft in Einklang bringt. Dennoch bleiben grundlegende Fragen offen: Obwohl die EU-Kommission erklärt, dass externe Branchenexperten konsultiert werden, hat deren mangelnde Vertretung im Entscheidungsgremium zu Recht zu einem Rückschlag geführt. So haben sich beispielsweise Interessengruppen der Forstwirtschaft gegen die Taxonomie der technischen Expertengruppe (TEG) ausgesprochen, weil sie zu einfach ist und nicht genau widerspiegelt, was vor Ort geschieht. Der Aktionsplan konzentriert sich bisher nur auf klimabedingte Aktivitäten und Auswirkungen. Zwar ist dies ein dringliches Thema, doch berücksichtigt der Aktionsplan kaum die Themen Soziales und Governance, so dass er nicht das gesamte ESG-Spektrum (Environment Social Governance) umfasst. Dies könnte auf Kosten der Verbesserung anderer Bereiche wie soziale Mobilität, Ungleichheiten und Produktqualität geschehen, die ebenfalls wichtig sind, aber nicht die erforderliche Aufmerksamkeit erhalten.Diese Themen müssen zur Sprache kommen und beantwortet werden, wenn die EU-Kommission einen umfassenden Rechtsrahmen für Investoren und Unternehmen schaf-fen will – und zwar bevor die regulatorischen Änderungen in Kraft treten. Noch ist es längst keine Selbstverständlichkeit, dass nachhaltige Anleihen in jeder Hinsicht mit den Unternehmensstrategien der Emittenten übereinstimmen und deren integraler Bestandteil sind.Die EU-Kommission hat die Notwendigkeit von Maßnahmen in umstrittenen Sektoren erkannt, in denen noch kein Konsens darüber besteht, was als nachhaltig gilt. Die Kernenergie ist eine der Branchen, die im Mittelpunkt dieser Debatte stehen. Während Frankreich der Kernenergie positiv gegenübersteht, hat Deutschland die Zahl der Atom-kraftwerke seit der Fukushima-Katastrophe 2011 kontinuierlich reduziert. Die EU-Minister haben vergangenen Monat beschlossen, die Kernenergie trotz des Widerstands der deutschen Regierungsvertreter nicht von der Förderung durch grüne Finanzierungen auszuschließen.Ende September hat die Finanzaufsicht BaFin (Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht), früher als erwartet, ein Merkblatt zu Nachhaltigkeitsrisiken veröffentlicht. Das Dokument beschreibt, wie Nachhaltigkeitsrisiken unter Einbin-dung des Proportionalitätsprinzips berücksichtigt werden sollen und gilt für die von der BaFin beaufsichtigten Finanzinstitute. Darunter fallen auch die Pensionskassen. In der zu Ende gegangenen Konsultationsperiode, die bis zum 3. November reichte, ging es bei der Kommentierung insbesondere um die praktische Anwendung und mögliche Auswirkungen des Merkblattes.Der “Goldstandard” für grüne Emissionen wäre eine Anleihe, die zu einer breiten, langfristigen Nachhaltigkeitsstrategie beiträgt. Doch davon sind wir noch weit entfernt. Investoren in diesen Strategien erwarten von ihren Assetmanagern, dass sie unabhängig denken und Portfolien anhand ihrer Ziele analysieren. Selbst wenn neue Standards allgemein und weitreichend akzeptiert werden sollten, müssen die spezifischen Charakteristika der Green Bonds und ihre Rolle im Rahmen einer umfassenden Strategie ihrer Emittenten dazu führen, dass eine fundamentale Analyse eine noch wichtigere Bedeutung erlangt. Andernfalls wird die Versuchung groß bleiben, nur noch Anleihen mit diesem Label auszugeben. Die Emittenten müssen ihre Handlungsansätze intensivieren – aber auch die Fondsmanager müssen dafür Sorge tragen, dass Green-Bond-Portfolien, die sie für ihre Kunden verwalten, wirklich “grün” sind. Olaf John, Head of Business Development, Europe bei Insight Investment