Niedersachsen will NBank zur Investitionsbank aufwerten
Serie Förderbanken (11): Michael Kiesewetter im Interview
"Wir werden das darstellen, was ihr bei uns bestellt"
Der NBank-Vorstandschef über den Plan Niedersachsens zur Aufwertung des kleinsten Landesförderinstituts in Deutschland
Die seit vorigem Herbst amtierende rot-grüne Landesregierung in Niedersachsen will das Landesförderinstitut, die NBank, durch Aufstockung des Eigenkapitals zu einer Investitionsbank umbauen. Wie die Bank gestärkt werden könnte und was sie künftig leisten soll, umreißt Vorstandschef Michael Kiesewetter im Interview.
Herr Kiesewetter, die NBank ist mit einer Bilanzsumme von 5 Mrd. Euro gemessen am Bruttoinlandsprodukt (BIP) des Landes Niedersachsen die kleinste Landesförderbank in Deutschland. Nun soll sie nach dem Willen der Landesregierung zu einer Investitionsbank aufgewertet werden. Warum?
Wir stehen in Europa, Deutschland und auch Niedersachsen in den kommenden Jahren vor gewaltigen Herausforderungen. Die CO2-Emissionen der EU müssen bis 2030 um 55% gegenüber 1990 sinken. Bis 2050 soll Europa treibhausgasneutral werden. Auch in Deutschland wird ein Kraftakt notwendig sein, um die Klimaschutzvorgaben zu erreichen. Allein bis zum Etappenziel 2030 schätzen der Bundesverband der Deutschen Industrie und die Strategieberatung Boston Consulting den Mehr-Investitionsbedarf auf rund 900 Mrd. Euro. Um diese Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft zu unterstützen, werden auch Förderbanken notwendig sein, die leistungsfähig sind. Man kann wohl als sicher annehmen, dass beispielsweise die gewaltigen transformatorischen Vorhaben in Niedersachsen nicht alle durch Zuschüsse aus dem Landeshaushalt unterstützt werden können. So viel Haushaltsmittel stehen einfach nicht zur Verfügung.
Was heißt das?
Die Bundesländer, auch Niedersachsen, haben sich ehrgeizige Ziele vorgenommen, wie sie CO2-neutral werden wollen. Dafür werden auch Finanzierungen benötigt, die die Privatwirtschaft nicht immer aus eigenem Antrieb leisten wird. So ist der mögliche Einsatz von Förderbanken evident. Man wird Instrumente benötigen, mit denen sich privates Kapital gewinnen lässt. Dieser Hebeleffekt ist enorm, und um den müssen wir uns bemühen. Öffentliche Mittel können aber auch vermehrt als Darlehen gewährt werden. Zinsverbilligungen sind aufgrund des gestiegenen Zinsniveaus wieder interessanter geworden. Da können wir mehr leisten – schließlich sind wir eine Bank. Das Verhältnis von Zuschuss- zu Darlehnsgeschäft wird sich verändern.
Wie?
Wir befinden uns gerade in sehr konstruktiven Gesprächen mit der Landesregierung, und es ist unser gemeinsames Ziel, die NBank zu ertüchtigen, damit sie noch besser und effizienter ihre Förderaufgaben für das Land erfüllen kann. Die Größe einer Förderbank ist kein Wert an sich. Wir wollen mit einer stärkeren Darlehnsförderung, die mit einer größeren Bilanzsumme einhergehen wird, Förderimpulse setzen. Bislang liegt mit etwa zwei Dritteln der überwiegende Teil unseres Fördergeschäfts im Zuschussgeschäft. Das heißt, es werden Haushaltsmittel, die über den niedersächsischen Haushalt budgetiert werden, ausgereicht – häufig in Kombination mit europäischen Mitteln. Wir sind in Niedersachsen die einzige Stelle, die Mittel aus dem europäischen Fonds für regionale Entwicklung und dem europäischen Sozialfonds bewilligt und an Antragsteller verteilt. Auch das sind Haushaltsmittel. Aber sie werden ebenfalls nicht reichen. Der anstehende Wandel von Wirtschaft und Gesellschaft wird mehr Finanzierungen benötigen, die auch von Förderbanken zur Verfügung gestellt werden müssen. Der Anteil unseres Darlehnsgeschäfts lag in den vergangenen Jahren relativ stabil bei einem Drittel der Fördermittel. In Zukunft werden andere Proportionen notwendig sein.
Können Sie nicht schon etwas genauer werden?
Wir werden uns sicherlich auch in den kommenden Jahren nicht zur größten Landesförderbank in Deutschland aufschwingen. Das Darlehnsgeschäft muss ja mit Eigenkapital unterlegt werden. Wir werden die Entwicklung zuerst gemeinsam mit der Politik abstimmen, ehe wir sagen können, wie der Entwicklungspfad genau aussehen wird.
Wenn Sie die NBank auch künftig nicht unter den größten Landesförderinstituten sehen: Welche Größe erscheint denn realistisch?
Das wird – wie gesagt - von den Aufgaben abhängen, mit denen wir betraut werden. Derzeit entspricht unsere Bilanzsumme von 5,2 Mrd. Euro etwa 1,6% des BIP von Niedersachsen. Das Land ist aber gemessen an seiner Wirtschaftsleistung das viertgrößte Bundesland. Daraus lässt sich ableiten, dass wir als Landesförderbank wesentlich intensiver eingesetzt werden könnten als bislang. Wenn wir uns am Mittelfeld der Landesförderinstitute in Deutschland orientieren, dann finden wir ein Verhältnis der Bilanzsummen zur jeweiligen Wirtschaftsleistung der Länder von 4 bis 6% vor. Umgesetzt auf Niedersachsen würde das eine Größenordnung unserer Bank von etwa 10 Mrd. Euro bedeuten. Ob die Bilanzsumme höher oder niedriger ausfallen wird, werden die Rahmenbedingungen entscheiden, die die Politik setzt. Es kann durchaus sein, dass wir zu einem sukzessiven Prozess der Weiterentwicklung kommen werden.
Vor allem Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein nutzen ihre Förderinstitute viel stärker. Die Relation der Bilanzsumme der NRW.Bank und der Investitionsbank Schleswig-Holstein zur Wirtschaftsleistung der Länder liegt bei mehr als 20%.
Die Relationen signalisieren ja, dass Förderinstitute intensiver genutzt werden können, als das bislang in Niedersachsen der Fall ist.
Das hat in den beiden genannten Ländern auch damit zu tun, dass sie nicht mehr an einer Landesbank beteiligt sind, oder?
Das ist Mutmaßung. Für die politisch gewollten Förderaufgaben stehen in allen Bundesländern allein die Förderbanken.
Inwiefern hat die bisherige Nutzung der NBank mit der Nord/LB zu tun, an der Niedersachsen mehrheitlich beteiligt ist?
Die Nord/LB spielt für Niedersachsen als großes etabliertes Institut mit hervorragenden Kompetenzen – etwa als Spezialfinanzierer für erneuerbare Energien – eine wichtige Rolle, keine Frage. Deshalb hat das Land auch viel in die Bank investiert. Sie ist zudem um einiges älter als die NBank, die erst am 1. Januar 2004 an den Start ging. Damals war die Nord/LB noch mit 50% an der NBank beteiligt, die Förderbank hatte die Rechtsform einer GmbH. Im Jahr 2008 verabschiedete sich die Nord/LB als Miteigentümer. Die Landestreuhandstelle ging in der NBank auf, und die Förderbank trat fortan als Anstalt öffentlichen Rechts mit dem Land Niedersachsen als alleinigem Anteilseigner auf. Insoweit war die Nord/LB auch Geburtshelfer der NBank.
Der Finanzminister in Niedersachsen leitet den Aufsichtsrat der Nord/LB, nicht aber den Verwaltungsrat der NBank. Lässt sich die bisherige Entwicklung der Förderbank auch dadurch erklären, dass dort in der Regierung, wo über Geld entschieden wird, mit der NBank lange gefremdelt wurde?
Es gab schon immer viele Verständige in der Politik, die wussten, was eine Förderbank bewirken kann oder soll. Die Aufgaben einer Förderbank sind andere als die einer Landesbank, die eine Geschäftsbank ist. Manche haben aber erst in den vergangenen Jahren und gerade im Verlauf der Corona-Pandemie entdeckt, welches Instrument Niedersachsen mit der NBank bereits hat. Keine andere öffentliche Stelle in Niedersachsen hätte während der Pandemie leisten können, was wir geleistet haben.
Inwiefern?
Wir konnten beweisen, dass wir leistungsfähig und in der Lage sind, einen Kraftakt zu stemmen, auf den kein Bundesland, keine öffentliche Stelle vorbereitet war. Hatten wir vor der Pandemie etwa 30.000 Förderfälle im Jahr, wurden wir plötzlich mit 200.000 konfrontiert. Dieses stark erhöhte Niveau ließ sich nicht mit den gleichen Prozessen wie zuvor bearbeiten, so dass sich die Bank schnell modernisieren musste. Die NBank hat ihre Fähigkeit zum Wandel bewiesen und ist heute viel digitaler aufgestellt als noch 2019. Mit unserem neuen Kundenportal sind wir auch für die kommenden Herausforderungen besser vorbereitet.
Wie hat die Krisenbewältigung die Wahrnehmung der NBank verändert?
Die Veränderung wird durch unsere personelle Entwicklung anschaulich. Zählten wir vor der Pandemie ungefähr 420 sogenannte Mitarbeiterkapazitäten, so liegen wir jetzt bei knapp 700. Das sind rund 800 Beschäftigte. Diese Steigerung innerhalb kurzer Zeit war nur möglich, weil wir bekannter geworden sind. Vakante Positionen konnten wir gut besetzen. In der Coronakrise wurde sichtbarer, dass wir Gutes tun für unser Bundesland, dass wir nicht bis auf die letzte Nachkommastelle auf die Eigenkapitalrendite achten müssen, sondern Förderwirkung entfalten wollen. Das, wofür wir stehen – auf neudeutsch unser Purpose –, überzeugt offensichtlich. Dass wir mehr gefragt sind, zeigt sich aber auch im Geschäft.
Wie?
Unsere Aufgaben liegen in den vier Bereichen Wirtschaftsförderung, Infrastrukturförderung, Arbeitsmarktförderung sowie soziale Wohnraumförderung. 2022 wurden die Fördermittel der NBank in ihren originären Förderbereichen, das heißt ohne Coronahilfen, stärker nachgefragt als je zuvor. Mit 1,5 Mrd. Euro haben wir verglichen mit dem Vorjahr fast 30% mehr Mittel bewilligt. Auch in den ersten sechs Monaten dieses Jahres lagen die Fördermittel mit knapp 500 Mill. Euro über dem Vorjahresniveau von rund 460 Mill. Euro. Wir sind zuversichtlich, im Gesamtjahr 2023 an das Fördervolumen des vergangenen Jahres anzuknüpfen.
Kommen neue Aufgaben auf die NBank zu?
Wir diskutieren gerade mit unserem Verwaltungsrat und mit der Landesregierung, welches die politischen Schwerpunktthemen sein werden, für die wir zukünftig verstärkt tätig werden sollen. Daraus werden sich einzelne Aufgaben ableiten. Es zeichnet sich ab, dass die stärkere Verlagerung von der Zuschuss- auf die Darlehnsförderung eine elementare Weichenstellung sein wird, um Impulse für die Gestaltung der Transformation setzen zu können. Der Vorteil von Darlehnsförderungen liegt in den Rückflüssen, die als weitere Förderungen eingesetzt werden können.
Wenn die Darlehnsförderung ausgeweitet werden soll, wird die NBank mehr Eigenkapital benötigen.
Ja. Das liegt in der Natur der Sache.
Wenn man es als unrealistisch ansieht, dass ein großes Volumen aus dem Landeshaushalt als Bareinlage in die Bank fließt, bliebe zur Eigenkapitalstärkung die Sacheinlage, also die Übertragung von Vermögensgegenständen des Landes Niedersachsens auf die NBank. Was ist da im Gespräch, worauf wird es hinauslaufen?
Ich gebe Ihnen insoweit recht, als eine Bareinlage jedenfalls eine große Herausforderung wäre. Das müsste über den Haushalt gehen. Und in einer Abwägung müssten möglicherweise andere wichtige Vorhaben des Landes zurückstehen. Niedersachsen verfügt aber grundsätzlich über verschiedene Vermögensgegenstände, die sich als Sacheinlage eignen. Ob und welche Optionen genutzt werden, muss die Politik entscheiden. Dass wir über Hybridkapital Kapital hebeln, ist aus meiner Sicht dagegen weniger wahrscheinlich. Hybridkapital müsste bedient werden, ist sehr teuer, und die dafür aufzuwendenden Zinskosten würden damit für die Förderung nicht zur Verfügung stehen.
Wie wird sich die Refinanzierung der NBank verändern?
Als Förderbank liegt der betriebswirtschaftliche Wettbewerbsvorteil auf der Passivseite. Und wir refinanzieren uns langfristig auch über Namensschuldverschreibungen, Schuldscheine und über den Geld- und Kapitalmarkt. Damit kommen wir bislang gut zurecht. Bei einer Weiterentwicklung müssen wir aber auch über den Ausbau unserer Refinanzierungsbasis nachdenken. Es gibt eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass wir – wie andere Landesförderbanken auch – die Liquidität und Tiefe des Kapitalmarktes nutzen und auf das Instrument der Inhaberschuldverschreibungen zurückgreifen. Aber das wird auch vom weiteren Wachstum und dem Portfolio abhängen, das zu refinanzieren wäre.
Mit welcher Personalstärke wird die NBank als Investitionsbank auftreten?
Danach fragt auch die Politik. Meine Antwort lautet: Wir werden das darstellen, was ihr bei uns bestellt. Es lässt sich heute nicht absehen, mit welchem Personal wir künftig auskommen werden. Wie viel Beschäftigte wir benötigen, wird erst nach Abstimmung der Förderprogramme und Fördermaßnahmen feststehen. Es zeichnet sich aber ab, dass wir zum Teil andere Kompetenzen als heute benötigen werden. Um Know-how zu erlangen, werden wir neue Ausbildungswege und Trainee-Programme anbieten. Wir werden aber sicherlich auch Fachkräfte am Markt gewinnen müssen. Auch darüber reden wir mit der Landesregierung.
Wie lange wird die Abstimmung mit der Politik noch dauern?
Wir sind sehr zuversichtlich, dass wir bis zum Ende des Jahres bereits wissen, in welche Richtung es konkret gehen soll. Damit wird es einen Fahrplan für die langfristige Entwicklung der NBank geben. Erst gemeinsam die Herausforderungen zu definieren und dann festzulegen, wie der weitere Weg zur Lösung dieser Aufgaben aussieht, ist der richtige Weg. Kein Finanzminister würde uns Geld geben, ohne dass feststeht, was wir damit tun sollen. Hier gibt die in Niedersachsen geschlossene Koalitionsvereinbarung aber schon Orientierung. Es ist das Ziel der Landesregierung, dass die NBank innerhalb der bis 2027 laufenden Legislaturperiode zu einer Investitionsbank aufgewertet wird. Ich bin zuversichtlich, dass wir gemeinsam dieses Ziel erreichen können.
Zur Person
Seit November 2010 ist Michael Kiesewetter Vorstandsvorsitzender der NBank. Im zweiköpfigen Vorstand der niedersächsischen Förderbank ist der aus dem westfälischen Lünen stammende Diplom-Betriebswirt für die Bereiche Unternehmensentwicklung, Beratung, Revision, Zuschuss Wirtschaft/Infrastruktur sowie Organisation/IT verantwortlich. Ehe der 54-Jährige, der verheiratet und zweifacher Vater ist, zur NBank wechselte, arbeitete er lange für die Nord/LB, zuletzt als Leiter der Konzernentwicklung.
Das Interview führte Carsten Steevens. Zuletzt erschienen: Förderbanken sind ein Resilienzfaktor (26. August) EU-Förderbank EIB expandiert – und will mehr (22. August) Brandenburgs Förderbank ILB ist für nächsten Schritt bereit (19. August) Rentenbank: Mehr ländliche Entwicklung, weniger Agrar (18. August)