SERIE: INVESTOREN IN DER KLEMME (11)

Niedrigzinsen gefährden kleine Stiftungen

Jede fünfte Einrichtung sorgt sich um ihr Vermögen - Umschichtung der Anlagen - Kapitalerhalt hat Priorität

Niedrigzinsen gefährden kleine Stiftungen

Von Gerhard Bläske, StuttgartDeutschland ist Stiftungsland. Rund 20 500 Stiftungen mit einem Stiftungskapital von insgesamt 100 Mrd. Euro, die jedes Jahr 17 Mrd. Euro zur Verwirklichung ihrer Stiftungsziele ausgeben, gibt es hierzulande. Jährlich kommen 600 dazu. Die Gelder fließen in soziale Projekte, in Kunst und Kultur, in Wissenschaft und Forschung, in den Umweltschutz, zunehmend auch in Vorhaben zur Förderung der Völkerverständigung oder des Sports.Um den Stiftungszweck zu erfüllen, müssen die Einrichtungen das Vermögen dauerhaft sichern und große Risiken umgehen. Das stellt Stiftungen in der Niedrigzinsphase vor Probleme. Nach Angaben des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen geht die Rendite der Anlagen seit Jahren zurück, weil etwa Bundesanleihen kaum noch etwas abwerfen. Lag die Rendite 2008 noch bei durchschnittlich 4,4 %, sank sie 2010 auf 3,5 % und in den Jahren 2011 und 2012 auf 3 %. Für manche wird es eng, fallen doch Kosten für Personal und Verwaltung an. Berenike Wiener, Referatsleiterin Stiftungsmanagement und Corporate Sector beim Bundesverband, sagt zwar: “Mir ist keine Stiftung bekannt, die ihren Zweck nicht mehr erfüllen kann.” Sie fügt aber hinzu: “Je länger diese Phase dauert, desto dünner wird die Luft für Stiftungen.” Groß schlägt kleinDer Verband empfiehlt gerade kleinen Stiftungen, sich stärker mit dem eigenen Vermögen zu beschäftigen und bei der Anlage “nicht alles auf eine Karte” zu setzen. Auffällig ist, dass Stiftungen mit hohem Stiftungskapital eine höhere Rendite von 4,3 % aufweisen. “Je besser die Kenntnisse der Vermögensanlage, desto höher die Rendite”, sagt Wiener. Doch 53 % der Stiftungen haben nicht einmal eine Anlagerichtlinie.Das erlebt auch Heinrich Hartmann, Generalbevollmächtigter und Bereichsleiter Private Banking bei der Stuttgarter Südwestbank, und selbst Vorstand der Stiftung “Kinder in Not”. Mehrere Stiftungen haben der Privatbank Mandate für die Anlage ihres Vermögens gegeben. Die Stiftungsvermögen liegen zwischen 500 000 und 380 Mill. Euro. Hartmann glaubt an ein längeres Anhalten der Niedrigzinsphase. Mehr Aktien und ImmobilienOberste Maxime sei der Kapitalerhalt, was die Möglichkeiten einschränkt. Doch die Bank hat infolge der Krise Änderungen vorgenommen und vor allem den Anteil von Aktien und Immobilien erhöht. Bei Rentenpapieren, die nach Verbandsempfehlungen 70 % des Portfolios ausmachen sollen, wurden die durchschnittlichen Laufzeiten auf etwa fünf Jahre reduziert, um bei Zinserhöhungen reagieren zu können. Außerdem werden Währungen beigemischt, um von Währungsgewinnen und höheren Zinsen zu profitieren. Statt auf Bundesanleihen setzt Hartmann auf Unternehmensanleihen, “in der Regel mit Investment Grade”. Außerdem geht die Bank in Aktien mit starker Dividendenrendite oder Fonds sowie verstärkt in gewerbliche Immobilien in Top-Lagen. High-Yield-Investitionen gebe es allenfalls als Beimischungen.Schwer haben es laut Hartmann kleine Stiftungen mit Vermögen unter einer halben Million Euro. Ihnen empfiehlt der Bundesverband Kooperationen mit anderen Stiftungen. Viele bemühen sich auch um höhere Spenden. Ein Fünftel der Stiftungen fürchtet laut einer Umfrage des Verbands, das Stiftungsvermögen in den nächsten zwei Jahren nicht mehr erhalten zu können.Nur 0,8 % der deutschen Stiftungen haben ein Vermögen von mehr als 100 Mill. Euro. Ganz vorn in Deutschland steht die Robert-Bosch-Stiftung mit einem Vermögen von 5,2 Mrd. Euro. 2013 flossen ihr allein in Form von Dividenden 78,6 Mill. Euro zu. Dazu kamen Zinseinnahmen von 4,7 Mill. Euro, 11,4 Mill. Euro aus übrigen Erträgen und nicht genutzten Mitteln sowie Spenden, insgesamt 103 Mill. Euro. Der Großteil wird vom Zeitpunkt der Bewilligung an komplett für bestimmte Zwecke reserviert. Nicht abgeflossene Gelder werden in kurz- und mittelfristigen festverzinslichen Anlageformen und Spezialfonds angelegt.”Wir sind untypisch für Stiftungen, denn wir haben kein so großes freies Vermögen. Wir bestreiten unsere Fördertätigkeit im Wesentlichen nicht aus Zinserträgen, sondern aus der Dividende, die uns aus unserer Beteiligung an der Robert Bosch GmbH zufließt”, sagt ein Sprecher auf Anfrage. Bei der Anlage achte man auf “hohe Sicherheit und Werterhalt”. 5,1 Mrd. Euro des Stiftungsvermögens stecken in der Beteiligung von 92 % am Stammkapital der Robert Bosch. ZugeknöpftDie Stiftungen geben mitunter nur wenige Auskünfte zur Anlage des Vermögens. Bei der bw-Stiftung hat sich das zuständige Finanzministerium Baden-Württembergs nicht zurückgemeldet. Die Dietmar-Hopp-Stiftung teilt nur mit, das Vermögen bestehe “überwiegend aus Aktien der SAP, die Dietmar Hopp zur Stiftungsgründung aus seinem Privatbesitz eingebracht hat”. Das Vermögen beträgt aktuell rund 4 Mrd. Euro. Die gemeinnützigen Stiftungsprojekte würden aus den Dividendenausschüttungen heraus finanziert. Insoweit habe es bislang keinerlei Einbußen gegeben. Seit ihrer Gründung im Jahr 1995 hat die Stiftung rund 400 Mill. Euro ausgeschüttet.—-Zuletzt erschienen:- Norwegens Staatsfonds wird aktiver (10.1.)- Anima setzt 2015 auf Devisen (9.1.)- Aktien sollen Calpers-Pensionslücke schließen (8.1)