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"Niemand will eine Quotenfrau sein"

Von Andreas Hippin, London Börsen-Zeitung, 20.3.2020 June Felix (63) ist alles andere als eine Quotenfrau. "Von asiatischen Frauen wird erwartet, dass sie sehr leise sprechen", sagt die Chefin der IG Group, die in einer chinesischen...

"Niemand will eine Quotenfrau sein"

Von Andreas Hippin, LondonJune Felix (63) ist alles andere als eine Quotenfrau. “Von asiatischen Frauen wird erwartet, dass sie sehr leise sprechen”, sagt die Chefin der IG Group, die in einer chinesischen Einwandererfamilie aus Pittsburgh aufwuchs, der Börsen-Zeitung. “Aber wenn man führen will, muss man sich Gehör verschaffen. Man muss diese Wahrnehmung durchbrechen, dass man fügsam und schwach ist.” Dieses Stereotyp konnte sie schon früh in ihrer Karriere ausräumen. Seit Mai vergangenen Jahres steht sie an der Spitze einer FTSE-250-Gesellschaft, deren Geschäft einerseits von der City of London und andererseits von komplexer Hochtechnologie geprägt wird – beides Männerdomänen. Sie konnte reichlich Erfahrung in beiderlei Hinsicht vorweisen.Die IG Group ist ein Anbieter von Differenzkontrakten (Contracts for Difference, CFDs). Das CFD-Geschäft ging aus dem sogenannten Spread Betting hervor, das es schon seit den 1940er Jahren gibt. Seine Erfindung wird Charles K. McNeil zugeschrieben, einem Mathematiklehrer, der zum Buchmacher in Chicago avancierte. Der Londoner Investmentbanker Stuart Wheeler gründete 1974 IG Index und ermöglichte Tradern, auf die Kursentwicklung von Gold zu wetten. Zu dieser Zeit war der Goldmarkt nur für wenige zugänglich, Spread Betting war eine willkommene Alternative. Auch für Leerverkäufe bot es sich an. Zudem waren Investmentbanker an der Themse daran interessiert, die Stempelsteuer zu umgehen, die auf Transaktionen an der London Stock Exchange erhoben wird. Die zunehmende Nutzung des Internets verhalf der Branche zu einem nie dagewesenen Aufschwung. Wer CFDs kauft, hat damit nicht etwa das zugrunde liegende Asset – etwa eine Aktie oder Devisen – erworben, sondern lediglich einen Wettschein auf dessen Wertentwicklung. So lässt sich mit extremem Hebel auf Kursbewegungen setzen und viel Geld verdienen, aber auch verlieren. Von P&G zu Chase ManhattanIn Zeiten extremer Kursschwankungen boomt das Geschäft der CFD-Anbieter. Sie haben aber keine Möglichkeit, die Volatilität zu beeinflussen. “Wenn ich das könnte, würde ich irgendwo auf einer Insel liegen und die Sonne genießen”, sagt Felix. Die Chemieingenieurin war am Anfang ihrer Karriere für Procter & Gamble und Johnson & Johnson tätig, dann als Beraterin für Booz Allen Hamilton. Danach arbeitete sie für Banken wie die Deutsche Bank. “Als ich bei Chase Manhattan war, habe ich bereits Konsortien aufgebaut, Joint Ventures, um technologieintensive Geschäfte zu ermöglichen. Damals war Zahlungsabwicklung kein Geschäft, das man für besonders sexy gehalten hätte. Mittlerweile ist es das.” Um die Jahrtausendwende führte sie ein Start-up-Unternehmen namens Certco. Die Firma wollte den großen Broker-Dealern wie Morgan Stanley oder Goldman Sachs beim Handel über das Internet mehr Gewissheit über die Identität der Person verschaffen, die sich auf der anderen Seite befindet. “Dann platzte die Internetblase, und ich musste eine weitere Finanzierungsrunde stemmen”, sagt Felix, als wäre nichts dabei gewesen.Danach ging sie zu IBM. “Das wirklich Tolle daran, Head of Global Banking & Financial Markets zu sein, war, dass jede technologisch innovative Firma mit einem sprechen will”, sagt Felix. “Sie wollen ihre Technologie bei einem der größten Akteure in der Branche unter Beweis stellen. Man bekommt eine Menge zu sehen.” Das bedeute aber nicht, dass man künftige Entwicklungen besser vorhersagen könne. “Ich wünschte, meine seherischen Fähigkeiten wären etwas besser. Als ich 2008 am Thema Mobile arbeitete – Mobile Payments, Mobile Banking, Mobile Everything – dachte ich, dass das alles viel schneller passieren würde, als es am Ende geschah”, gibt sie zu. Glaube an MeritokratieNatürlich hat sie eine Meinung zu Blockchain. Die Technologie sei wesentlich besser geworden. Bei der Handelsfinanzierung lasse sie sich vorteilhaft einsetzen. “Die Frage ist nur, ob die Vorteile so wesentlich und so groß sind, dass man dafür seine ganzen Prozesse und Systeme neu aufsetzen sowie das bestehende Ökosystem, in dem man sich bewegt, daran anpassen will”, sagt Felix. “Die Technologie ist nicht unbedingt der schwierigste Teil. Es ist das Ökosystem, in dem alle zustimmen müssen, dass man es jetzt mit etwas anderem versuchen will.”Von den derzeit so beliebten Quotenregelungen hält sie nichts. “Niemand will eine Quotenfrau sein”, sagt Felix. So kämen Leute in Positionen, für die sie vielleicht gar nicht qualifiziert seien. “Ich glaube wirklich an Meritokratie. Das ist auch meine Einstellung zu Diversität. Man muss Leuten die Chance geben, zu zeigen, was sie können, und das in einer Umgebung, die das ermöglicht. Ich versuche in meinem Unternehmen einen kleinen Beitrag zu leisten und zu zeigen, was möglich ist.”