Niiio Finance gelingt erste Übernahme
Von Björn Godenrath, Frankfurt
Der Görlitzer Niiio Finance Group ist die erste Übernahme geglückt. Erworben wird die Patronas Financial Systems, wie Niiio ein Anbieter für die Finanzindustrie im Asset- und Wealthmanagement. Die Transaktion erfolgt rückdatiert mit Wirkung zum 1.1.2021 und wird komplett in Aktien bezahlt. Dafür werden in Kürze aus dem genehmigten Kapital 6,5 Millionen neue Papiere zu 1,54 Euro je Anteilsschein ausgegeben. Patronas kommt im laufenden Geschäftsjahr auf Erlöse von rund 4 Mill. Euro und ist Ebitda-positiv. Rund 90% der Umsätze seien durch den Lizenzverkauf wiederkehrend, heißt es in der Ad-hoc-Mitteilung.
Cloud-basierte Plattform
Für Niiio Finance ist damit der erste Schritt auf dem geplanten Weg zum Aufbau einer cloudbasierten europäischen SaaS-Plattform für das Assetmanagement getan. „Mit diesem Zusammenschluss kombinieren wir unsere Cloud-Plattform mit dem spezifischen Domain-Wissen von Patronas. Damit erweitern wir unser Lösungsangebot und unser Kundenspektrum deutlich. Und wir zeigen, wie wir unseren Expansionsplan Schritt für Schritt realisieren können,“ so Niiio-Finance-CEO Johann Horch gegenüber der Bösen-Zeitung. Der Erwerb von Patronas sei erst der Auftakt, man sei bereits mit weiteren Unternehmen im Gespräch, so Horch. Man wolle mit den Zukäufen nicht nur in Deutschland expandieren, sondern sich auch Auslandsmärkte erschließen wie Österreich, Schweiz und Frankreich. Im Unterschied zum US-Markt sei der europäische Markt der Softwareanbieter für das Wealth- und Assetmanagement stark zersplittert, geprägt von mehr als 100 Nischenanbietern, die jeweils nur Teile des Kundenbedarfs abdecken, erklärt Horch.
M&A-Strategie steht
Niiio Finance hatte in den vergangenen Monaten eine M&A-Strategie ausgearbeitet und sich dafür auch in einem Advisory Board mit Marktkennern wie Henning Gebhard und Stefan Krause Unterstützung gesichert. Dabei nutzt das Fintech ihre Börsennotiz, um mit der Akquisitionswährung Aktie einen zersplitterten Markt zu konsolidieren. Für den Zeitraum 2022 bis 2026 strebt Niiio Finance ein durchschnittliches Wachstum von 100% jährlich an, verbunden mit höheren Assets under Management (AuM) bei den Geschäftskunden.
Patronas adressiert mit ihrem Kernprodukt „Opus“ das Portfolio-, Order- und Risikomanagement im institutionellen Wertpapiergeschäft, was Horch zufolge eine Ergänzung zum bestehenden Produktportfolio darstellt. Dabei ergeben sich auch für Patronas direkt Synergien: Die bereits angedachte Erweiterung auf ein Managed-Cloud-Modell könne nun unter dem Dach der Niiio Finance „erheblich beschleunigt werden.“ Für 2022 stellt Horch einen gemeinsamen Umsatz von mehr als 6 Mill. Euro in Aussicht. 2025 sollen es dann mehr als 40 Mill. Euro in der Gruppe sein, so seine Wachstumsstrategie aufgeht (siehe Grafik).
Die Transaktion erfolgt mit einem Umsatz-Multiple von 2,5. Für Übernahmen im Bereich klassischer Software seien Multiples von etwa zwei- bis dreimal Umsatz üblich, im SaaS-Bereich hingegen lagen die Bewertungen zuletzt bei rund 17. Das wolle man nun auch für Patronas realisieren, indem man das Angebot auf die Cloud bringe und insgesamt Cross-Selling-Potenziale von rund 20% realisiere, führt Horch aus. Während Niiio Finance stärker Banken und Vermögensverwalter mit Fokus auf das Endkundensegment im Private Wealth Management adressiere, sei Patronas in der Wertschöpfungskette mit dem Fokus auf institutionelle Fondsmanager einen Schritt weiter positioniert. Die weitere Wachstumsperspektive ordnet er so ein: Während die AuM in der Industrie mit jährlich 5% zunehmen, könnten die in dem Sektor tätigen Software-Unternehmen um den Faktor Drei schneller wachsen.
Kontakte hergestellt
Das ist auch der Treiber für die angestrebte Konsolidierung unter dem Niiio-Finance-Dach: Von den 120 im Sektor tätigen Firmen habe man 60 angesprochen, mit 15 ein Erstgespräch geführt und mit fünf von ihnen erste Bewertungsideen ausgetauscht. Mit Patronas sei man zuerst in medias res gegangen, da man sich voll ergänzt, die Übernahme in Aktien möglich sowie mit dem verbreiterten Geschäftsmodell ein sofortiger Benefit verbunden sei.
Mit den übrigen Akquisitionszielen, die sich beim Umsatz in einer Range von 1,5 bis 10 Mill. Euro befinden, sei man so verblieben, dass man in die Due Diligence geht, sobald auf der Seite von Niiio Finance die Vorfinanzierung steht. Dafür wäre laut Horch eine größere Finanzierungsrunde notwendig – wobei die Patronas-Übernahme als Proof-of-Concept natürlich hilft, entsprechende Pläne voranzutreiben, da die Equity Story damit greifbarer wird. Die Kaufziele würden mehrheitlich Cash präferieren, punktuell sei aber eine Aktienkomponente denkbar, unterstreicht Horch.