FinTech

Niiio Finance treibt Cloud Banking im Wealth Management voran

Als erster deutscher Anbieter einer zertifizierten Private-Cloud-Lösung mit der Zielgruppe Wealth Management und Wertpapiergeschäft ist die Niiio Finance Group in einem Sweet Spot des Marktes unterwegs. Dabei haben die Görlitzer zwei...

Niiio Finance treibt Cloud Banking im Wealth Management voran

Von Björn Godenrath, Frankfurt

Als erster deutscher Anbieter einer zertifizierten Private-Cloud-Lösung mit der Zielgruppe Wealth Management und Wertpapiergeschäft ist die Niiio Finance Group in einem Sweet Spot des Marktes unterwegs. Dabei haben die Görlitzer zwei Geschäftsbereiche, mit denen sie komplementäre Wachstumsmärkte adressieren.

Das ist zum einen die Cloud-Software mit dem Kernprodukt „Munio“ für Vermögensmanager sowie zum anderen ein White-Label-Robo-Advisor, der im individuellen Design der Geschäftskunden (B2B) beim Privatkunden um Anlagegelder buhlt. Gestandene Vermögensverwalter, aber auch neue Anbieter können also das Robo-Advisory-Modul nutzen, um mit einem eigenen Angebot eine weniger vermögende Klientel anzusprechen. Denn wegen geringerer Prozesskosten einer voll digitalisierten Infrastruktur können beratungslose Anlagekonzepte auf Basis standardisierter Anlageprodukte wie ETFs mit geringeren Gebühren für kleinere Depots operieren.

Mehr als 50 Banken und Vermögensverwalter greifen bereits auf die Cloud-Dienste von Niiio zurück, darunter einige Volksbanken und die Merck Fink. Das Marktpotenzial für das Lizenzgeschäft mit Portfolio-Management-Lösungen beziffert Niiio Finance in einer Präsentation auf jährlich gut 210 Mill. Euro, wobei das Unternehmen mit dem Segment „Komplexe Anlageprodukte“ bislang nur ein Viertel des Marktes angeht (siehe Grafik).

Dort will die Gesellschaft mit zwei Algorithmen für eine vollautomatische, risikoadjustierte Wertpapieranlage punkten: mit einem „Risikomanager“, der ein Signal sendet für den rechtzeitigen Ein- und Ausstieg, und mit einem Buy-&-Hold-Algorithmus, der eine Auswahl von Einzelwerten unter Berücksichtigung ihrer historischen Korrelation liefert. Darüber hinaus kommt für Niiio der Status als qualifizierter Outsourcer nach dem Kreditwesengesetz samt regulatorischem Know-how für den Betrieb des Rechenzentrums – was ein wichtiges Kriterium im Cloud-Entwicklungsland Deutschland ist.

Kunden des Robo-Moduls sind bislang die in Performance-Tests immer solide abschneidende, von Finet Asset Management betriebene Vividam, Smavesto der Bremer Sparkasse sowie Brawo Advisor. Um den Kunden bei der Vermarktung ihrer Robo-Konzepte unter die Arme zu greifen, plant Niiio unter anderem ein neues Vergleichsportal. Der Markt für die automatisierte und digitale Geldanlage kommt in Deutschland langsamer in Schwung als viele Experten erwartet haben, bietet innovativen Playern mit schlankem Korsett aber die Möglichkeit, schon mit geringen verwaltetem Vermögen kostendeckend zu arbeiten. Einige Robo-Advisors sind aber auch schon aus dem Wettbewerb ausgeschieden.

Umsatz ausbaufähig

So vielversprechend Niiio auch mit ihrem zweigleisigen Kerngeschäft positioniert ist, viel wirft es bislang noch nicht ab: Im ersten Halbjahr 2020 betrug der Umsatz 1,1 Mill. Euro, das operative Ergebnis (Ebitda) erreichte 0,2 Mill. Euro. Unterm Strich blieb ein Nettoverlust von 1,3 Mill. Euro stehen. Bei einer Eigenkapitalquote von 84% wurden im Januar die liquiden Mittel, die zum Halbjahr noch mit 1,9 Mill. Euro angegeben wurden, per Kapitalerhöhung um 2,3 Mill. Euro aufgestockt. Die Aktie hatte im Januar deutlich angezogen auf eine Notiz von 2 Euro. Derzeit wird das Papier bei 1,58 Euro gehandelt, was die Marktkapitalisierung auf knapp 40 Mill. Euro stellt – das sind reichlich Lorbeeren für ein Fintech, das nur geringe Einnahmen hat. Andererseits ist die Bewertung in privaten Fintech-Runden häufig noch viel optimistischer. Niiio ist als börsengelistetes Fintech eine Ausnahme im Nebenwerteuniversum.

Flankiert wird die geplante Geschäftsausweitung von einem neuen Beirat, der das Unternehmen bei M&A-Transaktionen sowie möglichen weiteren Schritten auf der Marktseite begleiten soll. Dafür konnten Ex-Deutsche-Bank-Vorstand Stefan Krause und Ex-DSW-Fondsmanager Henning Gebhardt gewonnen werden. „Für uns geht es jetzt darum, Skalierbarkeit herzustellen“, sagt Niiio-Chef Johannes Horch. Bei der Kapitalerhöhung sei auch ein strategischer Partner eingestiegen, der bei Vertrieb und Kundenansprache helfen soll. „Wir werden das B2B-Modell beibehalten, können uns aber vorstellen, die Trading-Signale aus dem Kernprodukt auch Endkunden und damit dem B2C-Markt zur Verfügung zu stellen.“

Die grundsätzlich steigende Bereitschaft des Finanzsektors, in neue Prozesse zu investieren, sollte Niiio entgegenkommen. „Der Markt geht jetzt in die Cloud und wir sind da Business Process Outsourcing Partner (BPO) der Banken, um ihre Software-Systeme für Wertpapiere dort laufen zu lassen.“

Dank ihrer Technologie- und Entwicklerkompetenz investiert Niiio auch in zukünftige Geschäftsfelder. So arbeitet die Gesellschaft an einer Kombination beider Algorithmen unter Nutzung von Quanten-Computern, was in einem Forschungsprojekt gemeinsam mit dem Fraunhofer Institut betrieben wird – was den Stellenwert des intellektuellen Kapitals von Niiio untermauert. Außerdem ist Niiio Forschungsmitglied des vom Wirtschaftsministerium kuratierten Großprojekts zur Entwicklung eines Financial Big Data Clusters (FBDC), das der Absicherung der Datensouveränität im Finanzsektor dienen soll. Dabei handelt es sich um eine cloudbasierte Finanzdatenplattform, die Daten bündelt und über KI-Werkzeuge für Datenauswertung bereitstellt.

Auch stößt das Unternehmen in die Blockchain-Welt vor: In Zusammenarbeit mit dem auch in Frankfurt bekannten Start-up Quantoz gehe es darum, den Unterbau des Finanzmarktes mit Clearstream als Intermediär zu vereinfachen und damit in der Abwicklung günstiger zu gestalten, sobald das regulatorisch möglich sei, so Horch (siehe Textkasten).

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.