No-Fee-Broker sorgen für Preisdruck

Neue Anbieter locken Privatanleger mit kostenlosen Wertpapieraufträgen - Auswahl beschränkt

No-Fee-Broker sorgen für Preisdruck

Von Thomas Spengler, StuttgartDas Ringen um die Wertpapieraufträge der Privatanleger nimmt an Intensität zu. Durch den Markteintritt der provisionsfreien Broker (No-Fee-Broker) im vergangenen Jahr ist den arrivierten Online-Brokern wie Comdirect, Consors, ING-DiBa oder Flatex eine neue Konkurrenz erwachsen. Gleichzeitig bekommen auch die traditionellen Börsen die Newcomer zu spüren, weil deren Geschäftsmodelle immer an Marketmaker-Modelle geknüpft sind. “Der Markt ist dadurch stark kompetitiv”, sagt dazu Stuttgarts Börsenchef Michael Völter.Nun mache sich also auch bei Online-Brokern eine Umsonst-Kultur breit, obwohl der Verdrängungswettbewerb doch ohnehin schon knallhart sei, stöhnt ein altgedienter Börsenhändler mit Blick auf die No-Fee-Broker. Sie heißen Trade Republic, Just Trade oder Gratisbroker. Ihre Angebote beruhen auf einer reduzierten Anzahl handelbarer Wertpapiere, einem eingeschränkten Service sowie dem für Privatanleger extrem günstigen, meist kostenlosen Handel. Kern ihres Geschäftsmodells sind Rückvergütungen, die sie von den beteiligten Marketmakern und ausgewählten Emittenten erhalten (vgl. BZ vom 11. Januar). Sprich: Die Discounter lassen sich den Orderflow, den sie an den Marketmaker weiterleiten, bezahlen. “Eine Art Gewinnbeteiligung”Dasselbe gilt für Orders an Zertifikate- oder ETF-Emittenten, für die die Broker einen von mehreren Vertriebswegen darstellen. 2,75 Euro pro Trade sind es nach eigenen Angaben, die die Gratisbroker GmbH in München von der als Marketmaker fungierenden Baader Bank rückvergütet bekommt. Für ETF-Orders sind es 2 Euro und für Fondsorders 5 Euro. Die Rückvergütungen des Derivate-Emittenten HSBC liegen bei durchschnittlich 4 Euro. “Ich betrachte dies als eine Art Gewinnbeteiligung”, sagt Gratisbroker-Gründer Malte Rubruck zu den sogenannten Kick-backs. Mit durchschnittlich 1,30 Euro pro Transaktion beziffert Trade Republic seine Rückvergütungen.Nun ist der Umstand, dass Online-Broker für ihren Orderflow eine Rückvergütung kassieren, an sich nichts Neues. So erhalten sämtliche etablierten Online-Broker in Deutschland von ihren Handelspartnern, also Marketmakern und Zertifikate- oder ETF-Emittenten, Kick-backs für ihren Orderflow – eine Praxis, die sich seit Jahren als gängiger Vertriebsweg von Emittenten etabliert hat. Dies geschehe wie bei allen Anbietern auch in marktüblichen Größenordnungen, heißt es dazu unisono bei Comdirect und Consorsbank. Die Rückvergütungen, die den Anlegern vor und nach jeder Transaktion ausgewiesen werden, würden schließlich für Qualitätsverbesserungen zugunsten der Kunden genutzt.Den Unterschied, den die No-Fee-Broker für sich ausmachen, ist, dass sie “die Rückvergütungen zu einem Teil dafür verwenden, um die Orderprovision und Depotgebühr dauerhaft auf 0 Euro zu reduzieren”, erläutert Michael B. Bußhaus, Vorstand des Fintechs Just Trade. Bei etablierten Anbietern handle das Gros der Anleger immer noch zu überhöhten Preisen, ergänzt Christian Hecker, einer der Gründer des Berliner Fintechs Trade Republic.Aufgrund ihres hohen Digitalisierungsgrads und der damit verbundenen Vereinfachung der Bankprozesse rechnen die No-Fee-Broker damit, trotz kostenlosen Handels für die Endkunden profitabel wirtschaften zu können. Dazu aber brauchen sie Volumen. Wie viel davon Gratisbroker bisher generieren konnten, will Geschäftsführer Rubruck nicht verraten. Nur so viel: Noch liege die Zahl der Kunden im deutlich vierstelligen Bereich, aber bereits mit angepeilten 20 000 Kunden könne das Fintech profitabel wirtschaften. “Unser Potenzial aber liegt bei mehreren 100 000 Kunden”, schätzt Rubruck. Dagegen hat sich Trade Republic zum Ziel gesetzt, zumindest seine ersten 100 000 Depotkunden bis Ende Mai zu gewinnen. Die Zahl der Trades von Januar 2019 bis Januar 2020 gibt das Berliner Fintech mit 1 Million an. Keine AbwanderungstendenzVolumina in dieser Größenordnung scheinen die Platzhirsche noch nicht zu spüren. Zumindest habe man bisher keine Abwanderungstendenzen feststellen können, sagt dazu Norbert Haydl, Head of Trading bei der Consorsbank, und verweist auf die umfassenden Leistungen des Instituts, die die Kunden zu schätzen wüssten. Ähnlich äußert sich die Comdirect, die trotz des Aufkommens der No-Fee-Broker einen weiterhin stark wachsenden Wertpapierhandel registriert. Dies zeige, dass Anleger nicht nur auf den Preis, sondern auch auf den Kundenservice, die Erreichbarkeit, das Qualitätsversprechen und auf die Auswahl der Wertpapiere achteten, sagt Björn Andersen, Bereichsleiter Brokerage bei der Comdirect.Man kann die provisionsfreien Broker als eine Angebotsergänzung betrachten, die von einer Klientel geschätzt wird, die keinen Komplettservice benötigt und daher auch nicht geneigt ist, Handelsgebühren zu bezahlen. Im günstigsten Fall schaffen es die No-Fee-Broker, sich neue Zielgruppen zu erschließen und damit den Markt zu erweitern, wovon man etwa beim Fintech Trade Republic ausgeht, das ausschließlich auf Handy-Lösungen setzt. “Wenn man die Leute mit einer bequem nutzbaren App abholt, kann man völlig neue Kunden gewinnen”, ist Gründer Hecker überzeugt. Spätestens dann aber, wenn die Newcomer beginnen sollten, den etablierten Brokern in spürbarem Umfang Kunden wegzunehmen, würden Comdirect und Co. rasch unter Preisdruck geraten, ist Rubruck von Gratisbroker überzeugt.Eine weitere Einschränkung, die den Newcomern gemeinsam ist, besteht darin, dass sie sich auf den Handel an ein oder zwei Börsenplätzen beschränken, die allesamt Marketmaker-Modelle darstellen. Während sich Gratisbroker für Gettex, den Münchner Börsenplatz mit der Baader Bank als Marketmaker, entschieden hat, routet der Rivale Trade Republic, selbst mit einer Lizenz als Wertpapierhandelsbank ausgestattet, an die LS Exchange, ein elektronisches Handelssystem der Börse Hamburg, an dem Lang & Schwarz als Marketmaker tätig ist.Just Trade bietet neben dem Handel an der LS Exchange auch Quotrix in Düsseldorf an, wo die ICF Bank als Marketmaker aktiv ist. “Damit sorgt das Aufkommen der provisionsfreien Broker für eine weitere Fragmentierung des börslichen Wertpapierhandels in Deutschland”, sagt Völter von der Börse Stuttgart. Dass sich im Zuge dieser Entwicklung die Neuverteilung der Wertschöpfung im Börsenhandel beschleunigen wird, davon ist Rubruck von Gratisbroker überzeugt.