DEUTSCHLANDS GROSSE BANKEN UND DIE NACHHALTIGKEIT

"Noch ganz am Anfang"

Kreditwirtschaft marschiert geschlossen Richtung Nachhaltigkeit, wenn auch unterschiedlich schnell - Banken kämpfen mit Mangel an Daten und Definitionen

"Noch ganz am Anfang"

Getrieben von der Regulierung und ihren Kunden, haben sich Deutschlands große Banken geschlossen auf den Weg zu mehr Nachhaltigkeit begeben – wenn auch in unterschiedlichem Tempo sowie von divergierenden Startpunkten aus. Eine Umfrage der Börsen-Zeitung zeigt, wie weit die Institute bereits sind. Von Bernd Neubacher, FrankfurtDeutschlands Großbanken begeben sich geschlossen, wenn auch in unterschiedlicher Geschwindigkeit auf den Weg zu mehr Nachhaltigkeit. Zwar haben inzwischen alle wichtigen Institute Maßnahmen auf den Weg gebracht. Allerdings ist dies bisher in unterschiedlichem Ausmaß geschehen. So haben sich zwar ausnahmslos alle Banken bereits darangemacht, Aspekte der Nachhaltigkeit in ihr Risikomanagement zu integrieren. Eine Berechnung und Abbildung des CO2-Fußabdrucks von Schuldnern hingegen steht in der Branche offenbar noch ganz am Anfang. Eine Green Asset Ratio, wie von der European Banking Authority (EBA) empfohlen, hat noch keine einzige der wichtigsten Banken hierzulande berechnet (siehe unten stehenden Text). Dies hat eine Umfrage der Börsen-Zeitung bei zehn größeren Geldhäusern ergeben, namentlich der BayernLB, der Deutschen Bank, der Commerzbank, der DZ Bank, der DekaBank, der Helaba, der LBBW, der HypoVereinsbank, der Apo-Bank sowie der Haspa. Eine besondere RisikoartMit der Bewegung für mehr Nachhaltigkeit hat sich spätestens im vergangenen Jahr ein neuer Megatrend politisch, regulatorisch sowie aufsichtlich mit Macht Bahn gebrochen. Für die Kreditwirtschaft bedeutet dies vor allem, dass die Lancierung nachhaltiger Produkte allein nicht mehr reicht, um ein Geschäftsmodell als nachhaltig zu positionieren.Soll das Engagement für mehr Nachhaltigkeit über die Wirkung in der Öffentlichkeit hinausgehen und in den Prozessen einer Bank verankert werden, rückt rasch das Risikomanagement eines Instituts in den Fokus. Denn nicht zuletzt muss eine Bank verhindern, dass sie Assets finanziert, deren Wert im Zuge des Kampfs gegen die Erderwärmung verfallen wird.Die Deutsche Bank berücksichtigt eigenen Angaben zufolge bereits die möglichen Folgen des Klimawandels auf bestimmte Branchen in Risikoeinstufungen, die wiederum in die Bewertungsmodelle für Ausfallwahrscheinlichkeiten einfließen. Außerdem erstellt das Institut Szenarien für Forderungen aus den Branchen Öl und Gas, Elektrizität und Gasversorger sowie Stahl, Metall und Bergbau. Geschäfte in CO2-intensiven Geschäftsfeldern unterlägen seit Jahre einer erweiterten Prüfung, heißt es. Aus der Finanzierung von Kohle hat sich das Haus den Angaben zufolge bereits zurückgezogen, derzeit schließt die Bank eine interne Richtlinie für den Öl- und Gassektor ab – Umweltschützer haben dem Institut vorgeworfen, zwischen 2016 und 2018 Öl- und Gasaktivitäten in der Arktis mit insgesamt knapp 1 Mrd. Dollar finanziert zu haben.Risiken, die sich bei Kunden aus der Transformation von Industrie und Gesellschaft entwickeln können, hat auch die Commerzbank zum Thema gemacht. Seit 2016 finanziert sie keine neuen Kohleminen und -kraftwerke mehr, wie es dort heißt. Beim Sparkassenhaus DekaBank gehört zur Prüfung jedes Kreditengagements “eine systematische Befassung mit eventuellen Nachhaltigkeitsaspekten”. Sind bestimmte Kriterien erfüllt, wird “zwingend” die Einheit Nachhaltigkeitsmanagement eingebunden, deren negatives Votum der Gesamtvorstand allerdings überstimmen kann.Weiter geht die Helaba, die nach eigenen Angaben bereits 2017 Nachhaltigkeitsaspekte in ihrer konzernweiten Risikostrategie verankert hat. Für bestimmte Branchen gelten demnach konkrete Ausschlusskriterien und Mindeststandards, die bei jedem neuen Engagement einzuhalten sind und jährlich überprüft, erweitert und auch online offengelegt werden. Mit der Analyse möglicher Auswirkungen von Klimarisiken auf das Kreditportfolio und der Erarbeitung möglicher Umsetzungslösungen habe die Bank begonnen, heißt es. “Auf den ersten Blick ergeben sich aufgrund unserer Geschäftsausrichtung keine unerwarteten oder außergewöhnlichen Risiken.” Methodisch und sachlich sehe man die Integration klimabezogener Risikoaussagen und granularer Berichterstattung anhand spezifischer Kennzahlen indes “noch ganz am Anfang”. Die Bank sieht “große methodische Fragezeichen” bei Ausfallrisiken und der Verfügbarkeit von Daten.Bei der DZ Bank umfasst die Credit Policy “Nachhaltige Kreditvergabe” neben allgemeinen Grundsätzen auch positive Punkte, Ausschlusskriterien sowie sektorspezifische Vorgaben. Im Kreditvergabeprozess würden Prüflisten und Ratings zur Nachhaltigkeit angewendet und erstellt, heißt es. Darüber hinaus analysiere das genossenschaftliche Spitzeninstitut regelmäßig Branchen mit besonderer Relevanz, etwa Automobilzulieferer. Klimarisiken stellten eine besondere Risikoart dar, die analog der Linie der Finanzaufsicht entlang bestehender Risikoarten behandelt würden, heißt es mit Blick auf das versicherungstechnische Risiko, das Kredit- und das operationelle Risiko. “Die Herausforderung des Jahres 2020 besteht darin, diese Verfahren zu harmonisieren, weiterzuentwickeln und mit den neuen regulatorischen Anforderungen (EU-Richtlinien, Stresstests etc.) zu synchronisieren.” Bei Eigenanlagen kommt ein Nachhaltigkeitsfilter zum Einsatz.Die LBBW stellt eigenen Angaben zufolge “durch interne verbindliche Prüfprozesse und umfassende Regularien sicher, dass ökologische, gesellschaftliche oder ethische Reputations- und Nachhaltigkeitsrisiken frühzeitig im Kreditentscheidungsprozess identifiziert, analysiert und bewertet werden”. Als Grundlage dienen dabei “Leitplanken im Kreditgeschäft”, die in Prinzipien und Richtlinien für die Umsetzung der LBBW-Nachhaltigkeitspolitik und -ziele niedergelegt sind.Die BayernLB hat “spezifische Policies und Ausschlusskriterien” für bestimme Branchen festgelegt und analysiert bei Beurteilung einzelner Kunden und Transaktionen etwaige Nachhaltigkeitsrisiken in ihren Kredit- und Compliance-Prozessen. Ungeachtet dessen plane das Haus eine noch tiefere Verankerung von Nachhaltigkeitsrisiken im Risikomanagement, um entsprechende Risiken und Auswirkungen für Kunden, Transaktionen und Portfolien näher durchdringen zu können, wie es heißt: “Darauf aufbauend etablieren wir dann eine Portfoliorisikosteuerung unter Nachhaltigkeitskriterien und entwickeln entsprechende Portfolioszenarien, z. B. für das Klima”, teilt die Bank mit.Die Deutsche Apotheker- und Ärztebank (Apo-Bank) schließt schon jetzt Geschäfte mit Bezug auf bestimmte Nachhaltigkeitsrisiken aus und hat zudem Leitlinien ökonomischer, ökologischer und sozialer Nachhaltigkeit eingeführt. Im Zuge der Risikoinventur würden alle wesentlichen Risiken identifiziert, gemessen und mit Kapital unterlegt, schreibt das genossenschaftliche Institut. In den kommenden Jahren werde das Haus sein Risikomanagement mit Blick auf Nachhaltigkeit stetig weiterentwickeln und dabei Marktstandards sowie gesetzliche und regulatorische Vorgaben einbeziehen, wird angekündigt. Die Hamburger Sparkasse (Haspa), nach Bilanzsumme die größte Sparkasse der Republik, analysiert seit 2018 regelmäßig ihr Kreditportfolio auf Nachhaltigkeitsrisiken, wie sie mitteilt. Umstrittener FußabdruckUnterschiedlich fallen auch die Angaben der Institute zur Frage nach Plänen aus, den Kohlendioxid-Fußabdruck einzelner Schuldner zu erheben und diesen als Faktor in die Kreditstrategie einfließen zu lassen. Die aktuell nur im Konsultationsentwurf vorliegenden Leitlinien der European Banking Authority (EBA) zur Kreditvergabe schrieben eine Berücksichtigung nachhaltiger Komponenten vor, stellt die Helaba fest. Wie die Bank diese Vorgabe konkret umsetze und wie sie auf diese Anforderung reagiere, werde sie im Zuge einer genaueren Analyse möglicher Auswirkungen auf das Kreditportfolio genauer analysieren.Möglich wäre demnach etwa die Ergänzung des Bonitätsratings um ein Nachhaltigkeitsrating. Die Helaba habe sich an Arabesque S-Ray, einem Anbieter von ESG-Daten (Environment, Social und Governance) beteiligt, um diese Optionen auszuloten. Eine isolierte Fokussierung auf einen CO2-Fußabdruck erscheine indes “wenig aussagekräftig”. Denn neben Fragen der Verfügbarkeit und Verlässlichkeit von Daten stelle sich die Frage, ob eine hohe CO2-Intensität automatisch mit einem höheren Risiko verbunden sein müsse.Ins gleiche Horn stößt die LBBW. Die Relevanz von CO2-Werten bezeichnet sie als “nicht eindeutig”. So könne der Wert einer CO2-Emission durchaus ein Indikator für die Nachhaltigkeit eines Unternehmens sein. Dies müsse aber nicht zwingend der Fall sein, da vergangene Werte nicht unbedingt die künftige Ausrichtung widerspiegelten. “Die Finanzbranche steht bei solchen Fragen aus unserer Sicht noch am Anfang”, heißt es in Stuttgart. Die Bank setzt sich eigenen Angaben nach mit dem Thema “Carbon Footprint” auf Ebene des Gesamtportfolios auseinander, sieht auch darüber hinaus “noch eine Reihe von Herausforderungen”. So könnten gerade Mittelständler ihre CO2-Emissionen oft gar nicht beziffern, gibt die Bank zu bedenken. Außerdem zeichne sich am Markt noch kein einheitlicher Standard zur Erhebung der Emissionen auf Portfolioebene ab.Für die BayernLB ist die Erhebung des CO2-Fußabdrucks für einzelne Kunden “eine denkbare Möglichkeit, das entsprechende Klimaprofil eines Portfolios näher zu durchleuchten”. In einem nächsten Schritt könne sich die Bank gut vorstellen, diese Kennzahl als Faktor in die Kreditstrategie einfließen zu lassen. “Keine konkreten Pläne” hat hier derweil die Haspa.Die Commerzbank erklärt unterdessen, im Zuge ihrer Risikostrategie schaue sie sich die vorhandenen Informationen der Kunden an. Seien diese für die Beurteilung des Geschäftsmodells relevant, berücksichtige die Bank diese Aspekte. Viele größere Firmenkunden berichteten bereits heute über ihren CO2-Fußabdruck. Unabhängig davon wolle die Bank die Treibhausgas-Bilanz ihrer Kunden besser verstehen: “Denn dann können wir sie mit entsprechenden Finanzierungsvorschlägen dabei unterstützen, ihr Geschäftsmodell nachhaltig auszurichten.”Die DZ Bank hingegen berechnet bereits den Kohlendioxid-Fußabdruck “fallweise für einzelne Kunden” oder im Rahmen aggregierter Simulationsrechnungen für ganze Branchen. “Die Herausforderung der nächsten Jahre wird darin bestehen, entsprechende Erhebungen und Rechnungen vorzunehmen, ohne eine – insbesondere für den Mittelstand überfordernde – Bürokratie aufzubauen”, heißt es etwa mit Blick auf Datenhaushalte und die Akquise von Kunden. Banken arbeiten zusammenDie Deutsche Bank arbeitet an einem Ansatz zur Bewertung klimabezogener Risiken: Es sei Prinzip der Bank, Kunden in allen geschäftlichen Phasen zu unterstützen – “insbesondere in schwierigen Phasen, wenn Veränderungen des Marktumfeldes tiefgreifende Umstrukturierungen und Anpassungen erforderlich machen”, heißt es.Die HypoVereinsbank verweist unterdessen darauf, dass ihre Mutter Unicredit mit 16 anderen Banken im Rahmen des Projektes PACTA (Paris Agreement Capital Transition Assessment) an einer Klima-Szenario-Analyse zur Kreditvergabe an Unternehmen arbeite: “Anhand dieses Standards werden wir zukünftig transitorische und physische Risiken in unseren Kreditportfolien evaluieren, bewerten und steuern”, schreibt die Bank.Auseinander gehen die Antworten auf die Frage nach den nächsten Schritten zu mehr Nachhaltigkeit. So kündigt die Helaba noch fürs erste Halbjahr ein Projekt an, um “die vielfältigen regulatorischen Anforderungen und die steigende Nachfrage zu innovativen Produktangeboten” zu bündeln und konzentriert anzugehen. Bei der DZ Bank startete schon im vergangenen Jahr ein “Projekt zur Weiterentwicklung des gesamten Themas Nachhaltigkeit”. Auf der Agenda stehen dabei die Banksteuerung, wozu auch das Risikomanagement zählt, der Ausbau von Kapazitäten in Marktfunktionen, die Analyse und Umsetzung gesetzlicher Vorgaben und eine Angleichung der Klassifizierungsverfahren im Unternehmen. Komplett papierlos bis 2023Die Apo-Bank will Nachhaltigkeit “deutlich stärker” in der Produkt- und Dienstleistungspalette verankern und plant, dass bis 2025 “alle in der Beratung eingesetzten Wertpapierprodukte” die von der Bank formulierten Mindestanforderungen an nachhaltige Anlagen erfüllen. Die Commerzbank nennt als eines ihrer konkreten Ziele, “dass wir unser Kreditportfolio nach dem Pariser Klimaziel steuern und unsere Kunden bei der nachhaltigen Transformation ihrer Kreditportfolien unterstützen”. Zudem will die Bank ihren CO2-Ausstoß weiter reduzieren.Die Haspa arbeitet daran, “den Faktor Nachhaltigkeit im Passiv- und Aktivgeschäft und in der Eigenanlage weiter zu implementieren”. Zudem arbeitet sie derzeit an einem “belastbaren quantitativen Umwelt- und Klimaziel”. Die LBBW plant unter anderem einen Ausbau nachhaltiger Beratungskompetenz für private Kunden, den Aufbau eines Sustainable-Advisory-Angebots für Unternehmenskunden sowie nicht zuletzt die Umsetzung regulatorischer Anforderungen aus dem EU-Aktionsplan für ein nachhaltiges Finanzsystem. Die DekaBank hat sich zum Ziel gesetzt, den Carbon Footprint der Aktivseite zu ermitteln und das nachhaltige Produktangebot für Retail- und institutionelle Kunden über alle Assetklassen hinweg auszubauen.Die Deutsche Bank strebt für das laufende Jahr die Emission der ersten eigenen grünen Anleihe sowie den Aufbau eines “ganzheitlichen Angebots an nachhaltigen Finanzlösungen” an. So arbeite das Institut derzeit an einer einheitlichen Definition für nachhaltige Finanzierungen im Finanzierungs- und Kapitalmarktgeschäft und bewerte die Geschäftschancen in verschiedenen Geschäftsfeldern, heißt es. In diesem Zusammenhang würden Nachhaltigkeitsziele für die Bank definiert. Die HypoVereinsbank hat sich vorgenommen, bis 2023 bankweit bei Abwicklung ihrer Prozesse “komplett auf Papier” zu verzichten.