Nomura legt bundesweit an Gewicht zu
Von Bernd Neubacher und
Christoph Ruhkamp, Frankfurt
Nomura Holdings rechnet sich nach Übernahme der auf Nachhaltigkeit fokussierten Investment-Banking-Boutique Greentech Capital Advisors gute Chancen auf dem deutschen, aber auch dem US-amerikanischen Markt aus. Die Dekarbonisierung der Wirtschaft werde die ökonomischen Aktivitäten auf 50 Jahre hinaus prägen, argumentiert Jeff McDermott, Gründer und Managing Partner bei Greentech, im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. Das habe Folgen auch für das deutsche Geschäft: So fänden sich hierzulande, etwa im Sektor der effizienten Energieerzeugung, zahlreiche Unternehmen, die in ihrer Branche zu den Vorreitern gehörten, abseits ihres Heimatmarktes wachsen wollten und entsprechenden Rat suchten, berichtet er. Ihr über Jahre aufgebautes Wissen könnten sie nun in den USA, die den grünen Wandel verzögert nachvollziehen, erneut einsetzen. Zugleich gäben deutsche Firmen aber auch gute Ziele für Fusionen und Übernahmen ab, sagt McDermott. Greentech ist mit Büros in New York, San Francisco, Chicago und Zürich präsent.
„Ein sehr gutes Jahr“
Bei der Jagd nach Mandaten kann sich Greentech seit der Ende 2019 vereinbarten Übernahme durch Nomura auf den Apparat der japanischen Investmentbank stützen. Deren Leiter des Investment Banking in Deutschland zieht für das Geschäft ein positives Fazit: „Wir hatten 2020 ein sehr gutes Jahr“, sagt Patrik Zeigherman: „Die Zahlen zeigten deutlich nach oben, und wir konnten unseren Marktanteil im globalen Investment Banking verdoppeln.“
Auch wenn Nomura in der Öffentlichkeit einen eher leisen Auftritt pflegt, spielt die Bank im Beratungsgeschäft in Deutschland eine nicht unbedeutende Rolle. 2020 hat das Institut unter anderem das Mandat von Global Wafers für die Übernahme von Siltronic an Land gezogen und die Familie des verstorbenen Media-Markt-Gründers Erich Kellerhals bei der Reorganisation von Media-Saturn beraten. Gegen Jahresende kam noch ein Beratermandat der Deutschen Fußball Liga (DFL), der Betreibergesellschaft der Fußball-Bundesliga, hinzu.
Einstellungen sind geplant
Zeigherman will vor diesem Hintergrund selektiv einstellen und die Personalstärke um 10 bis 15% ausbauen. In Frankfurt und in London beschäftigt Nomura derzeit 20 deutschsprachige Banker.
Mehr noch als die Konjunktur im Investment Banking prägt freilich der Brexit die Entwicklung der 2018 ins Leben gerufenen Europa-Einheit Nomura Financial Products Europe. Im Ende März 2020 abgeschlossenen Geschäftsjahr hat die Gesellschaft, die neben dem Investment Banking den Bereich Global Markets umfasst, ihren Vorsteuergewinn dank sprudelnder Provisions- und sonstiger Erträge von 3 Mill. auf 24 Mill. Euro hochgezogen, wie dem Bundesanzeiger zu entnehmen ist.
Zugleich schwoll die Bilanzsumme von knapp 600 Mill. auf mehr als 1,1 Mrd. Euro an. „Der Anstieg der Bilanzsumme ist hauptsächlich auf neue Handelsaktivitäten innerhalb der Global-Markets-Geschäfte mit EU-Kunden zurückzuführen“, heißt es im Geschäftsbericht. Wie im Markt zu hören ist, dürfte der Bilanzumfang auch in den kommenden Jahren steigen, wenn auch nicht mehr im Tempo vom vergangenen Jahr.
Im Investment Banking hat Nomura ihr Industrie- mit ihrem Energie- und Infrastruktur-Team zusammengeführt, nachdem sie zuvor Greentech übernommen hatte. Das erworbene Unternehmen konzentriert sich auf die Bereiche Energie, Transport, Nahrungsmittel, Wasser und Abfall. Den Feldern Healthcare, Medien und Technologie sowie dem Einzelhandel widmen sich bei Nomura weitere Teams.
Eine teamübergreifende Zusammenarbeit nennt McDermott als Schlüssel, um gute Arbeit zu liefern. Als besonders starke Konkurrenten nennt er Morgan Stanley und Goldman Sachs, da diese Banken diesen Ansatz ebenso verfolgten wie Greentech, im Gegensatz zu Instituten, in welchen verschiedene Teams separate Erfolgsrechnungen führten: „Aber wir haben tiefere Kenntnisse“, fügt er mit Blick auf die Nachhaltigkeitsexpertise hinzu. „Wir verstehen die Disruptoren, aber auch die etablierten Unternehmen etwa aus dem Automobil- und dem Energiesektor. Die Stärken der Etablierten wollen wir mit den Stärken der Disruptoren verheiraten“, erklärt er.
Nachhaltigkeit umkämpft
Deutschland habe sehr gute Unternehmen in der chemischen Verarbeitung. Auch mit Blick auf grüne Chemieprodukte erwarte er, dass deutsche Unternehmen eine führende Rolle spielen werden. In diesen Feldern führe Greentech derzeit die meisten Dialoge.
Generell prognostiziert McDermott eine steigende Zahl von Carve-outs: „Auf diese Weise können Industrieunternehmen in starke Wachstumsmärkte vordringen und sich die anderen Bewertungsparadigmen und niedrigeren Kapitalkosten dort zu Nutze machen“, erklärt er das Kalkül.
Trotz Spezialisierung und Expertise kann Greentech seinen Angaben zufolge in der Beratung keine Prämie durchsetzen. Der Nachhaltigkeitssektor ist zwar heiß, weil Anleger Geld in großem Stil umschichten. Der Konkurrenz ist dies freilich nicht verborgen geblieben.
Spacs stehen im Fokus
Mit Blick auf das laufende Jahr werde es auch interessant sein zu verfolgen, ob und in welchem Ausmaß Finanzinvestoren Portfolio-Unternehmen auf den Markt bringen werden, sagt Zeigherman. Im Fokus der Banker stehen nicht zuletzt Spacs (Special Purpose Acquisition Companies), also Mantelunternehmen, die über einen Börsengang Kapital für spätere Übernahmen einsammeln. Immer öfter finden grüne Technologieunternehmen auf diesem Weg an die Börse. Noch sind die Übernahmevehikel in Europa mit 500 Mill. Euro Emissionsvolumen im Jahr 2020 dünn gesät. Aber in den USA haben im vergangenen Jahr 250 Spacs rund 80 Mrd. Dollar eingesammelt – die Hälfte vom gesamten US-Volumen von Börsengängen.
Nomura hat eine der ersten Übernahmen eines US-amerikanischen Spac in Europa begleitet. Bei einer 1,4 Mrd. Dollar schweren Transaktion fusionierte der niederländische Elektroauto-Ladestationenanbieter EVBox Group aus dem Besitz des französischen Energiekonzerns Engie mit dem US-Spac TPG Pace Beneficial Finance. „Solche Transaktionen wird es in Zukunft noch öfter geben“, prophezeit McDermott. „Auch die Nachhaltigkeits- oder Technologie-Einheiten großer deutscher Konzerne könnten als Abspaltungen über Spacs an die US-Börse kommen. Das braucht Zeit, aber es kommt. Schließlich suchen rund 80 Mrd. Dollar Kapital aus Spacs nach Übernahmezielen.“