Nord/LB bleibt bei Krise in der Luftfahrt ruhig

Landesbank sieht Neuausrichtung bislang nicht in Gefahr - Niedersachsens Finanzminister: Keine Belastungen für Steuerzahler

Nord/LB bleibt bei Krise in der Luftfahrt ruhig

Die Nord/LB sieht ihren Kurs der Neuausrichtung durch die Folgen der Coronakrise bislang nicht in Gefahr. Die Landesbank, die in der Flugzeugfinanzierung stark engagiert ist, kann die Folgen der aktuellen Turbulenzen in der Luftfahrt für das eigene Kreditportfolio zumindest in Teilen über Garantien abfedern. Von Carsten Steevens, HamburgDie nach der langen Schifffahrtskrise und milliardenhohen Kreditwertberichtigungen Ende 2019 von den bisherigen Trägern und der Sparkassen-Finanzgruppe mit insgesamt 3,6 Mrd. Euro rekapitalisierte Nord/LB hält trotz deutlich erhöhter Unsicherheiten im wirtschaftlichen Umfeld infolge der Corona-Pandemie an ihren Zielen für eine Neuausrichtung und Verkleinerung bis 2024 fest. “Bislang hat sich am Fahrplan des Transformationsprogramms ,Nord/LB 2024` durch Corona nichts Wesentliches geändert”, sagte Vorstandschef Thomas Bürkle der Börsen-Zeitung.Dabei kann die Landesbank, die mit einem Portfolio von zuletzt rund 4,6 Mrd. Euro ein bedeutender Flugzeugfinanzierer ist, noch nicht erkennen, welche konkreten Folgen etwa die aktuellen Turbulenzen in der Luftfahrt nach sich ziehen werden. “Sowohl das Ausmaß der Krise als auch die Auswirkungen sind bislang noch schwer abzuschätzen”, so Bürkle. Die Covid-19-Pandemie hat die Luftfahrt seit Mitte März weitgehend zum Erliegen gebracht. Im Zuge von Reisebeschränkungen wurden weite Teile der Passagierflotten stillgelegt. Zuletzt kam es aber insbesondere im nationalen Flugverkehr sowie im innereuropäischen Urlaubsreiseverkehr zu einer Wiederaufnahme von Verbindungen. Zuversichtlich für LuftfahrtDurch die kurzfristige Stabilisierung von Fluggesellschaften infolge staatlicher Unterstützungen, durch sukzessive Corona-Lockerungen sowie die Rücknahme von Reisebeschränkungen werde der Branche wieder eine Zukunftsperspektive gegeben, meinte Bürkle. Nach Einschätzung des Branchenverbandes IATA sei die Talsohle der Luftfahrt bereits durchschritten. Gleichwohl werde die Lage von der Bank “eng beobachtet und gesteuert”, betonte der seit Anfang 2017 amtierende Nortd/LB-Chef. Der Erholungsprozess könne, wie Fluggesellschaften, Flughafenbetreiber und andere Marktteilnehmer schätzten, eventuell länger dauern als bei bisherigen Krisen, so etwa nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001. Der Landesbankchef fügte hinzu, die Branche gelte allerdings auch als krisenerprobt. Die Krisen der Vergangenheit hätten keine nachhaltigen Spuren hinterlassen. Die Erholung habe im Gegenteil immer beschleunigt und überproportional eingesetzt, obwohl dies während der Krise nur schwer vorstellbar gewesen sei. Garantien schirmen abInsofern, so Bürkle, bestünden aus heutiger Sicht auch diesmal gute Chancen, dass der Sektor die aktuelle Krise bewältigen werde. Gleichwohl schloss der Vorstandsvorsitzende für die Nord/LB Wertberichtigungen “in Einzelfällen” nicht aus. Inwieweit die Pandemie-Folgen den Umfang leistungsgestörter Kredite (NPL) im Flugzeugportfolio beeinflussen könnten, hänge vom weiteren Verlauf der Krise ab. Die NPL-Quote bei den Flugzeugfinanzierungen entspreche derzeit in etwa derjenigen des gesamten Finanzierungsportfolios der Landesbank von 1,7 %. Bürkle verwies darauf, dass für rund die Hälfte des Flugzeugfinanzierungsportfolios Garantien des Mehrheitsträgers Land Niedersachsen sowie im Zuge der “Northvest”-Verbriefungstransaktionen von institutionellen Investoren vorliegen würden. “Das Netto-Exposure der Nord/LB liegt also nur bei etwas über 2 Mrd. Euro.” Als Gegenleistung für die Gewährung der Landesgarantien muss die Bank Provisionen zahlen. Bürkle zufolge werden diese Provisionen die laufende Neuausrichtung der Nord/LB bis 2024 nicht gefährden. “Die Provisionen sind in der Planung der Bank berücksichtigt.” Im Zuge der Rekapitalisierung gewährte das inzwischen mit knapp 53 % an der Bank beteiligte Land Niedersachsen drei Garantien zur Abschirmung bestimmter Kreditportfolios aus den Segmenten Schiffs- und Flugzeugkunden, durch die die Bank vor Verlustrisiken geschützt wird. Per Ende Mai waren ca. 1,4 Mrd. Euro von rund 4,6 Mrd. Euro über die Landesgarantie “Aviation” abgeschirmt, wie Niedersachsens Finanzminister Reinhold Hilbers auf Anfrage mitteilte. Der CDU-Politiker, der an der Spitze des Nord/LB-Aufsichtsrats steht, unterstrich, dass die dafür von der Bank entrichteten marktüblichen Garantiegebühren durch die EU-Kommission geprüft und für angemessen befunden worden seien. Die Brüsseler Wettbewerbshüter hatten im Dezember 2019 die Kapitalstärkung der Landesbank für beihilfefrei erklärt und keine Auflagen verhängt.An der Stärkung der Kapitalbasis von insgesamt 3,6 Mrd. Euro hatte sich Niedersachsen als Haupteigentümer mit 1,5 Mrd. Euro für die Kapitalerhöhung sowie mit 800 Mill. Euro in Form von Garantien beteiligt. Eine Bareinlage von 800 Mill. Euro als Alternative zu den Garantien schied aus, da sie nicht als wettbewerbskonform darzustellen gewesen wäre, wie Hilbers im Dezember erklärte. Der Finanzminister betonte nun erneut, die an der Kapitalmaßnahme beteiligten Träger hätten wie wirtschaftlich handelnde Investoren agiert.Das Land rechnet für die Garantien mit einer Vergütung von insgesamt etwa 350 Mill. Euro, die zum Ausgleich möglicher Verluste genutzt werden könnte. Das Volumen der gewährten Garantien durch das Land zugunsten der Beteiligungsgesellschaft Niedersachsen Invest (NIG) und der Nord/LB bezifferte der Finanzminister mit etwas mehr als 6 Mrd. Euro und verwies darauf, dass die garantierten Portfolien “Tower Bridge” (Schifffahrt) und “Transportation” bereits deutlich abgebaut worden seien. Die NIG und die Hannoversche Beteiligungsgesellschaft (HanBG) hatten die wesentlichen Beiträge Niedersachsens zur Kapitalerhöhung erbracht, während das Land zur Sicherung eines Stimmrechts in der Trägerversammlung der Bank nur einen symbolischen eigenen Beitrag von 1 000 Euro leistete.Zur Frage, ob Steuerzahler infolge der Rekapitalisierungsmaßnahmen nun in Anbetracht der Risiken einer Rezession von unbekanntem Ausmaß belastet werden könnten, sagte der Finanzminister, zu Belastungen könne es dann kommen, wenn die Garantieleistungen des Landes über den vereinnahmten Garantieprovisionen liegen würden und bezüglich der Refinanzierungsgarantie für die NIG diese Gesellschaft nicht in der Lage wäre, die langfristig aufgenommenen Finanzierungsanleihen zurückzuzahlen. “Es gibt derzeit keine Veranlassung, davon auszugehen, dass solche Ereignisse eintreten”, betonte Hilbers. Die Landesregierung hatte erklärt, dass kein Steuergeld fließen werde. Kritiker vor allem aus der politischen Opposition, die monieren, das im Geschäftsplan gezeichnete Bild für die Nord/LB sei zu optimistisch, bezweifeln das. Dividenden ab 2023 erwartetDie Finanzierungskosten, die etwa die extra gegründete NIG zu tragen hat, sollen aus Dividenden der Bank gezahlt werden. Finanzminister Hilbers bekräftigte, landesseitig würden Dividendenzuflüsse von der Nord/LB aus dem Jahresergebnis 2022, also ab dem Jahr 2023 erwartet. Voraussetzung wäre indes eine ausreichende Profitabilität, mit der auch die im Zuge der Rekapitalisierung auf über 14 % gehievte Kernkapitalquote der Nord/LB gesichert würde. Für 2020 hat die Bank bislang keine Prognose abgegeben. Bis 2024 will die Nord/LB, die 2019 einen Verlust von 69 Mill. (i. V. 2,4 Mrd.) Euro verbuchte, auf ein Aufwand-Ertrags-Verhältnis von 46 % und – im Zuge von risikoärmerem Neugeschäft und einer damit verbundenen geringeren Risikovorsorge – auf eine Eigenkapitalrendite vor Restrukturierung und Steuern von 7 % kommen.Mit Blick auf die Unterkapitalisierung der HanBG, die durch die Abschreibung der früheren Landesbeteiligung an der Nord/LB auf den Nullwert entstand, erklärte Hilbers, die Beteiligungsgesellschaft verfüge über ausreichend Reinvermögen, sie sei “bei weitem wirtschaftlich nicht überschuldet”. Die Liquidität sei gesichert, Beteiligungserträge würden in den kommenden Jahren “sukzessive für eine Wiederherstellung geordneter bilanzieller Eigenkapitalverhältnisse sorgen”. Zu möglichen negativen Folgen der Coronakrise für die Werte der Landesbeteiligungen an VW, Salzgitter und der Messe Hannover fügte Hilbers hinzu, die stillen Reserven der HanBG aus der VW-Beteiligung seien derzeit “so auskömmlich, dass hier absehbar kein Loch zu stopfen ist”. Er betonte, die direkt vom Land gewährten Garantien für die Nord/LB hätten mit der Vermögenslage der HanBG nichts zu tun. Flugzeuggeschäft bleibt KernDie Landesbank befindet sich auf einem Schrumpfkurs, der bis 2024 den Abbau der Bilanzsumme auf rund 95 Mrd. Euro von zuletzt (31. März) noch gut 136 Mrd. Euro vorsieht. Dabei soll auch der Bereich Spezialfinanzierungen, zu dem das Flugzeuggeschäft gehört, verkleinert werden. Bankchef Bürkle unterstrich, Flugzeugfinanzierungen blieben “ein wichtiges und ertragsstarkes Kerngeschäft für die Nord/LB”.