Nützt ja nichts: ein Heidelberger in Hamburg
Von Bernd Wittkowski, HamburgHelmut Schleweis ist ‘n echter Hamburger Jung. Das mag überraschen bei einem, der die ersten 63 von bald 65 Lebensjahren in seiner Geburtsstadt Heidelberg verbracht hat, ehe er Anfang 2018 nach der recht plötzlichen Wahl zum Präsidenten des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes (DSGV) nach Berlin umzog. Aber es ist wahr: “Helmut, Du bist einer von uns”, ruft der Hamburger Entertainer und TV-Moderator Yared Dibaba Schleweis zu.Auf der Bühne im Schuppen 52, einer coolen Eventlocation am Hamburger Hafen, hatte der oberste Sparkässler der Nation in der zentralen Abendveranstaltung des 26. Deutschen Sparkassentages zuvor etwas fürs Leben gelernt und eine Prüfung mit Bravour bestanden. Ad 1: Mit fünf Wörtern kommt man problemlos über die Runden – “moin”, “jo” und “nützt ja nichts”. Das genügt dem Norddeutschen, um sich in jeder Lebenslage und über jedes Thema mit seinen Mitmenschen auszutauschen. Ad 2: Der Präsident kann Plattdeutsch. Und zwar schon so perfekt, dass er am Donnerstagvormittag zur Einleitung seiner Grundsatzrede gleich eine Kostprobe der neu erworbenen Sprachkenntnisse gibt und damit die 2 500 Teilnehmer des Sparkassentages erheitert. Für die folgende Rede braucht er dann aber doch ein paar Wörter mehr. Souverän und locker Der Mann aus Heidelberg ist angekommen in der großen weiten Welt und auf dem politischen Parkett. In der eigenen Organisation musste er zwar nicht erst groß ankommen. Bald 30 Jahre Mitglied und davon 16 Jahre Vorsitzender des Vorstands der mittelgroßen Sparkasse Heidelberg (heute rund 8 Mrd. Euro Bilanzsumme), acht Jahre Bundesobmann der Sparkassenvorstände, mehr als 17 Jahre Mitglied des Aufsichtsrats, des Arbeitsausschusses und der Gesellschafterversammlung des zentralen IT-Dienstleisters Finanz Informatik, um nur einige Mandate zu nennen: So einen kennt und schätzt man in der größten kreditwirtschaftlichen Gruppe Europas, und man weiß, was man an ihm hat.Aber es ist schon etwas anderes, vorwiegend hinter den Kulissen zu wirken und selten mal allenfalls vor überschaubarem Auditorium aufzutreten oder jetzt in einer Messehalle am Rednerpult zu stehen, die Bundeskanzlerin und den Bundesfinanzminister zu begrüßen und eine Rede vor 2 500 Teilnehmern und einer ganzen Batterie von Kameras zu halten.Das hatte man Schleweis in den ersten Wochen seiner Präsidentschaft schon mal angemerkt – was Wunder. Da gab es gelegentliche rhetorische Stolperer, die große Bühne schien nicht seine Welt zu sein. Doch der DSGV-Präsident ist rasch in sein Amt hineingewachsen, das durch das unplanmäßige Ausscheiden seines Vorgängers Georg Fahrenschon im Zuge einer persönlichen Steuerverfehlung völlig unerwartet “zu ihm gekommen” war. Heute wirkt sein Auftritt souverän, entspannt, locker, jederzeit authentisch, eigentlich schon routiniert, obwohl er gerade mal sechzehneinhalb Monate an der Spitze des Verbandes steht.Schleweis hält eine emotionale, eine leidenschaftliche Grundsatzrede. Nach dem plattdeutschen Einstieg als Muntermacher fängt er mit einem Ausflug in die Entstehungsgeschichte der Sparkassen an: Hamburg im heißen Sommer des Jahres 1778. Auch damals ist die Welt im Umbruch: Zwei Jahre zuvor hat die amerikanische Unabhängigkeitserklärung die Gleichheit aller Menschen betont, in Europa bahnt sich allmählich die Französische Revolution an, mit der Erfindung der Dampfmaschine wirft die industrielle Revolution ihre Schatten voraus. Schleweis stellt die Bezüge zur Gegenwart her, beschreibt die Rolle der Sparkassen im Wandel der Zeiten, zeigt nicht zuletzt die Konstanten auf: Menschen aller Bevölkerungsschichten bei einem wirtschaftlich selbstbestimmten Leben zu unterstützen. Diese Philosophie unterscheide die Öffentlich-Rechtlichen ganz grundlegend von Banken.Dann spannt der DSGV-Präsident einen weiten Bogen: von überbordender Regulierung und Niedrigzinspolitik über die Digitalisierung zu einer zeitgemäßen sozialen Marktwirtschaft, er hält die Privatisierung “riesiger Wohnungsbestände” für einen Fehler, warnt aber eindringlich davor, diesen heute durch Enteignungen korrigieren zu wollen, er legt einen besonderen Akzent auf das Thema Klimaschutz, um schließlich über die Sparkasse und den Verbund der Zukunft zu referieren – “die spannenden Passagen kommen noch”, wie Schleweis dem gerade eintreffenden Bundesfinanzminister Olaf Scholz avisiert. “Stolz, Sparkässler zu sein”Tatsächlich steht die allein von den Sparkassen getragene Zentralbank, das neue Spitzeninstitut, für das Schleweis seit dem vergangenen Oktober wirbt, keineswegs im Mittelpunkt seiner Rede. Doch als er darauf zu sprechen kommt und seine Idee erneut begründet, erntet er dreimal Zwischenbeifall. “Ich werte das jetzt mal als Zustimmung”, sagt er.Um die Zukunft zu gestalten, brauche es Begeisterung für die gemeinsame Idee, endet Schleweis auf seinem ersten Sparkassentag als DSGV-Präsident. Er selbst sei begeistert, und er sei “stolz, Sparkässler zu sein”. Wie die Reaktionen zeigen, kann es keinen Zweifel geben: Nicht minder begeistert sind die auf dem Hamburger Messegelände versammelten Sparkässler von ihrem Präsidenten.