Polen

Oberstes Gericht knöpft sich Frankenkredite vor

In Warschau dürfte bald eine Richtungsentscheidung im Streit um die Frankenkredite fallen. Für die österreichische RBI und die Commerzbank-Tochter MBank geht es um dreistellige Millionenbeträge.

Oberstes Gericht knöpft sich Frankenkredite vor

lee/Reuters Frankfurt

Die lang erwartete Entscheidung des Obersten Gerichtshofs in Warschau zum Umgang mit Fremdwährungskrediten verzögert sich um weitere 30 Tage. Schuld daran ist nicht etwa die Bombendrohung, wegen der am Dienstagmorgen das Gerichtsgebäude zunächst evakuiert wurde, wie das Gericht am Morgen über den Kurznachrichtendienst Twitter bekannt gab. Die höchste polnische Instanz in Zivil- und Strafsachen will in der Angelegenheit vielmehr zunächst Einschätzungen der Notenbank und der Finanzmarktaufsichtsbehörde einholen, wie ein Sprecher der Nachrichtenagentur Reuters sagte. Einen festen Termin für die richtungsweisende Entscheidung (​Az: III CZP 6/21) in dem seit vielen Jahren anhängigen Verbraucherskandal nannte er nicht.

Die beteiligten Banken, zu denen neben der polnischen MBank, an der die Commerzbank beteiligt ist, auch die österreichische Raiffeisen Bank International (RBI) zählt, hatten mit den sogenannten Franken-Krediten ein Finanzierungsmodell aufgesetzt, das es Häuslebauern in Polen, Ungarn, Kroatien und anderen osteuropäischen Staaten ermöglichen sollte, an den niedrigeren Zinssätzen in der Schweiz teilzuhaben. Durch die massive Aufwertung des Schweizer Franken gegenüber der jeweiligen Landeswährung entwickelte sich das Angebot während der Finanzkrise zur Kostenfalle für die Kreditnehmer. Um aus den teuren Verträgen herauszukommen, zogen Tausende Verbraucher vor Gericht.

Bloomberg zufolge sind allein in Polen 430 000 Haushalte betroffen, das Kreditvolumen wird auf mehr als 25 Mrd. Euro geschätzt. Die RBI rechnet nach Angaben von Bankchef Johann Strobl mit einem Schaden von bis zu 800 Mill. Euro. Das Institut hat seine polnische Tochter zwar 2019 verkauft, musste das strittige Kreditportfolio im Volumen von rund 2 Mrd. Euro der Polbank jedoch auf den Büchern behalten. Auch die Commerzbank hatte einen Verkauf ihrer polnischen Tochter erwogen, den Prozess dann aber wieder gestoppt. 2020 erhöhte sie die Rückstellungen für die Rechtsrisiken der MBank im Zusammenhang mit den Fremdwährungskrediten laut Ge­schäftsbericht um 150 Mill. Euro. 2019 hatte sie dafür bereits 79 Mill. Euro beiseite gelegt.

Der Streit um die Wechselkursrisiken landete im Rahmen einer Anfrage eines polnischen Gerichts vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH). Dieser stellte im April 2019 fest, dass es problematisch sei, dass in den Verträgen für die Auszahlung der Franken-Kredite in polnischen Zloty auf den Ankaufskurs und für die Rückzahlungen auf den Verkaufskurs zurückgegriffen wurde. Streiche man aber diese Klauseln, sei der Vertrag nicht mehr vollziehbar. Laut Vorabentscheidung hält es das EU-Gericht demnach für zulässig, dass polnische Gerichte die Darlehensverträge aufgrund der nicht zulässigen Klauseln für nichtig erklären.

Die Entscheidung des Obersten Gerichts könnte nun den Weg weisen, wie die Gerichte die anhängigen Verfahren behandeln. Denkbar wäre auch ein branchenweiter Plan für außergerichtliche Einigungen, mit dem die Banken das unschöne Kapitel endlich abschließen könnten.