OECD und G20 leiten neue Ära im internationalen Steuerrecht ein

OECD-Plan gegen Steuervermeidung - G20 billigt präsentierte Vorschläge

OECD und G20 leiten neue Ära im internationalen Steuerrecht ein

Von Birgit FaßbenderPartnerin Beiten Burkhardt Rechtsanwaltsgesellschaft mbH undHelmut KönigPartner Beiten Burkhardt Rechtsanwaltsgesellschaft mbHDie Regierungschefs der G20 haben am 16. November 2015 in Antalya die Arbeitsergebnisse des “Base Erosion and Profit Shifting”-(“BEPS”)-Projektes der OECD gebilligt. Diesem Beschluss war ein mehrjähriger politischer Entscheidungsprozess vorausgegangen.Nach der Finanzkrise und der anschließenden Staatsschuldenkrise stiegen die Staatsschulden in vielen Industrie- und Schwellenländern. Daneben erhöhte sich der politische Handlungsdruck durch Veröffentlichungen, wonach multinationale Konzerne durch internationale, aggressive Steuergestaltungen auf Gewinne in mehrfacher Milliardenhöhe nur minimale Steuern zahlen mussten. Insgesamt schätzte die OECD die Mindereinnahmen durch multinationale Steuergestaltungen auf 4 % bis 10 % des globalen Unternehmenssteueraufkommens, wobei belastbare Zahlen fehlen. Auch nur ein Teil des von der OECD geschätzten Gesamtbetrages in Höhe von 100 bis 240 Mrd. US-Dollar jährlich wäre für jeden Finanzminister interessant, da insoweit – zumindest auf den ersten Blick – der eigene Spardruck sinkt.Indessen tolerieren viele Staaten Steuergestaltungen, indem sie nicht oder nur zögerlich gegen bekannte Steuerplanungstechniken vorgehen. Sie verschaffen den heimischen Unternehmen einen Wettbewerbsvorteil oder betreiben Ansiedlungspolitik in einer sich globalisierenden Wirtschaft. Unternehmen reagieren auf die von der Politik gesetzten Anreize, häufig sind die Geschäftsleitungen im Rahmen ihrer Tax Compliance sogar zur Steuerplanung verpflichtet.Vor diesem Hintergrund beauftragte die G20-Runde die OECD, Maßnahmen gegen Gewinnkürzungen und Gewinnverlagerungen zu entwickeln und somit die vor mehr als einem Jahrhundert entwickelten Grundprinzipien des internationalen Steuerrechts an eine digitalisierte sowie globalisierte Wirtschaft anzupassen. Im Rahmen des BEPS-Projektes entwickelte die OECD fünfzehn Aktionspläne. Die Maßnahmen der Aktionspläne zielen dabei insbesondere auf Steuergestaltungen ab, die zu einer doppelten Nichtbesteuerung oder geringeren Einmalbesteuerung führen.Die Ergebnisse des Projektes hat die OECD am 5. Oktober 2015 veröffentlicht. Dieser Publikation waren eine zweijährige Arbeit mit 23 publizierten Diskussionsentwürfen, mehr als 12 000 Seiten Stellungnahmen und elf öffentliche Anhörungen vorausgegangen. Einige Punkte sind noch offen, und weitere Staaten sollen hinzugewonnen werden, sodass das Mandat der OECD bereits im September 2015 bis 2020 verlängert wurde. Die meisten Maßnahmenpakete sind den Bereichen Kohärenz der Steuersysteme, Besteuerung nach der wirtschaftlichen Substanz und Transparenz der Besteuerung zuzuordnen. Daneben beschäftigt sich je ein Aktionsplan mit Sonderfragen der digitalen Wirtschaft und mit einem multilateralen Instrument zur Umsetzung bestimmter BEPS-Ergebnisse. Das Grundprinzip: Gewinne sollen in dem Staat besteuert werden, in dem die Wertschöpfung stattfindet. In Sachen Kohärenz und Substanz hat die OECD bestehende Prinzipien überarbeitet und für bestimmte Maßnahmen auf internationaler Ebene erstmals Grundsätze für das internationale Steuerrecht definiert.Die Maßnahmen im dritten Teilbereich sollen die Transparenz zwischen den Steuerverwaltungen verbessern. Für die Analyse konzerninterner Verrechnungspreise möchte die OECD die Transparenz durch einen dreistufigen standardisierten Ansatz für die Verrechnungspreisdokumentation (Master File, Local File und Country-by-Country Reports) erhöhen. So sollen große multinationale Unternehmen im Rahmen des Country-by-Country Reporting beispielsweise die Höhe ihrer Gewinne sowie bisher gezahlte und noch zu zahlende Ertragsteuern vorlegen.Das deutsche Steuerrecht beinhaltet teilweise seit Jahrzehnten Regelungen zur Vermeidung von Gewinnkürzungen und Gewinnverlagerungen in das Ausland. So beinhaltet das Außensteuergesetz bereits seit 1972 mit der Hinzurechnungsbesteuerung eine Vorschrift, die Gestaltungen mit von deutschen Gesellschaftern kontrollierten Gesellschaften in Niedrigsteuerländern vermeiden soll. Teilweise hat der Gesetzgeber solche Vorschriften erst in den letzten Jahren eingeführt oder geändert.Insgesamt befindet sich Deutschland damit unter den Vorreitern bei der Bekämpfung grenzüberschreitender Steuergestaltungen. Diese Vorreiterrolle führt derzeit regelmäßig dazu, dass mangels internationaler Abstimmung bei grenzüberschreitenden Sachverhalten nicht die Minderbesteuerung, sondern die drohende Doppelbesteuerung im Fokus steht. Insoweit können die international einheitliche Anwendung von Besteuerungsstandards und eine mit den BEPS-Plänen konsistente Anpassung und Erweiterung des deutschen Steuerrechtes als Chance gesehen werden. In Zeiten knapper Kassen ist allerdings die Versuchung groß, die notwendigen Anpassungen zur Ausweitung der Besteuerung in Deutschland zu nutzen.Im Ergebnis erhöhen sich die steuerlichen Risiken der verantwortlichen Personen im Rahmen des Tax Compliance, da sie bestehende internationale Strukturen und Leistungsbeziehungen im Hinblick auf die Auswirkungen der jeweiligen BEPS-Maßnahmen proaktiv analysieren und gegebenenfalls anpassen müssen. Die Substanz von Strukturen und Leistungsbeziehungen rückt weiter in den Vordergrund. Zukünftig – und dies war ein Ziel des BEPS-Projektes – wird es für Unternehmen weniger darum gehen, Nichtbesteuerungen zu gestalten, als vielmehr Doppelbesteuerungen zu vermeiden.