Ohne Banken gibt es keine Exportweltmeister

Aktuell anspruchsvollen Weg leichter machen - Allmählicher Ausstieg aus der Niedrigzinspolitik und mit Augenmaß gestaltetes regulatorisches Umfeld notwendig

Ohne Banken gibt es keine Exportweltmeister

Vorwärtsstürmende Fintechs, disruptive Digitalisierungswellen und veränderte Kundenbedürfnisse schaffen eine völlig neue Welt für Finanzdienstleister. Auf den Punkt gebracht stellt sich die Frage: “Brauchen wir für das Banking eigentlich noch Banken?” Ein Blick auf die realen Verhältnisse in Deutschland und in Bayern macht die Antwort leicht.Ohne Banken hätten es Bayerns Weltmarktführer schwer. Denn 90 % der Exporteure sichern mit ihrer Hilfe ihre Geschäfte ab. Ohne Banken können zwar Luftschlösser gebaut, aber keine neuen Wohnungen finanziert werden. Ohne Banken gäbe es kein Investivkapital für Solaranlagen auf Bayerns Dächern. Und ohne Banken könnten wir nicht online shoppen. Denn dazu braucht es eine sichere technische Infrastruktur für den Zahlungsverkehr, wie sie nur Banken flächendeckend zur Verfügung stellen. Ohne Banken auch kein Risikotransfer und damit keine Investitionen in wichtige Projekte. Kurz gesagt: Ohne Banken entsteht nichts Neues und Bewährtes wird nicht weiterentwickelt. Partner der RealwirtschaftDie Beispiele führen deutlich vor Augen: Leistungsfähige, breit aufgestellte und stark vernetzte Banken sind ein entscheidender Baustein für eine prosperierende Wirtschaft. Ohne sie können Wohlstand und eine erfolgreiche Zukunft nicht gestaltet werden.Bisher hat das deutsche Bankensystem seine Aufgabe als Partner der Realwirtschaft gut erfüllt. Nicht zuletzt dank seines Drei-Säulen-Systems, des Nebeneinanders von großen und kleinen Banken und der hohen Verfügbarkeit von Banken mit speziellen Geschäftsschwerpunkten. Dies alles garantiert, dass jeder Marktteilnehmer den optimalen Finanzpartner für die Begleitung seiner Projekte findet.Seit der Finanz- und Wirtschaftskrise hat sich die Dynamik von Banken und die Sichtweise auf sie verändert. Zum Teil aufgrund von hausgemachten Themen, zum Teil durch marktinduzierte Veränderungen ist leider ein wenig Sand in die gut geölte Maschine des deutschen Bankwesens geraten. Die Wettbewerbsfähigkeit und die Rentabilität haben im internationalen Vergleich zweifellos nachgelassen. Die Gründe hierfür sind vielfältig.Die Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) hat klar zu erkennende Folgen. Einerseits können sich Kreditnehmer – private Haushalte ebenso wie Unternehmen und der Staat – als eindeutige Gewinner fühlen. Auf der anderen Seite stehen neben den Sparern die Banken. Bei ihnen erodiert die Ertragsseite der Bilanz.Ein weiterer Grund für die spezifischen Herausforderungen der deutschen Banken ist die verschärfte Regulierung. Seit Ausbruch der Finanzkrise wurden rund 400 umfangreiche Regelwerke erlassen. Jede Bank hat heute etwa 40 000 rechtlich bindende EU-Vorgaben einzuhalten.Vieles ist keineswegs zu beanstanden. Die Banken sind ohne Zweifel auch aufgrund der regulatorischen Aktivitäten deutlich stabiler geworden. So hat sich die durchschnittliche Kernkapitalquote von 2008 bis 2017 von 9,5 auf über 16 % erhöht. Mittlerweile haben die Banken ihre Geschäftsmodelle gut an die regulatorischen Bedingungen angepasst.Diese Erfolge haben jedoch ihren Preis: Die Banken sind mit erheblichen zusätzlichen Kosten belastet. Rund 80 % der IT-Budgets der Banken sind nach wie vor durch die Umsetzung regulatorischer Anforderungen belegt. Speziell kleine und mittlere Banken stellt dies vor Probleme, notwendige Investitionen in die Digitalisierung ihrer Geschäftsmodelle zu bewerkstelligen.Dennoch gilt: Die Regulierung hat viel Gutes erreicht und unser Bankensystem sicherer gemacht. Jetzt kommt es darauf an, dass die einzelnen regulatorischen Maßnahmen konsistent aufeinander abgestimmt sind und stark voneinander abweichende nationale Interpretationen bei der Umsetzung europäischer Vorgaben vermieden werden. Gerade für Banken mit einem umfassenden europäischen Geschäftsmodell ist dies von großer Bedeutung.Die europäische und die deutsche Politik muss eine klare Vorstellung davon haben, welche Form von Banken sie haben möchte. Entsprechend muss die Regulierung gestaltet und regelmäßig daraufhin überprüft werden.Deutschland verfügt bekanntermaßen über eine stark mittelständisch geprägte und auf die Weltmärkte ausgerichtete Wirtschaft. Dementsprechend braucht unser Land auch weiterhin einen Mix aus leistungsfähigen kleinen und mittleren, mehr lokal orientierten Banken und starken großen Banken, die ihre Kunden auch im internationalen Geschäft begleiten können. Und eine Regulierung, die diesen Mix auch gewährleistet.Darüber hinaus – zweites Beispiel – brauchen wir hierzulande eine Stärkung der Wertpapier- und Aktienkultur, um eine leistungsstarke private Altersvorsorge aufzubauen. Und eine Regulierung, die dies fördert und nicht durch einen teilweise überzogenen Verbraucherschutz eher behindert.Eine Sonderrolle im Kanon der Herausforderungen für die Banken nimmt die Digitalisierung ein. Sie ist zweifellos eine Herausforderung, ihre disruptive Kraft ist kaum zu unterschätzen. Sie bringt neue Wettbewerber und hohe Investitionserfordernisse mit sich. Chance DigitalisierungSie ist gleichzeitig – und dieser Aspekt steht für die privaten Banken insgesamt unzweifelhaft im Vordergrund – eine enorme Chance. Mit der Digitalisierung lassen sich die Kundenerlebnisse deutlich verbessern: Die Zugangswege zu Produkten und Dienstleistungen werden vielfältiger, bequemer, schneller und passen sich der neuen Lebenswirklichkeit der Kunden an. Eine noch stärkere Personalisierung und Individualisierung der Bankangebote wird möglich. Und die Digitalisierung kann den Banken Freiräume für eine noch intensivere Fokussierung auf ihre Kunden erschließen, das Geschäftsmodell und die ihm zugrundeliegenden Prozesse deutlich vereinfachen und somit für spürbare Kostenentlastungen sorgen.Entsprechend groß ist das Engagement der Banken bei der Digitalisierung von Produkten und Dienstleistungen. Mit Innovationen wie Echtzeitüberweisungen, dem Einsatz der Blockchain-Technologie im Geschäftsbereich Trade Finance oder der Einführung von digitalen Bezahlmöglichkeiten wie Apple Pay haben die großen privaten Banken eine Vorreiterrolle übernommen.Das deutsche Bankensystem tut viel dafür, die Zukunft der Branche zu gestalten und mit Hilfe der Digitalisierung den Kundennutzen weiter zu steigern. Dazu muss die digitale Innovationskultur in den Banken weiter gestärkt und ausgebaut werden. Dies ist die entscheidende Aufgabe für jedes Unternehmen der Finanzbranche. Eine gelungene, umfassende Digitalisierung ist die wichtigste Voraussetzung, um den Zukunftserfolg zu sichern. Denn auch weiterhin wird richtig sein, dass in unserer modernen Volkswirtschaft ohne Banken vieles nicht funktionieren wird.Deshalb wäre es zu begrüßen, wenn der aktuell anspruchsvolle Weg der deutschen Banken in die Zukunft etwas leichter gemacht werden würde. Und um ihn leichter zu machen, bedarf es in erster Linie des allmählichen Ausstiegs aus der Niedrigzinspolitik sowie eines regulatorischen Umfelds, das mit Augenmaß gestaltet wird. Dies gilt ganz besonders auch im Hinblick auf die globale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen und europäischen Banken. Hier benötigen wir ein Level Playing Field mit unseren internationalen Wettbewerbern.—-Michael Diederich, Präsident des Bayerischen Bankenverbandes