Ohne Stempel zur japanischen Bank

Von Martin Fritz, Tokio Börsen-Zeitung, 12.3.2019 Im Ausland gilt Japan als Hightech-Land mit rasantem Internet und schnellem Zugang zu Kryptowährungen. Das ist nicht falsch, hat aber mit der Wirklichkeit der japanischen Banken nichts zu tun. Dort...

Ohne Stempel zur japanischen Bank

Von Martin Fritz, TokioIm Ausland gilt Japan als Hightech-Land mit rasantem Internet und schnellem Zugang zu Kryptowährungen. Das ist nicht falsch, hat aber mit der Wirklichkeit der japanischen Banken nichts zu tun. Dort kann man als regulärer Kunde Stunden an Wartezeit verbringen. An den Schaltern sitzen junge Frauen in Einheitskleidung und Pantoffeln an den Füßen, die sich von ihren Kunden jedes Formular handschriftlich ausfüllen lassen. Wer sich verschreibt, muss von vorne anfangen. Dann geben sie die Daten in ihren Computer ein.Für alle Anträge und sowohl für Ein- als auch Auszahlungen wird verlangt, dass die Papiere mit einem persönlichen Namensstempel signiert werden. Dabei handelt es sich um kleine, meist runde Stempel aus Holz oder Rindshorn mit geschnitzten Schriftzeichen für den Familiennamen, die in einem Kissen mit roter Farbe benetzt und anschließend an zahllosen Stellen auf die Papiere gedrückt werden. Bei der Eröffnung eines Kontos wird dies auch von Ausländern verlangt. Dafür musste sich der Autor dieser Zeilen extra ein Hanko – so heißen die Stempel auf Japanisch – mit seinem Namen in der Umlautschrift für ausländische Wörter anfertigen lassen.Solche Stempel wurden zuerst von Fürsten und Shogunen vor bald 1 000 Jahren benutzt und verbreiteten sich als Ersatz für eine Unterschrift während der Edo-Zeit zwischen dem 17. und 19. Jahrhundert. Heutzutage gibt es drei verschiedene Sorten – für wichtige Verträge wie Hauskauf und Heirat, für den Bankgebrauch und für das Abzeichnen von Lieferbelegen an der Haustür. Digitalisierung als ErsatzDoch nun halten Japans Finanzinstitute den Namensstempel nicht mehr für zeitgemäß. Ihr Motiv ist leicht zu durchschauen: Wegen der alternden Bevölkerung erweist sich ihr Filialnetz als zu dicht und damit zu teuer. Zugleich ist ihre Bürokratie noch nicht im 21. Jahrhundert angekommen. Der Papierkrieg zwingt die Kunden dazu, samt Hanko die Filialen persönlich aufzusuchen.Die Antwort lautet Digitalisierung. Branchenführer Mitsubishi UFJ Financial Group ersetzt jetzt in jeder fünften der mehr als 500 Geschäftsstellen die traditionellen Schalter mit Videokonferenzen und Tablet-Steuerung. Zugleich wird die Zahl der Filialen mit klassischen Schaltern für die Ein- und Auszahlung halbiert.Die Nummer vier, Resona Holdings, an der die Regierung seit der Bankenkrise vor 15 Jahren noch beteiligt ist, erlaubt ihren Kunden nun in allen 600 Filialen, Konten ohne Namensstempel zu eröffnen. Aber der Wandel ist schwierig: Mehr als ein Fünftel der Japaner ist über 70 Jahre alt – und mag Stempel nicht missen.—–Mit dem Namensstempel aus Holz stirbt ein Stück Tradition im Retailbanking.—–