ING-DIBA

Ohne Zaubertrank

Die ING-DiBa schreibt ihre Erfolgsgeschichte fort. Passend zum 50-jährigen Bestehen, das 2015 gefeiert wird, blickt die Tochter der rekonvaleszenten niederländischen ING auf ein Rekordjahr zurück. Zur Erinnerung: Erst 2002 wurde die Schwelle von 1...

Ohne Zaubertrank

Die ING-DiBa schreibt ihre Erfolgsgeschichte fort. Passend zum 50-jährigen Bestehen, das 2015 gefeiert wird, blickt die Tochter der rekonvaleszenten niederländischen ING auf ein Rekordjahr zurück. Zur Erinnerung: Erst 2002 wurde die Schwelle von 1 Million Kunden überschritten. Heute sind es 8,3 Millionen. Zugleich hat die Bank ihr bisher höchstes Vorsteuerergebnis eingefahren, erfreut die Muttergesellschaft mit einer ansehnlichen Dividende und hat 170 weitere Arbeitsplätze geschaffen – mehr als 3 500 Leute werden inzwischen beschäftigt, fast viermal so viele wie vor zwölf Jahren. Und Steuern zahlt die Bank auch ordentlich. Ein mehrfaches Chapeau!Ist die ING-DiBa, die jetzt im Wertpapiergeschäft eine neue Attacke auf die Konkurrenz startet, also eine Insel der Seligen im tosenden Bankenmeer? Ein verbraucherfreundlicher, zuweilen als Innovationsführer auffallender und auch als Arbeitgeber mit Auszeichnungen überhäufter Finanzdienstleister, der es all seinen Stakeholdern recht macht, einschließlich der Gesellschaft, in der die Bank als guter Unternehmensbürger “Fairantwortung” übernimmt?Bei aller verdienten Anerkennung sollte man sich davor hüten, die ING-DiBa zu glorifizieren. Auch die einstige Gewerkschaftsbank ist nicht die Caritas. Sie will und muss den Renditevorstellungen ihres Eigentümers gerecht werden. Doch auch die ING-DiBa kann jeden Euro nur einmal ausgeben, und die Verteilung geht heute anders als in früheren Jahren, in denen der deutsche Markt erst aufgerollt werden musste, tendenziell eher zulasten der Kunden. Das führt zu der relativ neuen Erfahrung, dass der Herausforderer von einst, dessen Konditionen im derzeitigen Zinsumfeld nicht mehr ganz so attraktiv erscheinen, plötzlich selbst Angriffsfläche bietet: Heute hüpfen die Zinshopper auch mal von der ING-DiBa weg zu anderen Anbietern. Die Abwandererquote mag immer noch gering sein, aber einen Nettozuwachs von 200 000 Kunden wie im vorigen Jahr hat Deutschlands drittgrößte Privatkundenbank in noch besseren Zeiten gerne schon mal pro Quartal verbucht. Gibt es doch Grenzen des Wachstums?Also: Die ING-DiBa ist eine tolle Bank, die den vormals etwas verschlafenen deutschen Markt ganz schön aufgemischt hat. Aber im Unterschied zu Obelix sind die Holländer nicht in einen Kessel mit Zaubertrank gefallen, der ihnen übermenschliche Kräfte verleiht und sie unbesiegbar macht. Es gibt im Retail Banking mehr als nur ein Erfolgsrezept. Die Targobank zum Beispiel berichtete gerade über den Ausbau ihres Filialnetzes. Auch dieses Modell funktioniert.