Ohne Zins
Bankgeschäft ohne Zins? Dieses Prinzip, das für islamische Häuser selbstverständlich ist, klingt in Zeiten wegbrechender Erträge verlockend. Doch auch eine Nichtzinsbank spürt den Niedrigzins, wie die KT Bank zeigt.Von Jan Schrader, FrankfurtZinsen sind bekanntlich ein nützliches Instrument. Sie sind der Preis für einen zeitlich vorgezogenen Konsum, finanziert per Kredit, oder der Lohn dafür, den Verbrauch in die Zukunft zu verschieben, ermöglicht durch Sparprodukte. Wie aber vergleichbares Geschäft ganz ohne Zins aussehen kann, erprobt in Deutschland derzeit die KT Bank, mit 70 Mitarbeitern, einer Bilanzsumme von rund 80 Mill. Euro und einigen tausend Kunden ein denkbar kleines Institut, aber ein viel beachtetes. In den Medien ist die Tochter der türkischen Kuveyt Türk Beteiligungsbank, die überwiegend zum Finanzkonzern Kuwait Finance House gehört, als erste islamische Bank Deutschlands bekannt.Im Mai hatte BaFin-Präsident Felix Hufeld vorgeschlagen, die Kreditwirtschaft könne von anderen Kulturen lernen, die praktisch ohne Zins auskommen, und nannte als Beispiel auch das islamische Bankgeschäft. Konkrete Vorschläge machte er dabei jedoch ausdrücklich nicht. Nun sagt Bankchef Kemal Ozan, dass ein Einstieg konventioneller Institute in das Geschäft denkbar sei. “Die anderen Banken werden von dem Know-how profitieren”, so der Vorstandsvorsitzende. Der Weg dorthin sei aber weit, bislang leiste die KT Bank Pionierarbeit. “So können wir uns einen großen Marktanteil sichern.”Dabei ist noch nicht absehbar, wie die Muslime in Deutschland das Geschäft annehmen werden. “O die Ihr glaubt, verschlingt nicht den Zins um ein Vielfaches vermehrt, sondern fürchtet Allah, auf dass es euch wohl ergehen möge!”, heißt es etwa in einer Übersetzung des Korans, dritte Sure, Vers 130. Trotzdem haben sich die meisten Muslime mit Zinsen arrangiert. Das könnte sich nach und nach ändern, wenn sich islamkonforme Angebote etabliert haben, wie Ozan hofft. Die Ziele der Bank wirken bislang bescheiden: Auf 20 000 Geschäfts- und Privatkunden bis Ende 2017 hofft Ozan, dabei leben in Deutschland einige Millionen Muslime. Auch über die Religion hinaus will die Bank für Kunden offen sein. Komplizierter VerzichtDort, wo sonst Zinsen fließen, müssen andere Strukturen her. Im Aktivgeschäft strukturiert eine islamische Bank eine Finanzierung entweder als Handel oder als Beteiligung. Alle Zahlungsströme seien zwingend mit Realgütern zu unterlegen, betont die Bank. Zuweilen stößt sie an Grenzen, wie die Immobilienfinanzierung zeigt: Statt Zins und Tilgung zahlt der Kunde eine Rate und kauft der Bank die Anteile an der Immobilie auf diese Weise ab. Damit aber nicht zweimal Grunderwerbssteuer fällig wird – einmal beim Kauf durch die Bank, einmal beim Weiterverkauf an den Kunden – gründet das Institut mit dem Kunden eine gemeinsame Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Die Bank finanziert so bislang nur bestehende Immobilien, den Bau eines Hauses kann sie noch nicht mittragen.Auch bei den Einlagen geht die Bank andere Wege: Neben einem unverzinsten Girokonto bietet sie ein Beteiligungskonto an. Die Gelder fließen in einen Pool, aus dem heraus Geschäftsmittel von Firmen finanziert werden, also Betriebs- und Produktionsmittel wie einen Fuhrpark, Maschinen oder Rohstoffe. Zudem finanziert die Bank Geschäftsimmobilien wie Betriebsgebäude. Um Risiken abzufedern, fließt ein Teil der erwirtschafteten Mittel einer Gewinnstabilisierungsreserve zu. Die Renditen für die Kunden fielen bei drei- bis zwölfmonatiger Laufzeit in der Vergangenheit mit Werten oberhalb von 0,5 % aber auch nicht wesentlich höher aus als bei klassischen Einlagen. Im nächsten Schritt will das Institut nun die Beratung in der Geldanlage ausbauen.Und auch bei der Refinanzierung muss sich die Bank schließlich einschränken. Die Europäische Zentralbank fällt als Geldquelle aus, weil die Leitsätze der Notenbank Zinsinstrumente darstellen, wie der Bankchef sagt. Auch am Kapitalmarkt refinanziert sich das Institut nicht. Mehr als andere Häuser ist die KT Bank somit auf Einlagen angewiesen.Vereinzelt griffen etablierte Banken bereits auf islamkonforme Finanzinstrumente zurück, als rein islamisches Geldhaus für Privatleute und Gewerbetreibende sei die Bank jedoch in der Eurozone allein, sagt Ozan. In Großbritannien gebe es aber bereits die Al Rayan Bank. Mit zehn ausgewiesenen Standorten hat das Institut dort schon eine beachtliche Größe erreicht. Die KT Bank wiederum unterhält bisher vier Filialen, und zwar in Frankfurt auf der Schillerstraße nahe der Börse, in Köln im Komplex der neuen Moschee in Ehrenfeld, in Mannheim und in Berlin. Weitere Niederlassungen sollen in München und Hamburg folgen. Im März 2015 erhielt das Institut eine Banklizenz, im Juli 2015 nahm es das Geschäft auf. Binnen drei Jahren seit Gründung will die Bank profitabel sein, so Ozan.Wie leicht wäre der Einstieg für herkömmliche Kreditinstitute? Ozan jedenfalls betont, wie wichtig es sei, als Anbieter vollständig islamisch zu sein. “Man muss das auch leben.” Die Bank gehöre zu der Kategorie der ethisch orientierten Institute. Neben dem Zinsverbot (Riba) existiert auch ein Bann für Spekulationen (Gharar) und Glücksspiel (Maysir). Geschäfte mit Waffen, Pornografie, Alkohol, Tabak und Schweinefleisch etwa sind ebenfalls tabu. Über die Geschäfte des Instituts wacht ein Ethikrat. Vieles, was Ozan für sein Institut in Anspruch nimmt, könnte so ähnlich aber auch ein Leiter einer gewöhnlichen Bank gesagt haben: Kundennähe schreibe er groß, Kostentransparenz sei essenziell. Das islamische Bankgeschäft sei nah dran an der Realwirtschaft und grundsolide. Kein AuswegUnd das Niedrigzinsumfeld? Das bekomme auch eine Nichtzinsbank zu spüren, wenn auch weniger stark als konventionelle Institute. Das islamische Bankwesen stelle einen Kreislauf dar, der vom konventionellen Geschäft prinzipiell unabhängig sei. “Wir sind jedoch als erste islamische Bank in der Eurozone auch ein Marktteilnehmer und stehen im Wettbewerb um Kunden mit konventionellen Banken”, argumentiert Ozan. “Von daher sind wir nicht komplett unabhängig von dem aktuellen Zinsumfeld.” Mit oder ohne Zins: Das Bankgeschäft bleibt hart.—– Personen Seite 16—-Zuletzt erschienen:- US-Banken setzen auf Kreditkarten-Nachfrage (30. August)- Japans Banken sind Kummer gewöhnt (27. August)- Spaniens Banken machen im Ausland Kasse (25. August)