Olearius versteht die Welt nicht mehr
Olearius versteht die Welt nicht mehr
Im Cum-ex-Prozess pocht der Ex-Warburg-Lenker auf seine Unschuld
ak Bonn
Christian Olearius hat im Cum-ex-Prozess vor dem Landgericht Bonn in einer persönlichen Erklärung seine Unschuld beteuert. Der Miteigentümer und Ex-Chef des Bankhauses M.M. Warburg sagte am Montag gleich zu Beginn seines halbstündigen Vortrags: „Ich habe weder wissentlich noch willentlich an strafbaren Cum-ex-Geschäften mitgewirkt. Eine Schädigung des Staates lag mir fern.“ Der 81-Jährige sprach über weite Strecken mit Verve und Empörung in der Stimme. „Ich kann es noch nicht fassen, dass ich heute vor Ihnen als Angeklagter stehe“, betonte der frühere Bankier.
Seit September muss sich Olearius in dem Bonner Verfahren verantworten. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm schwere Steuerhinterziehung vor. Den Schaden für den Fiskus durch Eigenhandels- und Fondsgeschäfte in den Jahren 2007 bis 2011, bei denen nur einmal gezahlte Kapitalertragsteuer doppelt zurückgefordert worden war, beziffern die Ermittler auf knapp 280 Mill. Euro. Wegen der Cum-ex-Geschäfte der Warburg-Bank sind bereits zwei britische Aktienhändler sowie mehrere Ex-Warburg-Manager unterhalb der Vorstandsebene verurteilt worden.
„Vielleicht blauäugig“
Olearius jedoch sieht sich von vielen Akteuren an den Pranger gestellt: „In den letzten zehn Jahren haben alle Ebenen – Medien, Behörden, die BaFin sowie die Justiz – mir nachgesagt, ich sei ein Steuerräuber.“ Er selbst sei „vielleicht blauäugig“ gewesen. „Ich betone ausdrücklich, dass ich keinesfalls als strafbar qualifizierte Cum-ex-Geschäfte verteidige. Es sind schlimme Aktivitäten ausgeheckt worden, und ich bedauere es sehr, dass wir zu diesen in anrüchige Nähe gekommen sind.“
Zu seinem bereits verurteilten ehemaligen Geschäftspartner Hanno Berger führte er aus, die Treffen seien eher kurz gewesen. Berger habe „großzügig und beeindruckend auf einem Papierbogen seine zahlreichen Einfälle“ aufgezeichnet, „die ich nur begrenzt verstand“. Die Handelsgeschäfte seiner Bank seien ihm ohnehin innerlich fremd geblieben, so Olearius. Er betonte, sich auf die Fachkunde seiner Mitarbeiter verlassen zu haben. Er sei immer von legalem Dividendenstripping ausgegangen.
„Mangelhaft und tendenziös“
Immer wieder versuchten Olearius und seine Anwälte, den Blick auf die Deutsche Bank, die bei den Cum-ex-Geschäften als Depotbank agierte, und den ebenfalls involvierten Broker Icap zu lenken. Gegen die Deutsche Bank ist Warburg in den vergangenen Jahren bereits umfangreich zivilrechtlich vorgegangen, hat jedoch in mehreren Instanzen verloren. Zuletzt hatte der Bundesgerichtshof im Juli dieses Jahres eine Beschwerde der Hamburger Privatbank abgewiesen.
Auch gegen die Staatsanwaltschaft teilte der Ex-Bankier am Montag aus: „Die Ermittlungen sind nicht nur über die Jahre ohne rechtliches Gehör geführt worden, sie sind oberflächlich, mangelhaft und tendenziös gewesen.“ Die Aussage des früheren Berger-Partners S., der als Kronzeuge der Anklage bereits mehrfach in anderen Prozessen ausführlich Rede und Antwort gestanden hatte, bezeichnete er als Wurzel allen Übels: Denn der hatte zu Protokoll gegeben: „Alle wussten alles.“
Auch zum Treffen mit dem früheren Ersten Hamburger Bürgermeister und heutigen Kanzler Olaf Scholz äußerte sich Olearius, wies aber jeden Versuch einer Einflussnahme weit von sich. Das Ende seines Vortrags spickt er mit einigem Pathos: „Ich habe meine Sicht, unschuldig zu sein, mit der Schilderung von Vorkommnissen und Fakten belegt. Viel mehr zum Sachverhalt kann ich nicht bieten, und ich erlaube mir auch zu sagen: Es ist genug! Ein Michael Kohlhaas werde ich nicht; aber meine Haut ist dünn geworden.“
Am 6. November wird der Prozess mit dem ersten Zeugen fortgesetzt. Ein LKA-Beamter soll Auskunft über Ermittlungen und Durchsuchungen geben.
Christian Olearius pocht in einer Erklärung vor Gericht auf seine Unschuld. Der ehemaliger Lenker und Mitinhaber des Hamburger Bankhauses M.M. Warburg gibt zwar zu, „vielleicht blauäugig“ gehandelt haben. Er könne es aber nicht fassen, dass er sich heute als Angeklagter verantworten müsse.