Online-Kreditplattformen werden als Alternative zur Bank immer wichtiger

Deutsche Banken sehen Fintechs noch als Konkurrenz – Erste Allianzen in den USA

Online-Kreditplattformen werden als Alternative zur Bank immer wichtiger

Von Dr. Dominik SteinkühlerCo-Founder und Managing Director Lendico Global Services GmbH23 Millionen kleiner und mittelgroßer Unternehmen zählt Europa. Damit machen sie 99% aller Firmen auf dem Kontinent aus. Auf diesen wirtschaftlichen Herzmuskel entfallen laut Europäischem Parlament zwei Drittel aller Arbeitsplätze in der Privatwirtschaft und mehr als 50% der gesamten gewerblichen Wertschöpfung. Langfristiges Wachstum und Wohlstand sind ohne die Funktions-, Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit kleiner und mittelgroßer Unternehmen nicht denkbar. Noch dazu verläuft der Geschäftszyklus bei ihnen oftmals entgegengesetzt der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung. In Abschwungphasen können sie also einen wichtigen Puffer gegen konjunkturelle Unbill darstellen. Doch trotz dieser immensen Bedeutung hindert eine immer restriktivere Kreditvergabe der Banken gerade diesen Wachstumsmotor der Wirtschaft in Europa an seiner vollen Leistungsentfaltung.Für diesen besorgniserregenden Trend gibt es zwei Hauptgründe: Da sind zum einen die regulatorischen Anforderungen an Banken, die als Konsequenz der Finanzkrise erheblich zugenommen haben. Dies hat dazu geführt, dass selbst kleine und mittelgroße Unternehmen mit Jahr für Jahr belegtem erfolgreichem Geschäftsmodell immer schwerer an Darlehen kommen. Da diese Firmen gleichzeitig so gut wie keine Alternative zum Bankkredit haben – um durch die Emission von Aktien oder Anleihen an Eigen- oder Fremdkapital zu kommen, sind sie in der falschen “Gewichtsklasse” -, treffen sie die Einschnitte der Banken bei der Kreditvergabe besonders hart.Diese Situation dürfte sich in den kommenden Jahren weiter zuspitzen. Denn zum einen drohen die vom Baseler Ausschuss unlängst vorgelegten Basel-IV-Pläne die Kapitalanforderungen an die Banken noch einmal zu verschärfen. Zum anderen lastet das aktuelle Niedrigzinsumfeld wie ein Mühlstein gerade auf der Profitabilität der Sparkassen und Genossenschaftsbanken in Deutschland. Und die sind der traditionelle Finanzierungspartner kleiner und mittelgroßer Unternehmen. Bundesbank und Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) rechnen aufgrund der niedrigen Zinsen in den kommenden fünf Jahren mit einem Gewinnrückgang bei den kleineren Banken und Sparkassen von bis zu 60%.Kein Wunder also, dass BaFin-Präsident Felix Hufeld unlängst ankündigte, diese Kreditinstitute an die kurze Leine zu nehmen: “Wir werden künftig explizit festlegen, wie hoch die Eigenmittelausstattung sein muss, um sämtliche Risiken abdecken zu können, also auch das Zinsrisiko im Anlagebuch”, sagte er beim Neujahrsempfang der Behörde in Frankfurt. Im Klartext: Wer unter den kleinen und mittelgroßen Unternehmen heute noch gut für ein Bankdarlehen ist, wird sich künftig womöglich nach Alternativen umsehen müssen, um Saisongeschäft oder gar Wachstum zu finanzieren. Und diesen trüben Aussichten werden sich natürlich auch Freiberufler und Privatleute nicht entziehen können.Der zweite wichtige Grund für die immer restriktivere Kreditvergabe der Banken sind ihre ineffizienten Prozesse. In Branchenmagazinen war zu lesen, dass die durchschnittliche Großbank im Kreditgeschäft zwischen 20 und 50 Systeme mit einem durchschnittlichen Alter von 20 Jahren einsetzt. John Cryan, Co-Vorstandsvorsitzender der Deutschen Bank, ging sogar so weit, die eigenen IT-Systeme als lausig zu bezeichnen. So ausgerüstet lassen sich gerade Anfragen nach niedrigeren Summen, wie sie für kleine und mittelgroße Unternehmen sowie Freiberufler und Privatleute typisch sind, weder zeit- noch kosten-effizient bearbeiten.Gleichzeitig zum starken Bedarf an alternativen Finanzierungsangeboten auf Seiten der Kreditnehmer suchen Investoren, egal ob privat oder institutionell, nach Anlagen, die möglichst wenig zu traditionellen Assetklassen wie Aktien und Anleihen korreliert sind und attraktive Renditechancen bieten. In diese Lücke stoßen Online-Kreditmarktplätze wie Lendico. Sie bringen Darlehensnehmer und Anleger auf einer Plattform direkt zusammen und bieten so eine Alternative zur klassischen Kreditvergabe über Banken.Online-Kreditmarktplätze sind nur ein Beispiel, wie sich weltweit sogenannte Fintechs, also Unternehmen, die Technologie und Finanzprodukte miteinander kombinieren, in einzelnen Segmenten der Wertschöpfungskette traditioneller Banken festsetzen und diese auf Basis hoher Kundenzufriedenheit für sich erobern. Neben der Finanzierung gilt dies vor allem für die Bereiche des Bezahlens und der Kapitalanlage. Wie Karies droht dieser als Disintermediation bezeichnete Prozess die Banken Stück für Stück immer weiter von ihren Kunden abzuschneiden.In Deutschland sind die meisten Banken noch weit davon entfernt, eine Antwort auf die Herausforderer gefunden zu haben. So wird bei manchen Kreditinstituten darauf gehofft, dass der Regulierer das “Problem” durch neue Vorschriften löst. Bei anderen Kreditinstituten versucht man, sich im Status quo weiter wohl zu fühlen, indem Mehrwert und Erfolgsaussichten der neuen Player und ihrer Angebote schlicht systematisch kleingeredet werden.Ein Blick auf die unlängst veröffentlichten Zahlen des Branchen-Monitors AltFi zeugt zumindest hinsichtlich der Entwicklung bei den Online-Kreditplattformen vom Gegenteil. So hat sich das über sie in Kontinentaleuropa ausgereichte Kreditvolumen im vergangenen Jahr mehr als verdoppelt. Dafür sind mehrere Gründe verantwortlich: Zum Ersten sind die Geschäftsmodelle der Online-Kreditplattformen weniger von der Zinsentwicklung abhängig als jene der traditionellen Banken. Zum Zweiten sind ihre Prozesse aufgrund der Fokussierung auf die Darlehensvergabe schlank, weitgehend automatisiert und somit hocheffizient. Daher können Online-Kreditplattformen auch Wünsche nach niedrigen Darlehenssummen noch profitabel bearbeiten. Darüber hinaus ermöglicht der hohe Automatisierungsgrad eine sehr schnelle Entscheidung. Bei Lendico ist das im Falle von Unternehmenskrediten in der Regel 48 Stunden nach dem Eingang aller Dokumente der Fall.Chefs kleiner und mittelgroßer Unternehmen, die über Monate hinweg mit ihrer Hausbank über ein Darlehen – etwa für die Erweiterung des Sortiments – verhandelt haben, wissen das zu schätzen. Und schließlich führt dieser sehr stark von Technologie getriebene Ansatz durch die Einbindung zahlreicher externer Datenquellen zu einer genaueren Einschätzung der Bonität als viele der bei Banken für kleinere Kredite verwendeten vergleichsweise groben Raster. So sind die Kreditkonditio-nen immer individuell auf den Interessenten abgestimmt. Hat der potenzielle Kreditnehmer den Prüfprozess erfolgreich durchlaufen und geht er auf den Konditionenvorschlag ein, kommt das Kreditprojekt auf den Online-Marktplatz und ist für Investoren zugänglich. Ist die angefragte Kreditsumme erreicht, erfolgt die Auszahlung über eine Partnerbank.Ein Blick in die USA zeigt, wohin die Reise auch in Deutschland gehen wird: Analog zu Sharing-Economy-Geschäftsmodellen wie Airbnb und Uber haben sich Online-Kreditplattformen dort bereits fest als Alternative zum Bankkredit etabliert. Das seit Dezember 2014 börsennotierte Unternehmen Lending Club etwa hat seit seiner Gründung im Jahr 2006 ein Kreditvolumen von rund 13,4 Mrd. US-Dollar vermittelt. Und nicht nur in dieser Hinsicht ist die Entwicklung weiter fortgeschritten als hierzulande. Denn während bei deutschen Banken mit Blick auf die Online-Kreditplattformen noch Skepsis dominiert, werden in der größten Volkswirtschaft der Welt bereits die ersten Allianzen geschmiedet.So haben unlängst die ebenfalls börsennotierte und auf Firmenkredite spezialisierte OnDeck Capital und J.P. Morgan, die größte Bank der USA, eine intensive Zusammenarbeit bei der Vergabe von Darlehen an kleine und mittelgroße Unternehmen angekündigt. Und dies ist nur ein Beispiel für die Zusammenarbeit beider Welten. Laut J.P. Morgan hat die Partnerschaft zum Ziel, durch die Technologie von OnDeck Darlehen nahezu in Echtzeit zu bewilligen und das Geld noch am selben oder am Folgetag auszuzahlen. Obwohl die Details noch nicht bekannt sind, ist eines schon jetzt klar: Die Kombination aus der IT von OnDeck mit dem Kundenzugang und Kapital von J.P. Morgan ist eine Win-win-Situation für alle Beteiligten.Auch in Deutschland werden Banken dem Charme solcher Kooperationen letztlich nicht widerstehen können. Denn Kunden, die ihnen derzeit scharenweise den Rücken kehren, weil sie entweder nur halbherzig oder gar nicht bedient werden, lassen sich durch die Verbindung solch komplementärer Stärken wieder langfristig binden.