Wirecard-Ausschuss

Opposition nimmt Scholz und Kukies ins Visier

Die Initiatoren des Untersuchungsausschusses zum Bilanzbetrug bei Wirecard haben fünf Monate nach dem Start der Ausschussarbeit eine Zwischenbilanz gezogen. Bis Ende April dürfte es den Obleuten von FDP, Grünen und Linken vor allem um die politische Verantwortung im Finanzministerium gehen.

Opposition nimmt Scholz und Kukies ins Visier

sp Berlin

In einer Zwischenbilanz ihrer bisherigen Arbeit im parlamentarischen Untersuchungsausschuss zu Wirecard haben Florian Toncar (FDP), Danyal Bayaz (Grüne) und Fabio De Masi (Linke) der Regierung und den Behörden „Systemversagen“ rund um den milliardenschweren Bilanzbetrug bei dem mittlerweile insolventen Zahlungsdienstleister vorgeworfen. Besonders in der Kritik der drei Oppositionspolitiker, die den Ausschuss im Herbst initiiert hatten, stehen die Finanzmarktaufsicht BaFin sowie die politisch für die Aufsicht Verantwortlichen im Bundesfinanzministerium, allen voran Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) und Staatssekretär Jörg Kukies. Sie werden ebenso wie Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) Ende April vor dem Ausschuss aussagen.

„Wir sind noch am Beginn der Aufklärung, was die Führungsebene des Finanzministeriums angeht“, erklärte Toncar mit Blick auf die politische Verantwortung für den Wirecard-Skandal. „Ich glaube aber, man kann mit Sicherheit sagen, dass es für den Staatssekretär Jörg Kukies in den nächsten Wochen um seine Reputation und um sein Amt gehen wird.“

Kukies habe von dem Leerverkaufsverbot der BaFin gewusst, das die Finanzaufsicht für Aktien von Wirecard am 18. Februar 2019 erlassen hatte. „Er wusste vorher Be­scheid“, sagte Toncar. „Damit ist das Leerverkaufsverbot der BaFin auch ein Leerverkaufsverbot des Finanzministeriums. Es ist mindestens ein Leerverkaufsverbot von Jörg Kukies, wenn nicht ein Leerverkaufsverbot von Olaf Scholz.“ Das Leerverkaufsverbot sei „der Kardinalfehler unter den vielen Fehlern, die im Fall Wirecard gemacht worden sind“, ergänzte Toncar. Damit habe die Aufsicht Partei ergriffen und den Finanzmarktakteuren signalisiert, dass die Betrugsvorwürfe gegen Wirecard nicht stichhaltig seien.

Ein Sprecher des Finanzministeriums sagte auf Anfrage von Reuters, über das Leerverkaufsverbot seien Parlament und Öffentlichkeit ausführlich informiert worden. Die Zuständigkeit für die Entscheidung habe bei der BaFin gelegen und das Ministerium habe keinen Einfluss ausgeübt. In den Ausschuss bringe sich das Finanzministerium aktiv ein. Außerdem sei das sogenannte Finanzmarktintegritätsstärkungsgesetz (FISG) mit Konsequenzen aus dem Wirecard-Fall im parlamentarischen Verfahren und werde hoffentlich zügig verabschiedet.

Die BaFin soll mit dem FISG mehr Durchgriffsrechte bei Bilanzprüfungen bekommen. Außerdem sollen Wirtschaftsprüfer enger an die Leine genommen werden. CDU/CSU pochen aber auf Änderungen, vor allem bei der deutlich stärkeren Haftung der Wirtschaftsprüfer, die die SPD als Hauptschuldige für den Wirecard-Skandal ausgemacht hat.

„Erschrocken hat mich, wie selbst renommierte Wirtschaftsprüfer diesen Machenschaften nicht auf die Schliche gekommen sind und Jahr für Jahr mit ihrem Stempel auf den Bilanzen den Glauben an das Erfolgsmärchen Wirecard weiter gestärkt haben“, zog Jens Zimmermann, der für die SPD im Ausschuss sitzt, schon am Dienstag Bilanz. Das FISG solle für eine schlagkräftigere Aufsicht sorgen, weil auch Behörden zu wenig kritisch hingeschaut hätten. Es handle sich um ein „Schlechtes-Gewissen-Gesetz“ aus dem Finanzministerium, konterte Toncar am Mittwoch.

Showdown Ende April

Bald soll die höchste politische Ebene aussagen. Den Anfang macht Wirtschafts­minister Altmaier am 20. April. Am 21. April stehen Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) und Kukies auf der Zeugenliste. Scholz soll am 22. April folgen, die Kanzlerin am 23. April aussagen. Die Regierungs­koalition will die Zeugenvernehmung danach beenden. „Es ist zu früh, die Akte zu schließen“, entgegnete Toncar. Ein vorläufiger Abschlussbericht werde aber wohl im April begonnen. Im Juni solle sich der Bundestag dann im Plenum abschließend mit dem Fall beschäftigen.

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