Orcels Wechsel zu Santander scheitert am Geld
Von Thilo Schäfer, MadridIm vergangenen September ließ Santander in der internationalen Finanzbranche aufhorchen, als Spaniens größte Bank die Verpflichtung von Andrea Orcel als zukünftigen CEO verkündete. Noch nie hatten die personell fast ausschließlich von Einheimischen geführten spanischen Kreditinstitute einen solch renommierten Banker engagiert wie den Chef des Investment Bankings von UBS. Nun ist der Wechsel völlig überraschend geplatzt und die Branche rätselt über die wahren Beweggründe. Am Dienstagabend teilte Santander mit, dass man von der Verpflichtung des Italieners absehe. Man habe sich nicht darüber einigen können, wer die variable Vergütung übernimmt, die Orcel vertragsgemäß in den kommenden sieben Jahren bei dem Schweizer Institut erhalten hätte.Dabei hatte die Vorsitzende von Santander, Ana Botín, die Personalie im September als perfektes Match angepriesen. Schließlich hatte Orcel seit vielen Jahren die Spanier bei wichtigen internationalen Operationen, wie etwa dem Einstieg in Großbritannien, beraten. Und mit ihm die UBS. Doch von einer vermeintlichen partnerschaftlichen Beziehung zu Santander wollten die Schweizer offenbar nichts wissen. Sie sahen den Wechsel ihres Investmentbankchefs nach Madrid mit großem Misstrauen, wie diverse Medien unter Berufung auf Bankkreise berichten. Das hatte sich schon beim Zeitplan geäußert, denn UBS bestand auf Einhalten der sechsmonatigen Frist und vereitelte so die Pläne der Spanier, wonach der neue CEO schon zu Jahresbeginn die Geschäfte hätte aufnehmen sollen.Folglich war UBS auch nicht dazu bereit, die variable Vergütung von Orcel ganz oder teilweise zu übernehmen, womit die Spanier offenbar gerechnet hatten. “Die Ernennung wurde durchgeführt auf Grundlage einer vernünftigen Einschätzung der Kosten, im Einklang mit unseren Beratern, den Präzedenzfällen sowie der Erwartung, dass die Kosten nach unten revidiert werden könnten angesichts der Art der Beziehung zwischen beiden Banken und ihrer unterschiedlichen Aktivitäten”, heißt es in der Santander-Mitteilung. Doch die Schweizer sahen sich nicht in der Pflicht. “Das ist eine Angelegenheit zwischen Santander und Orcel”, ließ UBS verlauten. Kein Verzicht auf 50 Mill. EuroOrcel wollte allem Anschein nach auch nicht auf die ihm zustehende Vergütung verzichten, die laut Medienberichten um die 50 Mill. Euro betragen soll. Daher zog der Aufsichtsrat von Santander diese Woche die Reißleine, da er die Kosten für “inakzeptabel” hält. Botín, die nach dem gängigen spanischen Modell als Executive Chairman die Nummer 1 der Bank ist, gab in der Mitteilung ihre Sicht der Dinge preis: “Als Retailbank mussten wir die hohen Kosten der Verpflichtung eines Professionellen, auch von der Kategorie von Andrea Orcel, den wir für die variable Vergütung über sieben Jahre hätten entschädigen müssen, mit unserer Unternehmenskultur aufwiegen, die eine Verpflichtung und Verantwortung gegenüber unseren Mitarbeitern, Kunden und Aktionären bedeutet.” In der Vergangenheit hatte Spaniens größte Bank keine Probleme damit, scheidenden Top-Angestellten millionenschwere Abfindungen zu gewähren. Doch die Zeiten haben sich geändert. Botín, die 2014 den Vorsitz der Bank von ihrem verstorbenen Vater Emilio übernommen hatte, ist sehr darum bemüht, den Imageschaden der Finanzbranche im Zuge der Krise und der Bankenrettung zu beheben.Nun bleibt vorübergehend alles beim Alten. José María Alvarez wird zunächst den Posten des CEO weiter bekleiden, aber dennoch wie vorgesehen als stellvertretender Vorsitzender in den Aufsichtsrat eintreten. Allerdings übernimmt er nicht zusätzlich den Vorsitz des Spanien-Geschäfts, das vorläufig weiter von Rodrigo Echenique geführt wird. Santander hatte wegen der Verpflichtung Orcels die Präsentation des Strategieplans verschoben. Nicht alle sind über den gescheiterten Wechsel unglücklich. “Ich habe Santander lieber ohne Orcel als mit Orcel”, sagte Beltrán de la Lastra, Chef der Investmentfirma Bestinver aus Madrid: “Santander ist keine Investmentbank.”