GASTBEITRAG

Outsourcing ist kein alternativloses Allheilmittel

Börsen-Zeitung, 27.7.2012 Selbst machen oder auslagern? Diese Frage ist so aktuell wie alt, gerade für einen Unternehmensverbund wie die Sparkassen-Finanzgruppe. Vor nicht allzu langer Zeit beschäftigten Sparkassen noch viel Personal für bankfremde...

Outsourcing ist kein alternativloses Allheilmittel

Selbst machen oder auslagern? Diese Frage ist so aktuell wie alt, gerade für einen Unternehmensverbund wie die Sparkassen-Finanzgruppe. Vor nicht allzu langer Zeit beschäftigten Sparkassen noch viel Personal für bankfremde Tätigkeiten (z. B. Kurierdienste, Gebäudeunterhaltung) oder programmierten bankfachliche Anwendungen noch selbst. All das ist heute kaum mehr vorstellbar: Vieles ist an spezialisierte Dienstleister vergeben oder in Gemeinschaftsunternehmen wie die Sparkassen-Finanz-Informatik zentralisiert worden. Daneben wickeln größere Institute zunehmend Spezialaufgaben für kleinere Nachbarn mit ab.Auch die Sparkasse Westmünsterland übernimmt schon seit vielen Jahren den Zahlungsverkehr für benachbarte Institute, in letzter Zeit sind die Themen Geldwäscheverhinderung und IT-Revision hinzugekommen. Man muss nicht Prophet sein, um vorherzusehen, dass es aus Rentabilitätsgründen weitere Schritte bei der “Industrialisierung” von bankfachlichen Prozessen geben wird. In aktuellen Strategiediskussionen wird Outsourcing allerdings zuweilen als “alternativloses Allheilmittel” betrachtet. Ein zweiter Blick auf die Dinge ist nötig. Nicht nur monetäre AspekteDie Antwort auf die “ewige Frage” hängt nicht vom Glauben, sondern von der Wirtschaftlichkeit ab, in der auch nichtmonetäre Aspekte berücksichtigt werden müssen. Die sich laufend ändernden Rahmenbedingungen spielen somit eine wesentliche Rolle: Wettbewerbsdruck, sich veränderndes Kundenverhalten, demografische Entwicklung und staatliche Regulierung sind die wichtigsten Treiber. Wesentliche Aspekte der Sparkassen-Geschäftspolitik sind die Qualitätsführerschaft bei einem attraktiven Preis-Leistungs-Verhältnis, die flächendeckende Präsenz und eine besondere Kundennähe. Dadurch unterscheiden Sparkassen sich von den reinen Preis-Anbietern. Eigenverantwortung und Solidarität in der Sparkassen-Finanzgruppe verpflichten jedes Unternehmen, seine Organisation ständig zu überprüfen und sich an Benchmarks zu orientieren. Das ist weder neu, noch gilt es nur für die Back-Office-Bereiche. Es ist eine allgemeine Führungsaufgabe des Vorstands, der wir uns dauerhaft und intensiv widmen. Originäres AngebotStrategischer Ausgangspunkt unserer Überlegungen ist eine Sparkasse, die ihre Leistungs- und Gestaltungskraft in ihrem Geschäftsgebiet sichert und die Arbeitsplätze dort hält, solange dies wirtschaftlich erfolgreich und vertretbar ist. Die effiziente Bearbeitung der Kundenaufträge im Sinne eines After-Sales-Service gehört für uns zum originären Angebot einer Sparkasse, die alle Aktivitäten an ihren Kunden und am Absatz ausrichtet. Warum sollten also bedeutende Bereiche ausgelagert werden, wenn sie im Hause günstiger und besser bereitgestellt werden können?Die zentralen Konzepte der Sparkassen-Finanzgruppe bieten mittlerweile straffe und standardisierte Musterprozesse (Industrialisierung), die Entwicklungs- und Bearbeitungskosten deutlich reduzieren. Mit dem ergänzenden Personalbemessungsinstrument lässt sich der Personalbedarf für die jeweiligen Prozesse ermitteln und mit Referenzwerten anderer Häuser vergleichen. Auf diese Weise werden Wettbewerbsvergleiche vereinfacht, die wertvolle Impulse für Eigenoptimierungen liefern. Dieser Weg ist anspruchsvoll. Abläufe neu einführen oder verändern, möglicherweise lieb gewordene Eigenarten über Bord werfen, mehr Transparenz und Vergleichbarkeit schaffen, eine prozess- und nicht aufgabenorientierte Organisation mit flacheren Hierarchien etablieren, den Personalrat frühzeitig einbinden sowie ihn und die Mitarbeiter gewinnen: All das erfordert Kommunikation und Führung. Eine Unternehmenskultur, in der Veränderungen und solch ein Vorgehen normal sind, erleichtert diese Arbeit. Vor allem aber erfordert dieser Weg ein diszipliniertes Vorgehen mit festen Spielregeln für einen regelmäßigen und ehrlichen Vergleich eigener Leistungskosten mit Angeboten externer Dienstleister. WettbewerbsvergleicheWir haben mit einem Verfahrensmodell gute Erfahrungen gemacht, mit dem wir jährlich Wettbewerbsvergleiche für Auslagerungsangebote nach einem festen Schema durchführen. Es gliedert sich in die vier Phasen Ist-Aufnahme, Abgleich Funktionalitäten, Bewertung und Ergebnisdokumentation. Beispiele für bisherige Anwendungen sind Zahlungsverkehr, Wertpapierabwicklung, IT-Eigenbetrieb, Serviceline, Druckleistungen, Abwicklung S-VorsorgePlus, Optisches Archiv, Personalsachbearbeitung sowie die Kreditsachbearbeitung. Die Prozesse bei Konsumentenkrediten und Baufinanzierungen (Finanz Informatik) sowie Autofinanzierungen (S-Kreditpartner) sind äußerst schlank, ebenso im Firmenkundengeschäft. Vor allem hier ist ein effizientes, zugleich individuelles Vorgehen erforderlich und möglich. Interne Servicelevels sichern die Qualität und schaffen Transparenz.Konstruktiver Nebeneffekt der Wettbewerbsvergleiche sind immer wieder neue Impulse und Ansatzpunkte für weitere Eigenoptimierungsmöglichkeiten. Sie haben bislang wesentlich dazu beigetragen, dass die relativen Personal- und Sachkosten der Sparkasse Westmünsterland deutlich unter dem Sparkassendurchschnitt liegen. Eine Reihe von HürdenEine Auslagerung muss einige finanzielle, kulturelle und kommunikative Hürden nehmen, wenn sie erfolgreich sein soll. Die Verteuerung der externen Dienstleistung durch die zu berechnende Umsatzsteuer muss ebenso kalkuliert werden wie die bankaufsichtsrechtlichen Anforderungen an die Steuerung externer Anbieter. In der Bewertung zu berücksichtigen sind selbstverständlich die qualitativen Aspekte einer hausinternen Dienstleistung wie zum Beispiel der Personalsachbearbeitung.Auf keinen Fall zu unterschätzen sind die Auswirkungen einer Auslagerung auf die Kundschaft und die Mitarbeiterschaft sowie die erhöhten Anforderungen an die interne und externe Kommunikation. Derartige Aktivitäten werden sehr genau verfolgt und mit Blick auf die möglichen Konsequenzen für den eigenen Verantwortungsbereich reflektiert. Sie müssen daher präzise und nachvollziehbar erläutert werden. Kostensenkungen für Back-Office-Dienstleistungen sollen schließlich durch die Reduzierung von Personalaufwand und einen geringeren Personalbestand realisiert werden. “Sparkassen-like”Hier gilt es, keine Risse in der Mitarbeiterschaft entstehen zu lassen, die womöglich die internen Abläufe erschweren oder das Gegenteil bewirken. Außerdem muss angesichts der demografischen Entwicklung und des Fachkräftemangels die Wahrnehmung der Sparkasse als verantwortungsvoller und attraktiver Ausbilder und Arbeitgeber gewahrt bleiben – intern wie extern. Institute mit einer gesunden Altersstruktur der Mitarbeiterschaft können Personalkapazitäten und -kosten sehr wohl “Sparkassen-like” steuern. Die Planung muss sich vorausschauend entlang schlanker Prozesse orientieren und ein “gesundes Auswachsen” ermöglichen.Entsprechend wird sich der Personalaufwand anpassen. Auch in der Stellenbewertung einer Sparkasse kann die ganze Breite der TVöD-Entgelttabelle genutzt werden (TVöD = Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst; Anm. d. Red). Ein breiter gefächertes Beschäftigungsfeld bietet der Personalentwicklung nebenbei zusätzlichen Spielraum beim Einsatz von Mitarbeitern, die ihren Einsatzbereich wechseln möchten. Vertriebswege vernetzenDas Prinzip des ständigen Hinterfragens von Dienstleistungen gilt auch für den Blick auf die Kundenberatung. Qualitätsführer zu sein ist der Anspruch der Sparkassen – und das über alle Kanäle, von der Geschäftsstelle bis zum Online- und Mobile Banking. Diese Vertriebswege müssen intern weiter miteinander vernetzt werden, die Kunden nutzen die verschiedenen Wege zur Sparkasse bereits. Für den vergleichsweise jungen Bereich des Mobile Banking müssen die Erfahrungen aus den Back-Office-Prozessen genutzt werden, wir brauchen keine parallelen Eigenentwicklungen. Wir wünschen vielmehr zentral entwickelte und gewartete Anwendungen, die rechtlich wie auch technisch abgesichert und in der Usability auf dem neuesten Stand sind. Industrialisierung geht weiterWeiter brauchen wir die technische Vernetzung der dahinter liegenden Prozesse mit denen in den Geschäftsstellen. Die kulturelle Verbindung der verschiedenen Kanäle bleibt die Aufgabe jeder einzelnen Sparkasse. Am Ende soll der Kunde ein durchgängiges und unkompliziertes “Sparkassenerlebnis” erfahren. Und angesichts der Geschwindigkeit, mit der Smartphones, mobile Anwendungen und neue Medien von weiten Teilen der Kundschaft genutzt werden, benötigen wir diese Angebote zügig. Im Handumdrehen können hier die Sparkassen mit ihren 50 Millionen Kunden die “kritische Masse” erreichen. Dazu braucht es eine weitgehende, verbindliche Übernahme zentraler Angebote.Fazit: Die Industrialisierung von Finanzdienstleistungen vor allem im Back-Office-Bereich wird voranschreiten. Für die Sparkassen ist es gut, dass sie zentrale Prozesse der Finanzgruppe nutzen sowie aus dem Angebot vieler konkurrierender Dienstleister wählen können. Ob und welches dieser Unternehmen dauerhaft bestehen bleibt oder sich mit anderen zu einer größeren Einheit zusammenschließen wird, wird der Wettbewerb entscheiden.Unerlässlich für das einzelne Institute bleibt es, laufend Wettbewerbsvergleiche mit Drittanbietern und Benchmark-Sparkassen durchzuführen, diese nüchtern zu analysieren, Vor- und Nachteile abzuwägen – und die Konsequenzen zu ziehen.