Pandemie drückt Ertragskraft der Banken unter kritische Marke
bn Frankfurt – Die Covid-19-Pandemie wird die Zahl der operativ und strategisch in der Luft hängenden Banken in den kommenden beiden Jahren europaweit kräftig steigen lassen, wie Oliver Wyman prognostiziert. Demnach wird 2022 zwar rund jedes zweite Institut über ausreichend Eigenkapital verfügen, damit aber nur schwache Renditen erzielen, wie das Beratungshaus aus einem Basis-Szenario schließt, in dem eine rasche Erholung von der Pandemie ausbleibt, die Staaten indes zugleich einen zweiten Lockdown verhindern können.Knapp jedem fünften Institut wird es jedoch auch an Eigenmitteln fehlen, da seine harte Eigenkapitalquote unter 12 % liegen wird. Nur mehr 17 % der Banken in der EU dürften den Angaben zufolge in der Lage sein, Eigenkapitalrenditen von 8 % oder mehr zu erzielen – 2019 waren es 48 %. Der Rest dürfte in Schwierigkeiten stecken oder eine längere Aufbauphase durchlaufen. “8 % sind eine kritische Marke für die Eigenkapitalrendite, da bei niedrigeren Werten das Kurs-Buchwert-Verhältnis leidet, Kapital abzufließen droht und es unwahrscheinlich wird, dass eine Bank aus eigener Kraft strategische Optionen wahrnehmen kann”, erläutert Thomas Schnarr, Partner bei Oliver Wyman. Den Angaben zufolge wird der Anteil des Eigenkapitals in Europas Bankensektor, der in Instituten mit unter dieser Marke liegenden Renditen gebunden ist, bis 2022 gleichwohl von 51 % auf 82 % in die Höhe klettern. Diese Institute werden anfällig sein für weitere Belastungen des Eigenkapitals, risikoavers in der Kreditvergabe vorgehen und zudem Mühe haben, Änderungen im Geschäftsmodell zu finanzieren, prophezeien die Berater. Europa driftet auseinanderZugleich werden die Geschicke der Institute je nach Heimatland bis 2022 deutlicher auseinanderdriften als bisher, da Covid-19 die Unterschiede zwischen den EU-Staaten, je nach Branchenmix, den Anstrengungen der jeweiligen Regierung in der Krise sowie der Verschuldung im Privat- und im Unternehmenssektor, deutlicher zutage treten lässt. So dürften deutschen Banken dank einer soliden Wirtschaft und beispielloser Hilfsprogramme der Regierung relativ wenige Kreditverluste ins Haus stehen. Zugleich sei das deutsche Bankensystem schon jetzt eines der ertragsschwächsten auf dem Kontinent, heißt es. Das anhaltende Zinstief werde es Banken zusätzlich erschweren, sich aus dieser Position zu befreien. In Italien und Griechenland liege der Anteil notleidender Forderungen am Kreditvolumen der Banken nicht nur deutlich höher. Die Institute dort seien auch den Auswirkungen der Krise stärker ausgesetzt, während die Regierungen weniger Mittel hätten, um sich der Pandemie entgegenzustemmen.Europaweit erwartet das Beratungshaus infolge der Krise einen heftigen Anstieg der Verluste sowohl im Firmenkunden- als auch im Privatkundengeschäft. Mit rund 400 Mrd. Euro dürften sich die Belastungen demnach auf das Doppelte des heutigen Niveaus summieren, zugleich allerdings weniger als die Hälfte der Ausfälle zu Zeiten der Finanzkrise ausmachen. Dies dürfte es 70 % der Banken ermöglichen, 2022 eine harte Kernkapitalquote von 12 % oder mehr zu zeigen. Der Anteil notleidender Forderungen an den Kreditportfolios dürfte sich dem Basis-Szenario zufolge bis 2022 europaweit von 3,8 % auf 7,7 % erhöhen.Zugleich wird die Ertragsdynamik leiden, da die Krise dem Massengeschäft und dem Commercial Banking zugleich zusetzt. Verstärken dürften diesen Effekt eine Verdrängung des privaten durch den öffentlichen Sektor sowie das Bemühen von Schuldnern, Kredite beschleunigt zu tilgen, sobald die wirtschaftliche Erholung einsetzt, wie es heißt. Der Zinsüberschuss dürfte demnach bis 2022 um 8 % fallen, der Provisionsüberschuss um 3 %. Zwar hat das Kapitalmarktgeschäft in den ersten Monaten der Krise einen Schub erfahren. Auf Zweijahressicht aber dürften die Aussichten Oliver Wyman zufolge für kein einziges Geschäftsfeld der Banken positiv sein. Als bestenfalls stabil werden die Aussichten eingeschätzt, und dies auch nur im Kapitalmarktgeschäft und in der Baufinanzierung.