Pandemie-Risiko bleibt ohne Versicherungsschutz

AGCS sieht keine Möglichkeit zur Diversifikation

Pandemie-Risiko bleibt ohne Versicherungsschutz

mic München – Unternehmen werden künftig das Pandemie-Risiko wohl nicht in Policen gegen Betriebsunterbrechungen absichern können. Davon ist der Allianz-Industrieversicherer AGCS überzeugt. “Es wird kaum machbar sein”, sagte Schadenvorstand Thomas Sepp in einem virtuell geführten Pressegespräch. Es handele sich um ein systematisches und kein zufälliges Risiko. Damit fehle den Versicherern die Möglichkeit zur Diversifikation. Das Risiko sei versicherungstechnisch nachhaltig nicht darstellbar.Die Covid-19-Pandemie sei sowohl für Unternehmen als auch für Versicherer eines der größten wirtschaftlichen Schadenereignisse der Geschichte, erklärte Allianz Global Corporate & Specialty (AGCS). Dem Versicherer Lloyd’s zufolge wird die Branche im Jahr 2020 bis zu 110 Mrd. Dollar für Schäden im Zusammenhang mit der Pandemie überweisen müssen. Inklusive geringerer Kapitalerträge betrage der Schaden 203 Mrd. Dollar. Anderen Schätzungen zufolge zahlt die Assekuranz alleine in den USA und in Großbritannien rund 80 Mrd. Dollar. Dies entspräche den versicherten Schäden der Hurrikane Harvey, Irma und Maria im Jahr 2017.AGCS hat per Ende Juni gut 450 Mill. Euro für erwartete Pandemie-Ansprüche reserviert, davon 250 Mill. Euro im zweiten Quartal. Dies trieb die Schaden-Kostenquote auf 117 %. Ohne den Einfluss der Pandemie hätte sie 99 % betragen, hatte Finanzvorstand Guilo Terzariol bei der Vorlage der Halbjahreszahlen im August vorgerechnet. In den Sparten Haftpflicht und der D&O-Versicherung registrierte AGCS nur vereinzelte Schadenfälle. Die Münchner sind hauptsächlich von Schäden im Entertainment-Geschäft getroffen, das der Industrieversicherer infolge der Integration des Portfolios von Fireman’s Fund stark ausgeweitet hatte. Abgesagte Live-Veranstaltungen und die Unterbrechung von Film- und Kinoproduktionen in der Unterhaltungsindustrie schlugen zu Buche. Sepp erklärte, alle neuen Verträge würden mit einem Covid-19-Ausschluss versehen: “Die Lernerfahrung war, dass solche Akkumulationsrisiken nicht managbar und nicht stemmbar sind.” Kein Rechtsbruch in den USADie Klagen von Wirten gegen den Ausschluss weitgehender Zahlungen aus der Betriebsunterbrechungsversicherung, mit denen die Allianz sich in Deutschland konfrontiert sieht, treffen AGCS nicht, weil der Industrieversicherer im Großkundengeschäft aktiv ist. Das Urteil des High Court in Großbritannien zu derartigen Versicherungen, das die britische Finanzaufsicht in Sorge im kleinere Unternehmen herbeigeführt hat, habe AGCS analysiert, sagte ihr globaler Schadenmanager Philipp Cremer. Die Allianz habe weniger als eine Hand voll Policen identifiziert, die man im Lichte dieser Rechtsprechung nochmals anschauen werde. In den USA habe es in den ersten Wochen der Pandemie Meldungen aus mehreren Bundesstaaten geben, dass die Versicherer ohne vertragliche Grundlage belangt werden könnten, sagte Sepp: “Das hat sich Gott sei Dank beruhigt.”AGCS prophezeit in ihrer Studie “Covid 19 – Changing Claims Pattern”, dass die Pandemie viele Trends beschleunigt, wie etwa das wachsende Bewusstsein für Störfaktoren in komplexen globalen Lieferketten. Um Ausfallrisiken zu reduzieren, könnte die Wertschöpfung in kritischen Produktionsbereichen rückverlagert werden etwa nach Europa oder in die USA. Es sei unklar, wie sich dies auf die Kosten künftiger Betriebsunterbrechungen auswirke, sagte Sepp. Einerseits stiegen möglicherweise die Qualitätsstandard, andererseits könnten die Produktionskosten nach oben gehen. Die Cybergefahren nähmen infolge des mobilen Arbeitens zu: “Hier wissen wir, dass es zu einem erhöhten Risikoszenario kommen wird.” AGCS sei noch nicht betroffen.