Pandemie treibt Investoren in risikoärmere Immobilien
tl Frankfurt – Der deutsche Gewerbeimmobilienmarkt hat sich nach dem pandemiebedingten Einbruch im zweiten Quartal wieder erholt. Das gilt allerdings nicht für alle Bereiche. Diskutiert wurde auf dem 16. Immobilientag der Börsen-Zeitung vor allem die Zukunft des Büros vor dem Hintergrund des erfolgreichen Einsatzes des Homeoffice im Lockdown.Im ersten Halbjahr 2020 ist viel Kapital nach Europa geflossen, insbesondere nach Großbritannien, Frankreich und Deutschland, berichtete Jörg Ritter von Jones Lang LaSalle (JLL). Das Transaktionsvolumen auf den Immobilienmärkten hat abgenommen, wobei Hotels, Büros und Geschäfte litten, weniger hingegen Logistikobjekte. Im Zehn-Jahres-Durchschnitt hat Logistik sogar zugelegt, allerdings von einem niedrigen Niveau. Auch Wohnobjekte bleiben gefragt.Der Anlagedruck bleibe angesichts in den nächsten vier Jahren auslaufender Staatsanleihen von rund 900 Mrd. Euro hoch – und Immobilien seien bei einem Spread zwischen Bürospitzenrendite und Umlaufrendite deutscher Staatsanleihen von rund 350 Basispunkten attraktiv. Gesucht seien im Zuge der Krise risikoärmere Objekte, also aus den Segmenten Wohnen, Logistik, Bürogebäude in zentralen Großstadtlagen und dem Lebensmittel-Einzelhandel.Die Entwicklung des deutschen Wohnungsmarktes hängt entscheidend von der wirtschaftlichen Entwicklung ab. Die Rezession wird die Wohnungsnachfrage auch mittelfristig bremsen, warnte Andreas Kunert von der Research-Einheit des Verbands deutscher Pfandbriefbanken (VDP). Bei Büroimmobilien führte insbesondere die im Lockdown unmögliche persönliche Objektbegehung zu einem Einbruch des Transaktionsvolumens (siehe Grafik). VDP-Präsident Louis Hagen warnte angesichts der herrschenden Verunsicherung die Banken davor, die Immobilienwerte jetzt einfach nach unten zu schreiben. Auch die Aufsicht sollte das nicht fordern. “Das würde eine Spirale nach unten in Gang setzen, die kontraproduktiv wirken würde. Das wäre für Investoren, Immobilienmärkte und die Banken schlecht.” Korrekturen sollte es erst dann geben, wenn sich nachhaltig zeigt, wohin die Reise geht. Dazu müssten Fragen geklärt werden wie: Wie viel Wohnraum brauchen wir? Wo und wie werden wir einkaufen? Wie werden wir reisen?Laut Jan Peter Annecke, Bereichsleiter Immobilienkreditgeschäft bei der Helaba, ist der Immobilienboom auch nach der Coronakrise nicht vorbei. “Die Nachfrage vor allem nach erstklassigen Objekten an Top-Standorten übersteigt das Angebot.” Dies gelte für Wohnen, nicht aber für Shoppingcenter, bei denen Preiskorrekturen befürchtet werden, so Jürgen Helm, Head of Real Estate Germany bei HSBC Deutschland.Intensiv wurde auf dem Immobilientag der Börsen-Zeitung das Thema Homeoffice und seine Auswirkungen auf den Flächenbedarf diskutiert. Marcus Lütgering, Head of Office Investment Germany bei JLL, erwartet entgegen der landläufigen Meinung eine Zunahme des Flächenbedarfs, weil auch zukünftig Distanzregeln einzuhalten seien und es einen steigenden Bedarf an Gemeinschaftsflächen gebe. “Das Büro muss für die Mitarbeiter attraktiver werden.” Anett Barsch vom Projektentwickler Corpus Sireo sieht urbane Lagen als attraktiv für Büro und Wohnen an, wenn Mitarbeiter nur für Meetings ins Büros kommen. Dort müssten die Flächen flexibel gestaltet werden, forderte sie. Es werde keine Einzelbüros und mehr allgemeine Flächen geben, so ihr Szenario. “Wertsteigerungen werden da realisiert, wo es attraktive, moderne Büroflächen gibt”, sagte Heiko Böhnke, Vorstand der Real Exchange. Das könne in zentralen Lagen, aber auch in Randlagen wie dem Europaviertel in Frankfurt oder den Hackeschen Märkten in Berlin sein, ergänzte Andreas Wellstein, Leiter Immobilien Research bei Deka Immobilien Investment.Einen ganz anderen Aspekt des Homeoffice stellte Nico Rottke, Vorstandssprecher des Investors Aamundo heraus. In den kommenden fünf bis sechs Quartalen werden sich die Effizienzverluste durch das Arbeiten in den heimischen vier Wänden zeigen, glaubt er. Angesichts des hohen Anteils der Personalkosten an den Gesamtkosten eines Unternehmens sei das viel wichtiger als mögliche Einsparungen durch verringerte Büroflächenanmietungen.Für einheitliche Datenstandards in der Immobilienwirtschaft warb Maurice Grassau, CEO von Architrave. Damit könnten Daten und Dokumente zwischen den Marktteilnehmern leichter ausgetauscht werden, was beispielsweise Transaktionen deutlich schneller, einfacher und günstiger mache. Bis es so weit ist, ist es aber noch ein weiter Weg.