Paradigmenwechsel beim Settlement mit Auswirkungen auf Europa
Die USA preschen bei der Verkürzung des Settlements bei der Wertpapierabwicklung vor. Nachdem sie einst den Europäern bei der Einführung des T+2-Zyklus gefolgt sind, haben sie nun bei der weiteren Verkürzung die Nase vorn. Ab Mai 2024 gilt in Übersee im Wertpapierhandel T+1 – mit spürbaren Auswirkungen auch auf den Rest der Welt.
USA und Kanada künftig vor Europa
Mit dem Wechsel werden die USA und Kanada künftig vor dem europäischen Markt sein. Das war in den vergangenen Dekaden nicht der Fall. Neben dem reinen Wechsel auf T+1 im Settlement verfeinert die US-Börsenaufsicht SEC in ihren Vorgaben auch den sogenannten Affirmation-Prozess, welcher vor dem Settlement erfolgt und im Wesentlichen einer Bestätigung der Transaktion zwischen Käufer und Verkäufer gleichkommt.
Verfeinerter Affirmation-Prozess de facto obligatorisch
Vor dem Hintergrund einer leicht positiven Korrelation zwischen einem solchen zusätzlichen Bestätigen und der erfolgreichen Abwicklung einer Wertpapiertransaktion hat die SEC diesen Prozess im T+1-Set-up de facto verpflichtend für die Broker gemacht und diesen auf Assetmanager erweitert. Broker sind nun in diesem Zusammenhang verpflichtet, dokumentierte Verfahren für die Affirmation zu haben. Eine solche zusätzliche Bestätigung durch die Buy Side bleibt hingegen weiter freiwillig. Jedoch haben alle Marktteilnehmer ein intrinsisches Interesse daran, eine Kumulation von Settlement Fails zu verhindern.
Die SEC will mehr Ordnung und Effizienz für alle Marktteilnehmer schaffen. Zunächst dürfte die Umstellung in einer besseren Kapitalallokation, einer erhöhten Liquidität und einem geringeren Kreditrisiko der Gegenpartei münden. Trades bleiben nicht mehr so lange offen. Kürzere Abwicklungszyklen können helfen, ungenutzte Liquidität freizusetzen. Die Neuregelung zielt ferner darauf ab, die Effizienz zu verbessern und Risiken für Marktteilnehmer zu verringern.
Ein Tag weniger für Korrekturen
Im Ergebnis treibt die Halbierung des bisherigen Settlement-Intervalls aber auch die Modernisierung der Technologie der Marktteilnehmer voran. Um den neuen Anforderungen gerecht zu werden, muss etwa die Abwicklungsgeschwindigkeit gesteigert werden, bei gleichzeitiger Minimierung der Fehlerquote. Künftig bleibt schlichtweg „ein Tag weniger“, um Fehler zu korrigieren. Das erhöht den Druck auf die involvierten Parteien und Mitarbeiter – der Raum für manuelle Bearbeitungsschritte schwindet.
Versatz der Zeitzonen
Bei genauerer Analyse ergeben sich jedoch weitere Veränderungen. Das betrifft zum einen das Thema FX und Funding. Der Zeitzonenversatz ist dabei per se vermutlich die größte Herausforderung. Abhängig vom jeweiligen FX- und Finanzierungsmodell des Kunden kann es sein, dass Kunden tagesgleiche FX-Transaktionen an T+1 ausführen müssen. Kunden mit einem operativen Modell außerhalb der US-Zeitzone müssen die Auswirkungen der Ausführung des Matchings und der Abwicklung von FX-Transaktionen vor den Cut-offs der lokalen Währung an T+1 berücksichtigen. In der T+1-Welt werden damit die Fenster für FX komprimiert. Insofern sollten Marktteilnehmer ihr FX-Modell dringend auf dessen Realisierbarkeit in der neuen T+1-Umgebung überprüfen.
Der Zeitzonenversatz spielt nicht nur bei FX, sondern auch beim Affirmation-Prozess eine Rolle: Teilweise bieten Custodians eine „Auto-Affirmation“ an, benötigen die Instruktion unter dem neuen T+1-Regime aber meistens bereits am Handelstag.
Operative Anpassungen werden teuer
Wenn ein globaler Assetmanager am amerikanischen Nachmittag handelt, würde die Instruktion erst am folgenden Tag, also am Settlement-Tag, bei einem lokalen Custodian verarbeitet werden. Für den Affirmation-Prozess bliebe dann keine ausreichende Zeit mehr. Diesen Umstand könnte man mit einer Änderung des operativen Modells anpassen, beispielsweise der Einführung einer Spätschicht. Damit dürften jedoch in der Regel erhebliche, bisweilen sogar prohibitive Aufwendungen verbunden sein.
Im künftigen Settlement-Wechselspiel zwischen alter und neuer Welt sind zudem noch weitere Themen offen. Was ist beispielsweise, wenn eine Transaktion amerikanischer Papiere gar nicht über die The Depository Trust Company (DTC) abgewickelt wird, sondern bei einem europäischen Zentralverwahrer? Gilt dann T+2 oder T+1? Oder wie ist mit American Depositary Receipts (ADRs) umzugehen? Sie unterliegen T+2-Settlement, ihr Herz wird zukünftig aber im neuen T+1-Rhythmus schlagen, was zu einem zeitlichen Versatz führt. Bei beiden Szenarien erwartet die Industrie Klarstellung vom Regulator.
Unabhängig von den noch offenen Fragen sollte das aktuelle Momentum genutzt werden, um Prozesse zu hinterfragen, zu optimieren und zu automatisieren. Das betrifft neben kritischen Punkten wie FX und Funding möglicherweise auch technische Updates. Hier empfiehlt es sich auch, die Möglichkeit eines T+0-Settlements, mindestens aber ein mögliches Nachziehen Europas auf T+1, zu berücksichtigen. Es spricht einiges dafür, dass die Europäer geneigt sein könnten, zur bislang herrschenden Synchronität zwischen den beiden Kontinenten zurückzukehren.