Pensionskassen lernen Aktionärsrechte

Schweizer Altersvorsorgeanbieter sollen ihre Stimmrechte stärker ausüben

Pensionskassen lernen Aktionärsrechte

Von Daniel Zulauf, ZürichDie Schweizer Pensionskassen haben im vergangenen Jahr durchschnittlich 7,2% Rendite erwirtschaftet. Das gute Ergebnis ist zu einem nicht unbedeutenden Teil der guten Kursentwicklung der Schweizer Aktien zuzuschreiben. Doch die anstehende Umsetzung der “Minder-Initiative” schmälert die Freude der Pensionsverwalter an den heimischen Dividendenwerten. Die auch “Abzocker-Initiative” genannte Vereinigung des Schweizer Kleinunternehmers Thomas Minder, die die Schweizer Volksabstimmung gegen überzogene Managergehälter zur Folge hatte, knöpft sich auch die Altersvorsorgeeinrichtungen vor. “Die Pensionskassen stimmen im Interesse der Versicherten ab und legen offen, wie sie gestimmt haben”, heißt es im Text der Initiative, der den Aktionären mehr Rechte und primär mehr Einfluss in der Vergütungspolitik geben will.Gespannt erwartet nun die Schweizer Vorsorgebranche, wie der Gesetzgeber den Passus des Stimmenzwangs interpretiert und wie er ihn in den schon Ende Mai erwarteten Gesetzentwurf einbauen wird. Vor einem allumfassenden Stimmzwang warnte Hanspeter Konrad, Präsident des Pensionskassenverbandes, schon lange vor der Abzocker-Abstimmung am 3. März. Bei einem großen Branchentreffen vor einigen Tagen in Zürich wurde unterdessen deutlich, dass viele Kassen den bewussten Umgang mit den Aktionärsrechten sowie die Transparenz gegenüber den Pensionsberechtigten erst noch lernen müssen. “Musterkasse” BVK ZürichDas merkt auch Thomas Schönbächler, der mit der Beamtenversicherungskasse des Kantons Zürich (BVK) eine der landesweit größten Vorsorgeinstitutionen mit einem Vermögen von 25 Mrd. sfr (20,1 Mrd. Euro) leitet. Die BVK Zürich war nach einem Korruptionsskandal um den ehemaligen Anlagechef zu einer “Musterkasse” mutiert. Bereits seit 2009 veröffentlicht sie ihre Abstimmungsempfehlungen zu den 20 größten börsennotierten Firmen der Schweiz schon vor den Generalversammlungen. Die Ausübung der Stimmrechte obliegt dem Anlagekomitee. Dessen Mitglieder sind angehalten, sich eine eigene und unabhängige Meinung zu bilden. So will die Kasse ihrer ethischen, ökologischen und sozialpolitischen Verantwortung gerecht werden.”Seit der Abstimmung spüren wir ein großes Interesse von anderen Pensionskassen an unserem Modell”, sagt Schönbächler. Die frühzeitige Offenlegung der Abstimmungspositionen provoziere erstaunlich wenig negative Reaktionen. “Ich hatte 2009 mit viel mehr Wirbel gerechnet.” Medial seien die Wogen nur einmal hochgegangen – im Frühling 2010, als man sich gegen die Entlastung des UBS-Verwaltungsrates ausgesprochen habe. Die Transparenz ist nach Schönbächlers Meinung ein zentraler Grund für die hohe Akzeptanz des Systems.Dieter Stohler, Leiter der größten Kasse im Land, der Beamtenkasse des Bundes Publica, verfolgte bislang einen restriktiven Kurs. Zwar nimmt die Kasse ihre Stimmrechte bei den Schweizer Firmen wahr, aber die Abstimmungsentscheidungen bleiben geheim. “Mir schwebt vor, dass wir unser Stimmverhalten künftig im Einzelfall aber jeweils nach der Generalversammlung publik machen”, sagt Stohler. “Mit einer Publikation vor der Generalversammlung setzt sich die Kasse der Gefahr aus, von Interessengruppen instrumentalisiert zu werden.” Zusätzliche KostenWährend bei großen öffentlich-rechtlichen Kassen solche Fragestellungen ein erhebliches Gewicht haben, dominieren in den kleineren privatrechtlichen Kassen oft die Kostenaspekte. Viele hoffen, dass ihnen die Gesetzesverordnung möglichst große Freiheiten für einen kosteneffizienten Umgang mit der “lästigen Aktionärspflicht” lässt. Viele möchten ihre Stimmrechte vollständig an Stimmrechtsberater delegieren können. Ein solches Verhalten ist nicht unproblematisch, weil es die Macht der Berater vergrößert.Relevant wird der Kostenaspekt aber auch für große Kassen, wenn es darum geht, die Stimmrechte bei kleineren Firmen auszuüben und transparent darzustellen. Nach Schönbächlers Rechnung würden die entsprechenden Kosten der BVK Zürich um 850% zunehmen, wenn seine Kasse den für die 20 SMI-Werte geltenden Stimmausübungsprozess auf alle Schweizer Aktien ausdehnte. Zusammen mit den Pensionskassen hofft deshalb der ganze Finanzplatz auf eine gesetzgeberische Umsetzung des Stimmzwanges mit Augenmaß. Ein rigider Ansatz könnte die Pensionskassen als Aktionäre aus kleineren Schweizer Börsenfirmen vertreiben, wird gewarnt. Das ist aber sicherlich nicht die Absicht des Initiativ-Vaters Minder gewesen.