Pensionskassen robben an nachhaltige Geldanlage heran
Das Thema Nachhaltigkeit rückt immer stärker in den Fokus von Pensionseinrichtungen. Dennoch ist das Engagement in Deutschland noch unterentwickelt, sagt Olaf John von Insight Investment. Der Druck von Politik und Regulatoren wird jedoch steigen. Die Bayerische Versorgungskammer BVK sieht sich in Sachen Nachhaltigkeit als Vorreiter unter den Altersversorgern.Von Christiane Lang, FrankfurtNachhaltiges Wirtschaften und Investieren ist eines der wichtigsten Zukunftsthemen in der Finanzwirtschaft. Auf lange Sicht sind Nachhaltigkeitsaspekte ein bedeutender Faktor in der Risikobetrachtung. Langfristige Investoren wie Pensionskassen sind daher dafür prädestiniert, ESG-Kriterien (Environmental, Social, Governance) in ihrer Kapitalanlage zu berücksichtigen. Das Thema wird in der Branche immer wichtiger. In einer Umfrage der Fondsgesellschaft Amundi unter 161 europäischen Pensionseinrichtungen erklärten 61 %, sie planten, in den kommenden drei Jahren ihren Anteil an ESG-Anlagen auszuweiten.In Deutschland sei das Bewusstsein für dieses Thema im Vergleich zu Schweden, den Niederlanden oder Frankreich allerdings noch unterentwickelt, betont indes Olaf John, Head of Business Development, Europe, bei Insight Investment. Den Hauptgrund für die geringen Fortschritte sieht John in der oft kurzfristig ausgerichteten Performance- sowie Reportingbetrachtung und der Fokussierung vor allem auf kurzfristige finanzielle Risikokennzahlen. Dies bringe nachhaltige Investoren in einen Zielkonflikt. Mögliche kurzfristige Performancenachteile, die wegen der kurzfristigen Rechnungslegungsvorschriften im Fokus stehen, verdeckten damit langfristig zu erwartende Risiken. Hohes ReputationsrisikoDennoch, so John, sei das Reputationsrisiko einfach zu groß, um sich dem Thema zu entziehen. Das Reputations- und das Marktrisiko sind denn auch der von den von Amundi befragten Pensionseinrichtungen meistgenannte Grund für ein ESG-Engagement (siehe Grafik). ESG müsse heute Bestandteil eines effizienten Risikomanagements sein, so John weiter. Er räumt aber auch ein, dass es ohne politisches Eingreifen nicht geht: “Solange man Geld mit Umweltverschmutzung verdienen kann, wird es das geben. Hier sehe ich Regulierungsbedarf. Selbstregulierung ist nicht zielführend.”Mit Spannung erwartet wird der für Anfang dieses Jahres avisierte finale Bericht der von der EU-Kommission beauftragten High Level Expert Group (HLEG). Diese soll Standards für nachhaltiges Investieren erarbeiten. In ihren frühen Empfehlungen vom vergangenen Sommer hat die Gruppe das Dilemma zwischen kurzfristigem Reporting und langfristigen Nachhaltigkeitszielen bereits aufgegriffen und die Veränderung von Bilanzregeln vorgeschlagen.John erwartet von der HLEG vor allem Maßnahmen zum Klimaschutz. Er rechnet damit, dass Frankreich, das sich sehr auf den CO2-Fußabdruck fokussiert hat, als Vorbild dient. Er bemängelt, dass dabei andere nachhaltige Aspekte wie Arbeitsbedingungen und Unternehmensführung zu wenig Beachtung finden.Insgesamt sind nach Ansicht von John klare Vorgaben aber wichtig, um Planungssicherheit zu schaffen. Jedoch bestehe die Gefahr der Überregulierung verbunden mit hohen Kosten und Bürokratie, die kleineren institutionellen Anlegern die Luft nehmen könne. Der Insight-Manager glaubt, dass eine durch Regulierung verursachte Konsolidierung bei Pensionseinrichtungen billigend in Kauf genommen wird. Ein Beispiel seien die Niederlande: Habe es 1997 noch über 1 000 Pensionseinrichtungen gegeben, seien es heute nur noch etwas mehr als 200. Vorgaben bisher rudimentärDie derzeitigen Vorgaben für ESG für Pensionseinrichtungen sind in Deutschland noch rudimentär. Zwar wurden schon 2005 mit der 7. VAG-Novelle Pensionsfonds verpflichtet, die Versorgungsberechtigten grundsätzlich schriftlich darüber zu informieren, ob und wie ethische, soziale und ökologische Belange bei der Verwendung der eingezahlten Beiträge berücksichtigt werden. Weitere Vorschriften gab es bislang nicht.Mit der Anfang 2017 in Kraft getretenen Richtlinie über die Tätigkeiten und die Beaufsichtigung von Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung (EbAV II), die bis Januar 2019 in nationales Recht umgesetzt werden muss, ist eine Erklärung zu ESG erforderlich sowie die Berücksichtigung langfristiger Auswirkungen von ESG-Faktoren in der Anlagepolitik. Die EbAV-II-Richtlinie gilt in Deutschland für Pensionskassen und Pensionsfonds.Als Vorreiter unter den deutschen Altersversorgern sieht sich die Bayerische Versorgungskammer (BVK), die größte öffentlich-rechtliche Versicherungsgruppe, die zwölf berufsständische und kommunale Versorgungswerke führt und Kapitalanlagen von über 80 Mrd. Euro verwaltet. So hat die BVK 2011 eigenen Angaben zufolge als erster deutscher Altersversorger die UN-Standards Principles for Responsible Investment (PRI) unterzeichnet.Die Motivation, sich mit dem Thema Nachhaltigkeit zu beschäftigen, entstand laut Andreas Hallermeier, Nachhaltigkeitsreferent der BVK, nach der Finanzkrise in dem Bedürfnis, Verantwortung zu übernehmen und zu hinterfragen, wo die investierten Gelder hingehen und was mit den Mitteln finanziert wird.Die BVK hat sich für den Engagement-Ansatz entschieden, also die Einflussnahme auf Unternehmen über die Ausübung von Stimmrechten. “Negativlisten und Best-in-Class-Ansätze hat die Versorgungskammer ausgeschlossen”, erläutert Hallermeier. Beide Konzepte hätten systematische Schwächen. Der gewählte Ansatz stehe aber im Einklang mit dem Grundprinzip der BVK, die Kapitalanlage breit zu streuen.Die Einschränkung des Anlageuniversums durch Negativlisten, bei denen Unternehmen ausgeschlossen werden, und durch Best-in-Class-Ansätze, bei denen aus jeder Branche diejenigen Unternehmen ausgewählt werden, die innerhalb ihrer Gruppe die besten Nachhaltigkeitsleistungen erbringen, kann für große Investoren problematisch sein. Hinzu kommen Performance-Nachteile, wenn die Kurse gemiedener Unternehmen steigen. Mit dem Engagement-Ansatz dagegen werden per se keine Unternehmen ausgeschlossen. Damit bleibt das Anlageuniversum unbeschränkt und Performancenachteile durch den Ausschluss von Unternehmen werden vermieden.”Der Charme des Engagement-Ansatzes liegt nicht nur darin, dass wir glauben, dass man letztlich nur dadurch wirklich etwas für mehr Nachhaltigkeit in den Unternehmen bewirken kann”, erläutert Hallermeier. “Zudem erfüllen wir hiermit auch unseren Versorgungsauftrag. Denn man darf nicht vergessen: Unser Auftrag ist es primär, Rendite zu erzielen. Das steht für unsere Gremienmitglieder, die Versicherten und die Leistungsempfänger an erster Stelle. Nachhaltigkeit ist daher bei der Assetmanager-Selektion nur ein Kriterium von vielen. Wenn allerdings zwei gleich starke Manager identifiziert werden, hat die ,grüne` Strategie einen Vorteil.”Hallermeier betont aber auch, dass in Zukunft nur die Berücksichtigung der ESG-Kriterien in der Kapitalanlage und in der Analyse von Investitionsentscheidungen die Erwirtschaftung von Rendite ermöglicht. Es gehe darum, alle Risiken, die mit einer Anlageentscheidung verbunden sind, einzubeziehen, auch die nichtfinanziellen.Die BVK, die für fast alle Assetklassen – Ausnahmen sind Renten, deutsche Immobilien und einfach strukturierte Produkte – Mandate an externe Assetmanager vergibt, hat die Wahrnehmung ihrer Stimmrechte an die Bank of Montreal delegiert. Diese erstellt nach Befragung der Investoren eine Jahresagenda. Für die BVK hat laut Hallermeier unter anderem das Thema Bonuskultur gerade mit Blick auf die Finanzkrise große Bedeutung. Insgesamt hält er den Governance-Aspekt für einen zentralen Aspekt. Diese sei in der Regel Ausgangspunkt für schädliches Verhalten auf allen Ebenen.Auf Hauptversammlungen können aber nur Anteilseigner ihre Stimme ausüben. Allerdings, sagt John von Insight Investment, erfahre die nachhaltige Geldanlage viel Aufmerksamkeit, so dass auch Anleiheinvestoren Druck ausüben könnten.”Auch Insight als Anleihemanager hat bei Unternehmen bereits Veränderungen durchsetzen können, weil das Reputationsrisiko für die Firmen inzwischen zu groß ist”, so John. “Wenn immer mehr Bondinvestoren sich weigern, Unternehmen Geld zu geben, hat das letztlich Auswirkungen auf die Finanzierungskosten der Unternehmen.” Assetmanager noch zögerlichDie Fondsbranche agiert nach Ansicht von Hallermeier noch zurückhaltend. “Die Branche würde ich in diesem Aspekt durchaus mit der Autoindustrie vergleichen: Noch wird das Thema Nachhaltigkeit nicht richtig ernst genommen, man wartet lieber noch ein bisschen ab”, sagt der BVK-Nachhaltigkeitsreferent. Viele Vermögensverwalter postulierten nach außen, dass die nachhaltige Geldanlage für sie wichtig sei. Tatsächlich böten sie aber nur einzelne Produkte zu diesem Thema an.Strengere Anforderungen des Regulierers und des Gesetzgebers würden die Entwicklung zwar vorantreiben. Zu genau sollten die Vorgaben laut Hallermeier aber auch nicht sein, habe doch jeder Investor andere Bedürfnisse. “Sollten dennoch strenge Vorgaben kommen, weil der Gesetzgeber oder Regulator vergeblich auf freiwillige Maßnahmen gewartet hat, braucht sich die Branche nicht zu wundern”, sagt er.—-Zuletzt erschienen: – Nachhaltigkeitsberichte zahlen sich aus (20. Januar)- Den Dschungel der nachhaltigen Fonds lichten (18. Januar)