Pfandbrief-Emissionen gestern, heute und morgen
Es gibt wohl kaum ein anderes Produkt, das sich seit 250 Jahren bewährt, dabei kaum verändert hat und heute trotzdem noch so gefragt ist wie 1769: Der Pfandbrief weist eine Erfolgsgeschichte auf, die ihresgleichen sucht. Was damals die durch den Siebenjährigen Krieg schwer getroffene Landwirtschaft wiederbeleben sollte, steht in der Finanzwirtschaft heute mehr denn je für Qualität, Stabilität und Verlässlichkeit. Was hat sich in all den Jahren wirklich verändert? Zeit für einen Rückblick auf die letzten 50 sowie einen Ausblick auf die nächsten 50 Jahre. Strenge einheitliche RegelnNach wie vor spricht für den Kauf von Pfandbriefen vor allem eines: Sicherheit. Jedem Hypothekenpfandbrief steht eine reale Deckungsmasse von grundpfandrechtlich gesicherten Immobiliendarlehen gegenüber. Dabei dürfen lediglich 60 % des Beleihungswertes einer Immobilie durch die Ausgabe von Hypothekenpfandbriefen refinanziert werden. Die Ermittlung des Beleihungswertes erfolgt mittels strenger einheitlicher Regeln, der Wert des Deckungsstocks bleibt demnach auch bei veränderter Marktpreisentwicklung stabil. Die Aufsicht führt dazu regelmäßig Deckungsstockprüfungen durch und überwacht die Einhaltung dieser Regeln streng. Zudem sieht das Pfandbriefgesetz eine mindestens zweiprozentige Überdeckung vor – Ratingagenturen verlangen oftmals sogar eine höhere Übersicherung. Im Falle einer Insolvenz des Emittenten trägt ein Sachwalter dafür Sorge, dass die Pfandbriefgläubiger ordnungsgemäß bedient werden.Die makellose Emissionshistorie des Pfandbriefs – bis heute ist kein einziger Pfandbrief ausgefallen – hat seinen guten Ruf bei Investoren nachhaltig geprägt und hebt sich damit deutlich von ähnlichen europäischen Konstrukten ab.Im Jahr 2018 hat die Deutsche Hypo Pfandbriefe in Höhe von 1,7 Mrd. Euro emittiert, vor 50 Jahren waren es 194 Mill. DM. Dieser Vergleich zeigt schon: Wenngleich sich das Produkt Pfandbrief seitdem kaum verändert hat, haben die Rahmenbedingungen dafür einen umso stärkeren Wandel erlebt. Vor 50 Jahren wurden Darlehen in der Regel eins zu eins durch Pfandbriefe refinanziert. Laufzeiten von bis zu 30 Jahren – analog zur Darlehenslaufzeit – waren keine Seltenheit. Die Platzierung der Pfandbriefe bei Investoren vollzog sich überwiegend im telefonischen, außerbörslichen Rentenmarkt, zumeist über Intermediäre, das heißt über Handelsadressen, und seltener durch direkte Ansprache von institutionellen Investoren wie zum Beispiel Versicherungen.Daneben betrieb die Deutsche Hypo – wie die meisten klassischen Hypothekenbanken – bis in die achtziger Jahre des vorigen Jahrhunderts auch Privatkundengeschäft und verkaufte ihre Emissionen auch im Tafelgeschäft, das heißt als effektive Stücke. In den letzten Jahrzehnten haben sich immer wieder Personen gemeldet, die bei Haushaltsauflösungen noch Pfandbriefe gefunden haben. Bis heute sind Pfandbriefe der Deutschen Hypo in Höhe von etwa 150 000 Euro im Umlauf, die bislang nicht zur Rückzahlung vorgelegt wurden.Über einen Zeitraum von rund 220 Jahren hat sich das Verfahren der Pfandbriefemission im Prinzip kaum verändert. Erst mit dem Siegeszug der Computertechnologie hat sich der bis heute andauernde Wandel endgültig in Bewegung gesetzt. Digitalisierung bringt WandelHeutzutage ist die Computertechnologie nicht mehr wegzudenken. Durch die rasante technologische Weiterentwicklung in den vorigen Jahrzehnten hat sich der Markt enorm professionalisiert. Das Pfandbriefgeschäft ist insgesamt deutlich komplexer geworden, aber auch flexibler. Gleichzeitig werden Emissionen durch Marketsoundings und viele Gespräche deutlich intensiver vorbereitet als noch vor 50 Jahren.Insgesamt steht trotz oder vielleicht vor allem wegen der fortschreitenden Digitalisierung der persönliche Kontakt zwischen Emittenten und Investoren mehr denn je im Fokus. Investitionsentscheidungen hängen heutzutage vor allem davon ab, wie sich Emittenten präsentieren und ob sie ein nachhaltiges Geschäftsmodell haben. So sind Roadshow-Aktivitäten und die Teilnahme an Investorenkonferenzen zentrale Erfolgsfaktoren für Emittenten.Trotz dieser Weiterentwicklung, ist das Produkt im Kern noch dasselbe wie 1769: Durch die gesetzlichen Grundlagen, die Regelungen zur Beleihungswertermittlung sowie die staatliche Aufsicht steht der Pfandbrief heute genauso wie vor 250 Jahren für Qualität. Nichtsdestotrotz entwickelt sich das Produkt regelmäßig weiter, um den sich verändernden Rahmenbedingungen Rechnung zu tragen. Ein gutes Beispiel hierfür ist der grüne Pfandbrief.Die Deutsche Hypo hat Ende 2017 ihren ersten grünen Pfandbrief emittiert. Nicht zuletzt die große Nachfrage der Investoren zeigt, dass die Verbindung des Qualitätsprodukts Pfandbrief mit der Finanzierung energieeffizienter Immobilien ein Erfolgsmodell ist. Am Markt vollzieht sich ein nachhaltiger Wandel, der durch ein stärkeres Bewusstsein für unsere Umwelt, aber auch durch rechtliche Vorgaben getrieben wird. Auf diese Entwicklung wurde mit dem grünen Pfandbrief reagiert. Somit konnten wichtige Impulse für nachhaltiges Wirtschaften und Bauen gesetzt werden. Blick in die ZukunftRichtet man den Blick nun in die Zukunft, stellt sich die Frage, wie Pfandbriefe in 50 Jahren emittiert werden. Dabei spielt vor allem die Digitalisierung eine entscheidende Rolle. So werden neue Technologien zum Beispiel den Bereich Investor Relations nachhaltig verändern. Durch den Einsatz neuer Kommunikationskanäle und -formate wird die Geschwindigkeit der Berichterstattung steigen. Gleichzeitig können auch Dokumentationen wie Emissionsprospekte oder Emissionsbedingungen digitalisiert werden, so dass diese Unterlagen in der Folge durch Algorithmen und IT-Systeme maschinell verarbeitet und analysiert werden können. Dies wird den persönlichen Kontakt zu Investoren nie vollständig ersetzen, die Art der Zusammenarbeit wird sich aber ändern.Das gilt zum Beispiel auch für Roadshow-Aktivitäten, bei denen der Einsatz von Web-Präsentationen oder Online-Meetings zukünftig eine größere Bedeutung zukommen wird. Aber vielleicht wird man in Zukunft auch auf ganz anderen Wegen miteinander kommunizieren: Hat man sich vor 50 Jahren noch “von dir” und “an dich” auf dem Parketthandel zugerufen, könnte dies irgendwann über Chatbots erfolgen. Durch die enormen Fortschritte bei der Entwicklung Künstlicher Intelligenz (KI) ist es durchaus denkbar, dass ein Großteil der Interaktion bald über textbasierte Dialogsysteme läuft. Stichwort Sharing EconomyWir sehen schon heute, dass die kollaborative Zusammenarbeit auch im Finanzbereich immer stärker zunimmt. Unter dem Stichwort “Sharing Economy” verfolgen bereits viele Unternehmen die Idee, Informationen, Dienstleistungen oder Waren öffentlich zur Verfügung zu stellen und gemeinschaftlich zu nutzen. Prominente Beispiele hierfür sind Airbnb oder Uber. Dieses Konzept ist auch auf dem Primärmarkt denkbar. Zukünftig werden Fintechs stärker die Schnittstelle zwischen Banken und Investoren besetzen, so dass Neuemissionen über Online-Plattformen gehandelt werden können. Im Sekundärmarkt ist dieses Verfahren bereits etabliert. Wie aktuelle Transaktionen im Schuldscheinbereich schon zeigen, werden auch neue Technologien wie Blockchain eine Rolle spielen, durch die Prozesse zukünftig transparenter und kostengünstiger werden. Immer wieder neu erfindenEinige der aufgezeigten Entwicklungsmöglichkeiten sind Zukunftsmusik – andere werden heute schon in Teilen genutzt. Klar ist, dass die Technologieentwicklung noch lange nicht abgeschlossen ist. Vielmehr stehen wir noch ganz am Anfang. Um die Erfolgsgeschichte fortschreiben zu können, ist es wichtig, weiterhin auf Verlässlichkeit und Qualität zu setzen und sich dabei trotzdem den aktuellen Rahmenbedingungen anzupassen.So ist es beispielsweise dringend erforderlich, im Zuge der zunehmenden Diskrepanz von Marktwerten und Beleihungswerten über eine Anpassung der Beleihungswertverordnung zu diskutieren, damit zukünftig keine falschen Steuerungsimpulse für Pfandbriefemissionen gesetzt werden. Und auch im Hinblick auf die Grüner-Pfandbrief-Initiativen gibt es noch Potenziale zu heben. Das Thema Nachhaltigkeit führt zu einem Umdenken in unserer Branche und definiert bisher geltende Standards neu. Der Pfandbrief muss sich diesen Entwicklungen flexibel anpassen und sich in dem vorgegebenen Rahmen immer wieder neu erfinden – dann steht den nächsten erfolgreichen 250 Jahren nichts im Wege. Sabine Barthauer, Vorstandsmitglied der Deutschen Hypo