Pfandbriefgeschäft fit für die Zukunft machen

Prozesse schlanker gestalten und Kosten einsparen - DSGV verfolgt die Optimierung mit dem Lean-Finance-Prinzip

Pfandbriefgeschäft fit für die Zukunft machen

Die aktuelle Lage ist bekannt: Digitalisierung, Niedrigzinsphase, veränderte Kundenbedürfnisse, zunehmende Fusionen und die Konkurrenz der Fintechs fordern Kreditinstitute und insbesondere Sparkassen. Um in diesem Umfeld konkurrenzfähig zu bleiben, müssen Prozesse verschlankt und Kosten eingespart werden – nicht nur im Vertrieb, sondern auch im Backoffice. In diesem Kontext sollte auch das margenschwache Pfandbriefgeschäft in den Blick genommen werden.Im Sparkassensektor nutzen 40 Institute ihre Immobilienkompetenz in der Region und emittieren Hypothekenpfandbriefe. Weitere Häuser denken über den Einstieg in das Pfandbriefgeschäft nach. Der Anteil der Sparkassen an der Finanzierung von Immobilien beträgt mehr als 200 Mrd. Euro, die zur Deckung von Pfandbriefen dienen können. Wird ein Standardverfahren zur Effizienzsteigerung im Pfandbriefgeschäft für Sparkassen entwickelt, ergeben sich bei insgesamt 385 Sparkassen in Deutschland große Synergieeffekte.Werden die Zinsen wie erwartet in den nächsten Jahren steigen, kommen Refinanzierungsoptionen wie der Pfandbrief auch wieder stärker in den Blickwinkel anderer Kreditinstitute. Sparkassen, die ihre Prozesse bei den Pfandbriefen optimiert haben, können dann auf einem klaren Wettbewerbsvorteil aufbauen.Seit 2013 unterstützt das zentrale Pfandbriefbüro des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands (DSGV) seine Mitglieder bei der Pfandbriefrefinanzierung. Das Büro unter der Leitung von Jürgen Robbes startete eine Initiative, um die Optimierung von Prozessen in IT und Organisation rund um das Pfandbriefgeschäft strategischer anzugehen. Eine Gruppe von Sparkassen wurde für ein Pilotprojekt ausgewählt, bei dem ein Standardvorgehen entwickelt und getestet wird. Emporias unterstützt die Arbeitsgruppe des DSGV darin, eindeutige Standards für Prozesse festzulegen, eine Steuerung über Kennzahlen zu etablieren und einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess aufzusetzen.Robbes sieht in der Sparkassengruppe signifikantes Potenzial. Konsistente IT-Prozesse auf Grundlage von akzeptierten Standards sind aus Sicht des Pfandbriefexperten der Schlüssel zum Erfolg, um großes Effizienzpotenzial zu heben. Auch eine Studie von Emporias unter Sparkassenmanagern offenbart dieses Potenzial: Nur 5 % der Befragten bewerten die Prozessqualität im eigenen Haus aktuell als sehr gut.Die Optimierung der Prozesse wird beim DSGV mit dem “Lean-Finance-Prinzip” verfolgt, das zwei Komponenten beinhaltet. Erstens werden Prozesse nach Vorbild der industriellen Produktion standardisiert und verschlankt, um Kosten zu senken und die Effizienz zu steigern. Zweitens werden die Institute zu selbstlernenden, sich stetig weiterentwickelnden, flexiblen Organisationen transformiert. Die Banken werden agil, Teams erhalten mehr Eigenverantwortung, Ideen werden schneller umgesetzt.Bevor die Prozesse im Pfandbriefgeschäft standardisiert und optimiert werden können, müssen sie jedoch erst einmal freigelegt und neu sortiert werden. Laut der Lean-Finance-Studie fehlt mehr als ein Drittel aller Bankmanager der Durchblick in den Prozessen ihrer Organisation. Bei den Sparkassen sind es sogar 80 %, denn hier sind die Strukturen häufig historisch gewachsen. So verwundert es auch nicht, dass sich eine große Mehrheit von 91 % der Sparkassenmanager mehr Transparenz wünscht. Die meisten von ihnen wissen aber nicht so recht, wie sie diese Transparenz herstellen sollen – so sehen es 77 % als große Herausforderung an, einen Überblick über alle Abläufe herzustellen.In den Prozessen rund um Pfandbriefe laufen noch viele Tätigkeiten manuell ab. Sie sind dadurch fehleranfällig und wenig effizient. Ein Beispiel: Vor der Vergabe eines Immobilienkredits an Privatkunden prüfen Analysten die Kapitaldienstfähigkeit. Wird ein Bündel dieser Immobilienkredite dann als Pfandbrief herausgegeben, müssen erneut die Qualität der Immobilie sowie die Kreditwürdigkeit des Darlehensnehmers betrachtet werden. Dafür werden oft manuell Lagepläne, Fotos und Dokumente herangezogen.Manuelle Prozesse einfach zu automatisieren und zu digitalisieren, erscheint sinnvoll und logisch. Doch dieser Schritt darf nicht vor dem ersten gemacht werden, denn: Ein fehlerhafter automatisierter Prozess bleibt ineffizient. Es muss also zunächst Licht ins Dunkel gebracht werden. Dafür führt kein Weg an der Erstellung einer Übersicht vorbei, die mögliche Fehlerquellen für jeden Prozess genau lokalisiert. Datenqualität ist fast immer ein Problem. Der Lageplan ist unleserlich, die Fotos der Immobilie sind verwackelt. Manchmal ist schlicht nicht klar, welcher Mitarbeiter zu welchem Zeitpunkt welche Daten in welchem Format zuliefern muss. Daher fehlen häufig wichtige Daten oder sind unvollständig. Das führt zu unnötigen Rückfragen, die reduziert werden sollten.Bei der Bestandsaufnahme sollte auch gleich das Thema Kosten mit bearbeitet werden. Weniger als 20 % der Sparkassen sind uneingeschränkt in der Lage, zu einem Produkt oder einer Produktgruppe die vollständigen anfallenden Aufwände darzulegen. Um Prozesse nach ihrem Einsparpotenzial priorisieren zu können, ist eine vollständige Übersicht der jeweils anfallenden Kosten und Aufwände unabdingbar.Im zweiten Schritt gilt es, eine konkrete Struktur festzulegen, die aufzeigt, wie die im ersten Schritt transparent gewordenen Prozesse standardisiert werden sollen. Wer muss welches Dokument in welchem Format an wen auf welchem Wege zu welchem Zeitpunkt liefern? Wie laufen Prozesse – auch aus Kostensicht – optimal ab? Hier hilft erneut ein Blick auf die Industrie, die Effizienzsteigerungspotenziale am konsequentesten hebt.Erfahrungen aus der Industrie zeigen, dass ein schlanker Prozess durch folgende Merkmale geprägt sein sollte:- Störungsfreie Bearbeitung- Eindeutige Verantwortung an den Schnittstellen mit klaren Übergaben und Eskalationsregeln- Effizienz und Geschwindigkeit über hohe Qualität und kaum Rückfragen- Geringe Verschwendungs- und Blindleistungsanteile- Kundenorientierung- Klare Standards in der BearbeitungMit dieser Grundlage kann eine ganzheitliche und transparente IT-Strategie verfolgt und der Lean-Pfandbrief als digitaler Standard gefestigt werden. Der Ausbau von Steuerungsoptionen führt zu einer besseren IT-Unterstützung für das gesamte Pfandbriefmanagement. Die IT-Strategie für Pfandbriefe wird modelliert, abgestimmt und in der Organisation der Pilot-Sparkassen umgesetzt. In den Piloten werden Standards zur Unterlageneinreichung erarbeitet und dann mit Vorgabezeiten zu weiteren Prozessschritten ergänzt. Die Pilot-Sparkassen wollen ihre Ergebnisse in eine Datenbank einspielen, um darüber auch ein Benchmarking zu ermöglichen – eine Verbesserung auf Basis vergleichender Performance-Ergebnisse.Wie das Cockpit in einem Auto zeigt ein Steuerungscockpit den Kreditinstituten laufend, wie schnell und wie weit sie auf dem Weg zur effizienten Organisation sind. Es liefert eine Übersicht darüber, wie die Abläufe in einem bestimmten Zeitraum funktionierten, wie effizient die Prozesse ablaufen, und liefert im Idealfall auch die Ursachen für langsamen Fortschritt, Stagnation oder gar negative Entwicklungen. Das vom DSGV anvisierte intelligente Tool orientiert sich an dem von Emporias entwickelten “Produktionscockpit”. Es erfasst alle wirklich relevanten Kennzahlen in Echtzeit, zeigt ihre Abhängigkeiten untereinander auf, weist auf Verbesserungspotenziale hin und prognostiziert Entwicklungen, wenn sich Marktfaktoren ändern. Wenn erst einmal im ersten Schritt die Transparenz hergestellt wurde und klar ist, wie das Optimum aussehen soll, können Abweichungen im Cockpit erkannt werden. Im Pfandbriefprozess der Sparkassen soll dies auch anhand einer “Qualitätsampel” visualisiert werden, die Mängel anschaulich darstellt. Das Steuerungscockpit ist eine dauerhafte Lösung, die weit über die Pilotphase hinaus mitläuft und stetig optimiert wird.Der in der Prozessoptimierung verfolgte Lean-Finance-Ansatz sollte auf die gesamte Organisation übertragen werden. Veränderungsprozesse müssen stetig agil angepasst und weiterentwickelt werden. Dazu muss ein kontinuierlicher Verbesserungs-prozess (KVP) implementiert werden, in dem das Institut zur selbstlernenden Organisation wird. Fachliche Aspekte werden dynamisch im Prozess verankert und gleichermaßen agil in der IT für Pfandbriefe abgebildet.Wie so oft bei Veränderungsprozessen sind die Mitarbeiter entscheidend. Stoßen die Maßnahmen bei ihnen auf Verständnis und Akzeptanz, dann – und nur dann – kann das Projekt “schlanker Pfandbrief” gelingen. Sie müssen mit an Bord geholt und informiert werden. Zugleich sind sie besonders nahe an den Prozessen im Arbeitsalltag dran und können mit ihren Vorschlägen zur Optimierung beitragen. Sich zu hinterfragen und zu prüfen, wie ein Arbeitsschritt optimiert werden kann, ist ein Grundprinzip für Verbesserungen. Dieser Gedanke ist nicht grundsätzlich neu, denn Verbesserungsideen gab es schon immer in den Häusern. Zum einen ist aber ein Rahmen für die Adressierung dieser Ideen erforderlich, zum anderen eine zeitnahe Umsetzung im Sinne einer agilen, flexiblen Organisation, die sich identifizierte Potenziale umgehend zunutze macht. Lean-Pfandbrief als ErgebnisDer Lean-Pfandbrief und die damit erreichte Transparenz im Gesamtprozess ermöglichen es, Mitarbeitern eindeutige Aufgaben sowie Verantwortungen zu übertragen. Alle gemeinsam legen Inhalte im verabredeten Auditverfahren fest. Damit wiederum wird ein Benchmarking bestimmter Kennzahlen unterstützt. Drei sehr konkrete Ergebnisse können erreicht werden:1. Prozesseffizienz durch agile Qualitätsstandards 2. IT-Unterstützung für das gesamte Pfandbriefmanagement durch Ausbau von Steuerungsoptionen3. Mitarbeitermotivation durch stetige Verbesserung und QualifikationIn den Pilot-Sparkassen wird ein Mustervorgehen erarbeitet, von dem am Ende mindestens 40 Häuser profitieren werden. Sie haben damit nicht nur ein effizientes Pfandbriefgeschäft, sondern auch eine neue Unternehmenskultur, mit der sie auch in anderen Bereichen laufend besser werden.—-Florian Hartmann, Geschäftsführer bei Emporias