Plädoyer für die Abgeltungsteuer

Auslandsbanken warnen vor hohen Umstellungskosten - Lob für Investmentsteuerreform

Plädoyer für die Abgeltungsteuer

Die Auslandsbanken halten nichts von den Wahlkampfparolen von CDU und SPD gegen die Abgeltungsteuer. Im Gegenzug sind sie mit der Investmentsteuerreform der noch amtierenden Regierung sehr zufrieden.Von Silke Stoltenberg, FrankfurtDer Verband der Auslandsbanken in Deutschland (VAB) warnt davor, die Abgeltungsteuer abzuschaffen, was sich etwa CDU/CSU und SPD als Ziel ins Wahlprogramm geschrieben haben. Es sei dadurch nicht mit einem höheren Steueraufkommen zu rechnen, aber stattdessen mit höheren Bürokratiekosten und einem erneuten Rückschlag für den Kapitalmarkt bei einem abermaligen Steuerregimewechsel, so Oliver Wagner, Geschäftsführer, und Markus Erb, Direktor Steuern und Betriebswirtschaft. Demgegenüber blicken die Verbandsvertreter der Investmentsteuerreform, die am 1. Januar 2018 in Kraft tritt, weitestgehend zufrieden entgegen, da die Benachteiligung ausländischer Fonds damit entfällt.Die Debatte um eine Abschaffung der Abgeltungsteuer und eine Wiedereinführung einer Besteuerung der Kapitaleinkünfte auf Basis des persönlichen Satzes bei der Einkommensteuer sind für Erb und Wagner schlichtweg nicht nachvollziehbar, da sie aus ihrer Sicht mit falschen Behauptungen geführt wird. Zuvorderst werde dabei der Abgeltungsteuersatz von 26,4 % inklusive des Solidaritätszuschlags mit dem Spitzensteuersatz von 44,3 % inklusive Zuschlag verglichen und argumentiert, Kapitalerträge würden somit niedriger besteuert als das Arbeitseinkommen. “Faktisch beträgt aber der durchschnittliche Steuersatz der Arbeitnehmer 17 %, und bei den sogenannten Besserverdienenden von 50 000 bis 100 000 Euro sind es auch nur 22 %”, widerspricht Erb. Zudem sei die Abgeltungsteuer ein Bruttosteuersatz: Im Gegensatz zur Einkommensteuer können hierbei keine Werbungskosten geltend gemacht werden. Daher sei der effektive Steuersatz höher.Ohnehin drehe sich die Debatte um gerade mal 1,5 % des Steueraufkommens, die Abgeltungsteuer bringe dem Staat knappe 8 Mrd. Euro ein. Nach Abzug von Freibeträgen und Werbungskosten sei durch eine Wiedereinführung des individuellen Steuersatzes bei der Besteuerung der Kapitaleinkünfte womöglich mit noch niedrigeren Einnahmen zu rechnen, warnen Erb und Wagner. Fragen beim DatenaustauschDie Begründung, mit dem automatisierten, internationalen Informationsaustausch sei die Abgeltungsteuer nicht mehr erforderlich, sticht aus Sicht des VAB ebenso wenig. Dieser Austausch über Steuerdaten müsse erst einmal in die Tat umgesetzt werden. Viele Fragen seien hierbei noch offen, etwa hinsichtlich des Datenschutzes oder des Bankgeheimnisses. Zudem werde die Umsetzung im Ausland länger benötigen als hierzulande, die Datenqualität und der Umfang von dort werde vermutlich die Hoffnungen nicht erfüllen.Drittens sei mit einem hohen administrativen Aufwand zu rechnen, wenn die Abgeltungsteuer abgeschafft werde. Insbesondere bei der Finanzverwaltung sei mit enormen Kosten für neue Systeme und für mehr Personal zu rechnen, wenn die Verantwortung von den Banken zurück in die Finanzämter verlagert würde und die Kreditinstitute als Zahlstelle wegfielen. Es sei mit einer exorbitanten Anzahl an Steuerveranlagungen kleiner Vermögen zu rechnen.Auch bei den Banken sei mit hohen Kosten zu rechnen. Das wiederum schmälere deren Gewinne und verringere somit die Einkünfte aus der Körperschaftsteuer.”Nicht zuletzt wäre es innerhalb von nicht einmal 20 Jahren schon das vierte Mal, dass das Steuerregime bei Kapitaleinkünften grundlegend verändert würde”, moniert Erb. “Dieses Hü und Hott im Steuerregime wäre belastend für den Kapitalmarkt, denn für die Anleger ist eine verlässliche und berechenbare Planung in Sachen Steuern unbedingt notwendig”, ergänzt Wagner. Einerseits wolle die Bundesregierung die Wertpapieranlage fördern, andererseits biete sie aber keinen Vertrauensschutz bei der Steuer. Belastung bei DividendenDie Abschaffung der Abgeltungsteuer hätte zudem zur Folge, dass die Steuerbelastung bei Dividenden auf 63 % steigen würde. Zum Ausgleich müsse ähnlich dem Halbeinkünfteverfahren dann bei der Besteuerung auf Unternehmensebene Abhilfe geschaffen werden.Auch ein viertes Argument für die Abschaffung der Abgeltungsteuer wollen Wagner und Erb nicht gelten lassen. Deren Gegner behaupten, dass in Deutschland die Besteuerung von Dividenden und Zinsen im internationalen Vergleich sehr niedrig sei. In beiden Bereichen liege Deutschland aber im Mittelfeld, zeigten entsprechende Vergleiche.Folgerichtig plädiert das Sprachrohr der Auslandsbanken in Deutschland dafür, an der Abgeltungsteuer festzuhalten und gleichermaßen am jetzigen Satz von 25 %. Stattdessen schlägt der VAB vor, dass das Verfahren vereinfacht werden sollte, dass die Steuerregime bei Kapitaleinkünften auf europäischer Ebene angeglichen werden sollten und dass die steuerliche Ungleichbehandlung von Eigen- und Fremdkapital abgeschafft gehöre. Gut für ausländische FondsDer bevorstehenden Investmentsteuerreform blicken Erb und Wagner dagegen ausgesprochen wohlwollend entgegen. “Die Auslandsfonds sind die Gewinner dabei, denn bislang wurden sie allein besteuert, durch die Reform werden auch die deutschen Fonds miteinbezogen”, zeigt sich Erb zufrieden. Es war eben eines der Ziele der Reform gewesen, die Besteuerung der Fondsanlage euraparechtskonform zu gestalten, denn bislang wurden im Falle deutscher Fonds nur die investierten Anleger besteuert. Immerhin 5 % der Fonds in Deutschland stammen aus dem Ausland (siehe Grafik).”Das bislang geltende Steuerreporting hat die ausländischen Fonds viel Zeit und Geld gekostet, das wird zukünftig entfallen und durch gleiche Regeln für alle Publikumsfonds ersetzt, egal in welchem Land sie aufgelegt werden”, meint Wagner. Die neue Steuer für alle Fonds sei weitaus weniger kompliziert als das, was bislang für die ausländischen Produkte gelte, beteuern beide.Das ist für Außenstehende durchaus erstaunlich, denn die Berechnung der neuen Fondssteuer wirkt eher kompliziert. Dividenden und Immobilieneinkünfte werden ab 1. Januar 2018 in ausländischen wie deutschen Produkten besteuert. Dafür dient ein anspruchsvolles Rechenverfahren, das mit Wertentwicklungen, der Entwicklung des Basiszinssatzes, Vorabpauschalen und Teilfreistellungen je nach Fondsgattungen herumwirbelt. “Mit den Feinheiten der Investmentsteuer und den ganzen Verästelungen kennen sich nur noch eine Handvoll Steuerexperten sowie die großen Kanzleien aus, hier geht es auch um Haftung bei steuerlicher Falschberatung”, räumen auch Wagner und Erb ein.Das neue Steuerregime erklärt der VAB zusammen mit der Beratungsgesellschaft KPMG ab sofort in einer deutsch-englischen Broschüre. Immerhin 24 Fondsgesellschaften ausländischer Provenienz sowie viele der großen Depotbanken, die meist aus dem Ausland stammen, zählen zu den Mitgliedern des Verbands. Als kleinen Spaß gibt es am Ende der umfangreichen Fachschrift einen eng bedruckten Bierdeckel mit der neuen Ausgestaltung der Anlage KAP (Einkünfte aus Kapitalvermögen) zur Steuererklärung – in Erinnerung des vor mehr als einem Jahrzehnt gescheiterten CDU-Steuerreformkonzepts des Ex-Politikers Friedrich Merz und des einstigen Verfassungsrichters Paul Kirchhof.Ganz im Ernst aber finden Wagner und Erb, dass sich das künftige deutsche Investmentsteuersystem mit Blick auf die Regime in anderen Ländern durchaus sehen lassen kann. Natürlich sei nicht alles perfekt, sondern es gebe viele Kompromisse. “Aber angesichts der Gleichbehandlung können wir mit dem, was künftig gilt, gut leben”, betont Erb. Allerdings empfindet er es als Nachteil, dass nur die Publikumsfonds im Visier stehen und bei Spezialfonds die Steuertransparenz bleibt, also die Besteuerung weiterhin erst beim Anleger erfolgt. Da es bei Spezialfonds keine Unterscheidung zwischen deutschen und den wenigen ausländischen Produkten gibt, ist das für den VAB aber nur ein Randaspekt.Viel gewichtiger ist da schon der Hinweis, dass die neue Pauschalbesteuerung einen leichten Weg für verkappte Steuererhöhungen bietet. “An den verschiedenen Berechnungsvariablen lässt sich leicht etwas nach oben oder unten drehen, und schon ist die Steuererhöhung da”, warnt Erb. Last für DepotbankenDie Hauptlast der neuen Besteuerung tragen Wagner und Erb zufolge eindeutig die Depotbanken. Dort müssten neue Systeme implementiert und viel investiert werden, der Aufwand bei den Fondsanbietern sei da viel geringer. Vor allem sind die Depotbanken künftig in der Haftung, wenn etwas mit der Besteuerung nicht klappt. Es stünden noch viele Auslegungsschreiben des Bundesfinanzministeriums zu offenen Punkten aus. Etwa zu folgenden Fragen: Führt die Fondsgesellschaft oder die Depotbank die Steuer ab? Wer haftet für fehlende Bescheinigungen? Wenn der Depotbestand nicht ausreicht, um die Steuerschuld zu begleichen, müssen dann Anteile verkauft werden, wenn keine Bankverbindung vorliegt? Der VAB hofft, dass diese offenen Fragen zügig geklärt werden, damit die Mitglieder noch genügend Zeit bis zur Einführung der Steuer Anfang 2018 haben.—– Wertberichtigt Seite 6