Platzende Träume vom Eigenheim
Auch wenn die niedrigen Bauzinsen die Nachfrage nach Immobilienfinanzierungen beflügelt, plädieren die europäischen Bausparkassen für eine Abkehr von der Nullzinspolitik. Die Flucht der Kapitalanleger habe in vielen Ballungszentren zu Preisübertreibungen geführt, die Normalverdiener zum Teil ausschließe.Von Andreas Heitker, BrüsselTrotz der niedrigen Bauzinsen und der günstigen Finanzierungsmöglichkeiten für einen Immobilienkauf plädiert auch die Europäische Bausparkassenvereinigung (EuBV) eindringlich für eine Abkehr von der Nullzinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB). Der geschäftsführende Direktor des Verbands, Christian König, verwies im Gespräch mit der Börsen-Zeitung darauf, dass in ganz Europa die Entwicklung der Einkommen und der Immobilienpreise immer weiter auseinanderklafften. Dies sei auch eine Folge der Geldpolitik.”Zumindest in Ballungsräumen wird es für normalverdienende Haushalte in weiten Teilen Europas trotz extrem niedriger Bauzinsen immer schwerer, sich den Traum von den eigenen vier Wänden zu erfüllen”, betonte König. Dies zeige sich auch in den Zahlen zum Eigenheimbau, der bis auf wenige Ausnahmen vielerorts “auf einem historisch niedrigen Niveau” angekommen sei.Die EuBV ist ein Zusammenschluss von Kreditinstituten und Einrichtungen zur Förderung der Finanzierung von Wohneigentum. Der Verband ist in zehn EU-Ländern aktiv. Weitere Mitgliedstaaten sind Russland und Kasachstan. Die größte Marktdurchdringung haben die Bausparkassen in Österreich und Deutschland.Laut EuBV sind die Kaufpreise für Wohnimmobilien seit 2015 in Deutschland und Spanien um rund ein Viertel gestiegen, in Frankreich um knapp 10 %. Diese Durchschnittswerte bezeichnete König als “noch nicht besonders besorgniserregend”. Die Wohnungsmärkte seien aber regional sehr differenziert, erläuterte er. Probleme machten sich insbesondere in den Ballungsräumen bemerkbar. Hier gebe es zum Teil eine Verdoppelung der Kaufpreise. Nicht nur Euroraum betroffen”Die Flucht der Kapitalanleger in Richtung Betongold hat die Immobilienpreise in den meisten europäischen Ländern nach oben getrieben”, sagte König. Im gleichen Zeitraum seien die Einkommen der privaten Haushalte in der Eurozone dagegen nur leicht gestiegen. Diese Entwicklung ist nach Angaben des EuBV allerdings auch in Nicht-Euro-Staaten zu verzeichnen. Sie könnten sich in der Geldpolitik nicht gänzlich dem Einfluss der EZB entziehen. So seien die Wohnimmobilienpreise etwa in Tschechien seit 2015 um 37 %, in Ungarn sogar um rund 40 % gestiegen.Wie König in dem Gespräch darlegte, hoffen daher auch die Bausparkassen, dass mit dem nun vollzogenen Wechsel an der Spitze der EZB mittelfristig auch eine Abkehr von der Nullzinspolitik eingeläutet wird. “Wir hoffen hier auf Christine Lagarde.”König, der auch Hauptgeschäftsführer im deutschen Verband der Privaten Bausparkassen ist, verweist ausdrücklich darauf, dass es dabei nicht nur um die deutschen Sparer gehe, wie in der Diskussion um die EZB-Geldpolitik oft behauptet wird: “Es leiden alle europäischen Sparer.”So unterscheide sich das Anlageverhalten kaum voneinander. Und reale negative Renditen gibt es für kurzfristige Anlagen heute ebenso auch in Spanien, Italien, Frankreich oder auch in Tschechien, wie König unterstrich. Auch bei Geldanlagen über zwei Jahre würden europäische Sparer heute fast ausnahmslos Geld verlieren. Statistiken der EZB zeigten, dass dies in der Eurozone vor 2016 noch ganz anders ausgesehen habe.”Es ist zu wünschen, dass die neue EZB-Führung die langfristigen Risiken ihrer aktuellen Geldpolitik stärker in den Blick nimmt”, so König. Er befürchtet, dass ansonsten die Sparmotivation insgesamt Schaden nimmt – und damit auch die Möglichkeiten zum Aufbau von Eigenkapital. Die Ersparnisse von heute trügen daher auch zur dauerhaften Stabilität der Wohnungsmärkte bei.