Prime Capital verlängert Hebel der Investoren
Von Bernd Neubacher, Frankfurt
Der geldpolitisch induzierte Boom der Immobilienpreise und die Reregulierung des Bankenmarktes nach der Finanzkrise haben nicht nur die Zusammensetzung der Investorenschar auf dem deutschen Markt, sondern auch die Struktur seiner Finanzierung verändert. Klassischerweise ist diese eine Domäne von Banken – zunehmend gewesen, könnte man sagen. Fest steht, dass immer mehr alternative Anbieter auf den Plan treten. Zum Beispiel Prime Capital, ein 2006 gegründeter Assetmanager und Finanzdienstleister mit 115 Mitarbeitern und 17,5 Mrd. Euro under Management, Advisory und Administration.
Ursprünglich kommt die Gesellschaft aus dem Hedgefonds-Geschäft, seit fünf Jahren aber findet sich im Geschäftsbereich „Real Assets“ auch das Segment Real Estate und hat dort bislang eine Hand voll Kunden akquiriert. In Mandaten Institutioneller verwaltet Prime Capital knapp 800 Mill. Euro und zählt sich damit zu den Top Ten der alternativen Immobilienfinanzierer hierzulande. Gehörte die Frankfurter Gesellschaft anfangs zu den Exoten im Markt, so bieten inzwischen nicht weniger als rund 100 ähnliche Gesellschaften ihre Dienste feil, schätzt Guido Gerstner, Managing Director Private Debt bei Prime Capital.
Höheres Tempo
Seinen Angaben zufolge dürften auf die alternativen Anbieter schon 10 bis 15% des Finanzierungsvolumens auf Deutschlands Gewerbeimmobilienmarkt von insgesamt 70 Mrd. Euro entfallen. „Ich erwarte, dass der Markt wachsen wird. Das ist ein unumkehrbarer Prozess“, prognostiziert der Manager. Er führt dies vor allem aber auf ein höheres Tempo zurück, das Anbieter wie Prime Capital Kunden böten. Etablierte Kreditinstitute benötigten acht bis zwölf Wochen, um Interessenten eine Finanzierung zu ermöglichen, erläutert er. Bei Prime Capital vergingen nur vier bis sechs Wochen. In einem zunehmend heißlaufenden Markt, in welchem die Preise schon seit Jahren scheinbar nur eine Richtung kennen und eine wachsende Anzahl von Investoren sich zunehmend auf die Füße tritt, ist Zeit Geld – an dem Prime Capital partizipiert. „Im Grunde tauschen wir Zeit gegen Kupon, und wir füllen Finanzierungslücken, die von Banken nicht mehr bedient werden“, sagt Gerstner. „Deshalb können wir höhere Preise durchsetzen.“
Baseler Kapitalregeln wirken
Dies ist nicht nur auf längere Entscheidungswege und Bürokratie in klassischen Kreditinstituten zurückzuführen, sondern auch auf den regulatorischen Rahmen. Schon als vor zehn Jahren der Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht den Eigenkapitalakkord Basel III verabschiedete, wurde im Markt geunkt, die strengeren Eigenkapital- sowie nunmehr auch Liquiditätsvorgaben würden die Fähigkeit der Kreditwirtschaft zur Vergabe langfristiger Finanzierungen beschränken. Wie Gerstner erklärt, sind Banken überdies an die Bestimmungen der Beleihungswertverordnung gebunden. Oftmals hätten sie zudem auf die Pfandbrieffähigkeit der von ihnen vergebenen Darlehen zu achten.
Ergebe die Beleihungswertverordnung (BelWertV) nun einen Abschlag auf 60% des Marktwertes eines Objektes und finanziere die Bank davon wiederum nur 60%, weil das Darlehen in das Sicherungsvermögen (Deckungsstock) eines Pfandbriefs wandern sollte, erhalte ein Investor eine Finanzierung von gerade einmal 36% des Marktwerts; höhere Beleihungen seien denkbar; die Bank müsste sie dann aber über andere Wege refinanzieren. „Das ist für keinen Investor attraktiv, der nur über begrenztes Eigenkapital verfügt und höhere Eigenkapitalrenditen erwirtschaften muss“, resümiert er. Abschreckend wirke dies auch auf Investoren, die ihr Eigenkapital möglichst breit auf mehrere Projekte streuen wollten. Alternative Finanzierer finanzieren seinen Angaben nach auf Basis eines freien Marktwertgutachtens dagegen bis zu 75% des Marktpreises.
Im Zuge des Booms entfernen sich die Marktpreise ohnehin zunehmend von den sich aus der BelWertV ergebenden Ausläufen, die Banken finanzieren können, wie Gerstner erklärt: „Wir können höhere Preise als Banken durchsetzen, weil wir schneller entscheiden, aber auch, weil wir höhere Beleihungsausläufe fremdfinanzieren.“ Die von den alternativen Finanzierern aufgerufenen Zinssätze kommen dabei ziemlich steil daher (siehe Grafik). Für Investoren lohnen sie sich vielfach dennoch, nicht nur wegen eines kürzeren Wegs zum Abschluss, sondern auch wegen einer höheren Rendite infolge geringeren Eigenkapitaleinsatzes, wie Gerstner es erklärt. „Das ist ein höherer Leverage-Effekt, den wir generieren können.“ Neben Wohnprojekten finanziert Prime Capital vor allem die Assetklassen Büro, Logistik und Einzelhandel, und zwar Bestandsobjekte ebenso wie Projektentwicklungen, im sogenannten „Core“- sowie „Core+“-, aber auch riskantere im „Value add“-Segment. Geografisch liegt der Fokus auf Kerneuropa, und zwar auf Frankreich, Benelux, Österreich sowie Skandinavien. Bis ein neuer Kunde angebunden ist, dauert es dabei schon einmal zwischen 12 und 15 Monate, berichtet Gerstner.
Häuser wie Prime Capital unterliegen, wenn sie den Hebel für Investoren verlängern, dabei nicht dem Gesetz über das Kreditwesen (KWG), wohl aber der Alternative Investment Fund Managers Directive (AIFMD-Richtlinie) der EU. Die sieht zwar etwa eine organisatorische Trennung zwischen der Produktion von Darlehen und der Risikosteuerung vor, räumt aber dennoch mehr Spielraum bei Finanzierungen als klassischen Kreditinstituten ein, auch wenn Prime Capital, wie Gerstner betont, als dritte Instanz noch ein Investment Committee eingeschaltet hat. Zudem sorgen die Anlagerichtlinien der Kunden, also von Versicherern und Pensionswerken, mittelbar für eine Kontrolle, wie Werner Goricki, Chief Investment Officer von Prime Capital, zu bedenken gibt.
Die Neufassung der Baseler Kapitalregeln hat den Aufstieg der alternativen Finanzierer begünstigt, meinen Gerstner und Goricki. Vor der Finanzkrise waren für erstrangig besicherte Bankdarlehen Prime Capital zufolge Beleihungswertausläufe zwischen 80 und 90% üblich gewesen. Bis 2019 seien sie auf 60% gefallen. Im Lichte der Pandemie fielen sie nun in Richtung 50 bis 55%. Gerstner: „Banken ziehen sich grundsätzlich aus der Finanzierung zurück, man bekommt dadurch auch risikoärmere Finanzierungsstrukturen“, meint er: „Dies ist sicher auch der Marktentwicklung geschuldet. Wir sind nicht die aggressivsten Anbieter im Markt, haben aber aufgrund der Renditen, die wir erzielen, ein anderes Risikoprofil im Vergleich zu klassischen Senior-Kreditgebern.“ Mit dem Vorschlag, den die EU-Kommission im Herbst für die Umsetzung des Abschlusses von Basel III vorlegen wird, dürfte sich dies kaum ändern.
Zinssätze bis 15 Prozent
Betreiben Akteure wie Prime Capital Regulierungsarbitrage, weil für sie bei ein und demselben Finanzierungsrisiko andere Regeln gelten als für die klassischen Banken? Goricki argumentiert, dass Banken schon deshalb strenger zu regulieren seien, weil sie Zugang zu günstigem Notenbankgeld haben, und sagt: „Wir investieren nur vorhandenes Geld als Intermediär. Wir öffnen damit diesen Markt für Pensionsfonds.“ Würden die alternativen Anbieter reguliert wie Banken, wäre dies ökonomisch nicht sinnvoll, sagt er. Denn dann entstünden Finanzierungslücken. Und was ist mit den Risiken für die Finanzstabilität, die sich infolge des Immobilienbooms auftun? „Risiken für die Finanzstabilität gehen kaum von kleineren Akteuren aus, die Zinssätze zwischen 5 und 15% aufrufen, sondern wohl eher von Banken, die funktionierende Kredite allzu günstig finanzieren“, argumentiert Goricki.
Eine interessante Parallele zur ebenfalls von laxer Geldpolitik geprägten Zeit vor der Finanzkrise ist gleichwohl zweifellos auszumachen: Damals hatte sich die Finanzierungen von Mezzanine-Modellen, einer Form zwischen Eigen- und Fremdkapital, in Richtung sogenannter Unitranche-Finanzierungen entwickelt, in deren Zuge Kreditfonds vorrangige und nachrangige Limite in einer Tranche mit einem gemittelten Zinssatz kombinierten. Nun ist am Immobilienmarkt die gleiche Entwicklung zu beobachten.
Man geht aufs Ganze
Whole Loan heißt es nun, wenn Immobilieninvestoren über alternative Anbieter auch gleich den Senior-Loan-Anteil der Bank abwickeln und auf klassische Finanzinstitute komplett verzichten. Auch Prime Capital will sich in Richtung dieses Segments orientieren. Dort könnte diese Gesellschaft Vorteile im Bearbeitungstempo voll ausspielen. Denn momentan finanziert Prime Capital vor allem Mezzanine-Anteile, welche die Senior-Tranche einer Bank ergänzen. Damit lässt sich die Dauer des Prozesses nicht merklich verkürzen. Mit einer kurzen Bearbeitungsdauer stellt Prime Capital allein sicher, dass sich das Verfahren nicht zusätzlich in die Länge zieht. Denn in der Regel fragen Investoren zunächst klassische Kreditinstitute, in welchem Umfang diese Senior-Tranchen finanzieren, und ziehen im weiteren Verlauf Anbieter wie Prime Capital hinzu.
Noch entfällt auf Whole-Loan-Finanzierungen nur ein kleiner Anteil der Immobilienfinanzierung. Dies liege nicht nur an der Geldpolitik, argumentiert Goricki: „Das Zinstief führt dazu, dass wir als Anlagevehikel genutzt werden. Es gehören aber auch die Immobilienentwickler dazu. Hätten nur die Anleger Interesse, würde unsere Nische bald nicht mehr existieren, weil Immobilien als Anlageziele fehlen würden“, gibt er zu bedenken.
Die vielen neuen Wettbewerber beobachtet Prime Capital mit gemischten Gefühlen. Viele hätten zwar Geld etwa von Family Offices eingeworben, aber noch keinen Track Record aufgebaut, sagt Gerstner. „Wir können mit jahrelanger Erfahrung belegen, dass wir bisher weder Abschreibungen noch Schuldnerausfälle hatten und Phasen, in denen Assets nicht performt haben, professionell steuern konnten und damit Wertverluste vermieden haben.“
Prime Capital hat bereits neue Pläne. Auf Sicht will sich das Haus auch als Anbieter von Senior-Tranchen etablieren – und dann ebenso zügig agieren wie derzeit bei Mezzanine-Finanzierungen. Noch reicht das Volumen des Hauses in der Immobilienfinanzierung nach eigener Einschätzung nicht aus, um als Senior-Tranche-Finanzierer auf den Plan zu treten. Noch.
Bisher erschienen:
Das Büro lebt wieder auf – aber anders (10. August)
Es droht eine Überhitzung (6. August)