Julius Bär scheitert mit Fusionsplan

Privatbanken im „Heiratsdilemma“

Es sieht ganz danach aus, als seien die Ideen für einen Zusammenschluss der beiden Zürcher Privatbanken Julius Bär und EFG schon im Keim erstickt worden. Tatsächlich spricht die betriebswirtschaftliche Logik in der Branche immer weniger für derlei Transaktionen.

Privatbanken im „Heiratsdilemma“

Kein Match – Privatbanken im Heiratsdilemma

Julius Bär dürfte mit ihrem Versuch, die Wettbewerberin EFG zu kaufen, gescheitert sein – Die Gründe gelten für die ganze Branche

Es sieht ganz danach aus, als seien die Ideen für eine nächste Großfusion auf dem Zürcher Finanzplatz bereits im Keim erstickt. Die betriebswirtschaftliche Logik im Private Banking hat zwischen der größten Schweizer Privatbank und ihrer Nachbarin nicht mehr als einen Flirt zugelassen.

dz Zürich

Am Freitagabend, dem 24. Mai, hatte die Nachrichtenagentur von geheimen Übernahmegesprächen zwischen Julius Bär und der deutlich kleineren Nachbarin EFG berichtet. Nur Stunden später wusste Reuters, dass die Gespräche zwischen den beiden börsennotierten Zürcher Banken bereits im Februar geführt und bald darauf abgebrochen worden waren. In den darauffolgenden Wochen hielten verschiedene Schweizer Medien die Spekulation am Leben. Von einem Befreiungsschlag für Julius Bär war die Rede.

Die Bank hat durch die Kreditgeschäfte mit dem insolventen österreichischen Immobilienhändler René Benko nicht nur viel Vertrauen und Geld, sondern auch ihren CEO Philipp Rickenbacher verloren. Der Nachfolger soll von außen kommen, hatte die Bank schon im Februar anlässlich von Rickenbachers Verabschiedung bekannt gegeben. So gelangte auch der aktuelle EFG-Chef Giorgio Pradelli in den medialen Fokus. Hat Julius Bär vor allem ihn im Visier? Der 56-jährige Italiener mit Schweizer Pass scheint seit seinem Aufstieg vom Finanzchef zum CEO im Jahr 2018 einen guten Job zu machen. Der Aktienkurs von EFG hat sich in den vergangenen fünf Jahren verdoppelt, während die Julius-Bär-Aktien nur um 25% vorangekommen sind.

Aktienkurs beflügelt

Aber vielleicht hat sich EFG in den vergangenen Jahren diskret auch selbst als Kandidatin für eine Übernahme ins Spiel gebracht und so den Aktienkurs unabhängig von der Leistung des CEO beflügelt. Plausibel ist die Vermutung, dass die großen EFG-Aktionäre, allen voran die griechische Reederfamilie Latsis (45%) und die brasilianische Investmentbank BTG Pactual mit ihrem milliardenschweren Hauptaktionär André Esteves als Präsidenten (19,6%), die Gunst der Stunde für einen Ausstieg nutzen möchten.

EFG wird an der Schweizer Börse derzeit mit fast 4 Mrd. sfr bewertet, und im Markt war von einem Übernahmepreis von 4,5 Mrd. sfr die Rede. Um dahin zu gelangen, hat EFG nach dem Börsengang 2005 fast 20 Jahre und einigen Mut gebraucht. Nötig für den Aufstieg war 2016 insbesondere die Übernahme der BSI Bank, deren Auflösung die Schweizer Finanzmarktaufsicht wegen der Verwicklung des Instituts in den malaysischen 1MDB-Skandal angeordnet hatte.

Hochriskante Transaktion

Die hochriskante und immerhin 1,1 Mrd. sfr teure Transaktion ermöglichte es EFG zwar, die verwalteten Kundenvermögen um rund 60 Mrd. sfr auf das aktuelle Niveau von gut 140 Mrd. sfr zu steigern. Doch es dauerte mehr als fünf Jahre, bis sich die erhofften Synergien tatsächlich in den Zahlen von EFG abzubilden begannen.

Demgegenüber macht Julius Bär seit längerem die Erfahrung, dass ein gesteigertes Volumenwachstum bei den Kundenvermögen den Aktionärsnutzen und vornehmlich den Börsenwert nur noch unterproportional und mit abnehmender Tendenz zu steigern vermag (vgl. Grafik).

Das Bild gleicht komischerweise dem Modell des abnehmenden Grenznutzens beim Konsum, eine Theorie, mit der Ökonomen auf nüchterne Weise erklären, wie sich das Shoppingerlebnis von Verbraucherinnen und Verbrauchern irgendwann zu erschöpfen beginnt.

Für die Unternehmen gilt nach Theorie das Gesetz der abnehmenden Grenzkosten – je größer das verarbeitete Volumen, umso geringer der Stückpreis. In einer Welt ohne vollständige Konkurrenz müssten Unternehmen Volumenwachstum somit in überproportionales Gewinnwachstum übersetzen können.

„Banken von einer Statur wie Julius Bär oder größer können ihr Wachstum nur noch teilweise in Shareholder Value ummünzen“, glaubt ein sehr vermögender, nicht genannt werden wollender Zürcher Investor, der privat und geschäftlich die komplexesten Dienstleistungen von Banken in Anspruch nimmt. „Die stark verschärften regulatorischen Auflagen seit der Finanzkrise in Kombination mit der weltweit zunehmenden Preis- und Leistungstransparenz führen Privatbanken wie Julius Bär, die sich auf das vermögendste Kundensegment fokussieren, sind eine Wachstumsfalle“, sagt der Zeuge.

Darum kommen auch Banken bei Übernahmen in Berührung mit dem Gesetz des abnehmenden Grenznutzens. Um dieser Logik zu entkommen, müssen sich Banken den zusätzlichen Aktionärsnutzen mit mehr Risiko erkaufen. Die Benko-Geschäfte von Julius Bär stützen diese These ebenso wie die Übernahme von Credit Suisse durch UBS.

Brokerähnliches Modell als Risiko

Im Fall von EFG besteht das Risiko darin, dass die Bank ein brokerähnliches Geschäftsmodell betreibt, in dem die Kundenberater am Umsatz beteiligt sind und damit nicht nur überdurchschnittlich viel verdienen, sondern über die enge Kundenbeziehung auch mehr Macht in der Bank genießen. Die Kombination dieses Geschäftsmodells mit jenem von Julius Bär, die bestrebt ist, mehr das Kollektiv statt den einzelnen Kundenberater in den Vordergrund zu stellen, birgt die Gefahr eines Kulturkonfliktes. Aus diesen Gründen wird Julius Bär ihren Benko-Kater wohl ohne den erlösenden Schluck Whisky am Tag danach durchstehen müssen.

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