IM GESPRÄCH: ANDRE HOFMANN UND CHRISTIAN STORCK, LINKLATERS

"Private Blockchains geeignet für Finanzmarkt"

Kanzlei nimmt Rechtsgrundlagen für Praxiseinsatz der Technologie unter die Lupe - Nicht allein der Code kann Vertrauen schaffen

"Private Blockchains geeignet für Finanzmarkt"

Noch ist unklar, wie der Transfer von Assets in einer Blockchain juristisch zu bewerten ist. Findet die Eigentumsübertragung nachgelagert statt, mit Anbindung an bestehende Systeme? Die Kanzlei Linklaters ist jedenfalls davon überzeugt, dass Blockchains mit einem Torwächter als geschlossene Systeme bei erlaubnispflichtigen Dienstleistungen geeignet sein können, “gesetzgeberische Ziele auf neue Art und Weise zu erreichen”.Von Björn Godenrath, FrankfurtMehr als 1 Mrd. Dollar ist weltweit bereits in die Erforschung der Blockchain als dezentrale Datenbank-Technologie investiert worden. Banken und Marktinfrastrukturbetreiber wittern höhere Prozesseffizienzen und forschen eifrig, welche Anwendungsfelder geeignet sind und was für Standards es dafür braucht. Erste Systeme aus der Start-up-Welt haben den Betrieb im Kapitalmarkt aufgenommen. Dabei sind aber noch so gut wie alle juristischen Fragen offen, wenn es um die regulatorische Einordnung geht. “Wir stehen noch ganz am Anfang bei der juristischen Auseinandersetzung im Zusammenhang mit dem Einsatz der Blockchain im Finanzmarkt”, sagt André Hofmann von Linklaters im Gespräch mit der Börsen-Zeitung.So könne beispielsweise eine Erlaubnispflicht bestehen, wenn die Nutzung der Blockchain-Technologie für den Handel mit Finanzinstrumenten oder die Erbringung von Zahlungsdiensten nach Kreditwesengesetz (KWG) oder Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz (ZAG) als erlaubnispflichtiger Tatbestand zu qualifizieren sei. Vor dem Hintergrund geht Hofmann davon aus, dass Lösungen von Banken, die auf Erlaubnisvermeidung zielen, nicht nachhaltig sein könnten.Gleichwohl ist dem Rechtsanwalt natürlich bewusst, dass sich Möglichkeiten zur Regulierungsarbitrage auftun können. Die Londoner FCA (Financial Conduct Authority) habe mit dem “Sandboxing” bei der Fintech-Regulierung eine deutlich andere Herangehensweise als die BaFin entwickelt. Das englische Modell sei “eine Operation am lebenden Objekt”, warnt Hofmann. Diese Fintechs könnten sofort loslegen und Kunden anwerben, die wiederum nicht unbedingt wissen, dass diese Geschäfte nach dem Motto “Regulierung light” kontrolliert werden. Fehlende Rechtsgrundlage”Als Juristen haben wir uns gefragt, ob die aufsichtlichen Richtlinien diesen Sandkasten-Ansatz überhaupt hergeben.” Sein Fazit: Wenn jemand objektiv den Tatbestand einer erlaubnispflichtigen Dienstleistung, an die bestimmte Rechtsfolgen anknüpfen, erfüllt, dann sei es zweifelhaft, “ob eine Rechtsgrundlage bestünde, diese nicht voll zu regulieren”. Schließlich gebe es im Aufsichtsrecht nur ganz wenige Bereiche, wie zum Beispiel in der MaRisk (Mindestanforderungen an das Risikomanagement), wo für die Aufsicht ein Ermessensspielraum besteht. Und nur dort könne man dann balancieren. Mit Blick auf die Londoner Fintechs werde ab einem gewissen Punkt dann aber auch von der FCA die volle Regulierung greifen, erwartet Hofmann. Die BaFin fahre einen anderen Ansatz und wolle vom Start weg keine Ungleichbehandlung zwischen Banken und Fintechs.Insgesamt gebe es aber auch vom deutschen Gesetzgeber und den Aufsehern deutliche Signale, dass sie beim Entstehen von Blockchain-Anwendungen bereit seien, nicht gleich prohibitiv zu wirken und stattdessen an Lösungen mitzuarbeiten. Dennoch besteht ein gewisses internationales Gefälle. Nicht von ungefähr kommt mit SETL ein erster Anbieter von Blockchain-Infrastruktur aus London. Linklaters selbst hat nicht nur im Londoner Büro schon einige laufende und abgeschlossene Blockchain-Mandate – und Hofmann ist guter Dinge, schon bald auch hier in Frankfurt weiter zu dem Thema zu beraten. Die Banken seien dran an der Blockchain, allerdings gelte es auch – wie bei jeder technischen Neuerung – interne Widerstände und Beharrungskräfte zu überwinden. Schließlich sei nicht vollends abzusehen, wie sich der Einsatz der Blockchain-Technologie auf die Notwendigkeit von anderen Dienstleistungen im Finanzmarkt zukünftig auswirkt. Das Versprechen der Technologie, effizienter als bestehende Systeme zu arbeiten, sei jedenfalls groß.Banken und Börsenbetreiber befinden sich in der Zwickmühle: Zum einen dürfen sie technologische Entwicklungen nicht verpassen, die möglicherweise Dritten das Tor öffnet – das ist eine Lehre aus dem Aufkommen der Fintechs, die sich auf Teile der Wertschöpfungskette konzentrieren. Zum anderen sind sie angesichts sinkender Margen gezwungen, Potenziale zur Kostensenkung zu heben, was vorweg Investitionen erfordert und intern strukturelle Umbrüche erfordern kann.Und wer Kosten reduzieren will in seiner IT-Landschaft und dem daran angedockten Ökosystem, bei dem steht die Blockchain natürlich auf der Agenda. Christian Storck von Linklaters erwartet, dass kurz- bis mittelfristig hybride Modelle unter Anwendung bestimmter Elemente der Blockchain am Finanzmarkt Einzug halten werden, sprich Module mit unterschiedlichen Funktionen, die in bestehende Systeme eingefügt werden. Dies dürfte es jedenfalls der Aufsicht erleichtern, erste Erfahrungen mit Blockchain-Anwendungen zu machen und die Technologie anhand des bestehenden Rechtsrahmens zu beurteilen, sagt Storck. Es sei aber auch keineswegs ausgeschlossen “vielleicht schrittweise, mit entsprechender regulatorischer Begleitung, ein geschlossenes Blockchain-System zu bauen, in dem beispielsweise crypto securities gehandelt werden”.Auch wenn Hofmann grundsätzlich glaubt, dass private Blockchains als geschlossene Systeme mit Einlasskontrolle geeignet sein könnten, “gesetzgeberische Ziele auch auf neue Art und Weise zu erreichen”, so bleibt der Jurist in ihm doch auf der Hut, wenn es um die konkrete Ausgestaltung von Blockchain-Modulen wie zum Beispiel Smart Contracts geht. Das sind Computerprogramme (Code), die Folgehandlungen automatisieren. Wer aber haftet, wenn bei der Durchführung eines Smart Contract ein Fehler auftritt? Ist der Code der Vertrag? Bleibt vielleicht nur ein deliktischer Anspruch gegen den Softwarehersteller?Auch bei dem Handel mit Smart Bonds in der Blockchain dürfte es weitere rechtliche Fragen geben. So ließe sich nicht mit Allgemeingültigkeit sagen, wie der Transfer in der Blockchain juristisch zu bewerten ist, gibt Storck zu bedenken. Stellt die Umschreibung in der Blockchain schon den Eigentumsübergang dar? Oder soll dieser vielleicht nur repräsentiert werden, um dann später rechtlich vollzogen zu werden? Denkbar wären beide Gestaltungsvarianten, etwa in hybriden Modellen mit Anbindung einer Blockchain an zentrale Clearingstellen und Wertpapierverwahrer.Wobei gerade in diesen Bereichen des Post Trade das disruptive Potenzial der Blockchain lauert. “Der Nachhandel ist prädestiniert für den Einsatz der Blockchain – und genau daher kommt ja die Angst mancher Marktteilnehmer, drohen doch diejenigen weiter hinten in der Wertschöpfungskette ersetzt zu werden. Da wird es Gewinner und Verlierer geben.” An der regulatorischen Architektur und Marktinfrastruktur mit zentraler Gegenpartei (CCP) und Clearinghaus werde nach der EMIR-Implementierung jedenfalls durch den Gesetzgeber nicht gerüttelt, glauben die Anwälte – auch wenn die Blockchain keine CCP brauche. Im Hinblick auf Risikomanagement machten CCPs aber unter Umständen viel Sinn, “das sollte auch bei einer Blockchain-Anwendung genau überprüft werden” . Die Betreiber-InstanzMit der Behauptung von Blockchain-Evangelisten, die Technologie könne aus sich heraus als “Vertrauensmaschine” fungieren, hadert Hofmann. Man könne sich nicht allein auf den Code als fehlerfrei verlassen, denn dieser könne gehackt werden. Auch die Komplexität der Blockchain wird eine Instanz notwendig machen, der Kunden vertrauen. Deshalb bestünde die Möglichkeit, dass die Betreiber von Blockchain-Plattformen diese Vertrauensinstanz werden. Dieser Aspekt würde über eine Aufsicht durch die BaFin sicher weiter verstärkt werden, glaubt Hofmann. Plattformbetreiber würden als Torwächter fungieren und für Compliance und Governance innerhalb der Blockchain sorgen, indem sie die Abläufe garantieren. Standardisierte Handlungen wie Finanzkontrakte und Versicherungen seien dann grundsätzlich gut abbildbar.Da die Finanzindustrie unter Druck steht, Innovationen beschleunigt zu implementieren, dürfte es schnell marktgängige Lösungen geben, erwartet Linklaters. “Ende 2017 wird es sicher schon Lösungen im Einsatz geben. Und die technologische Entwicklung dürfte kein Problem sein für die Skalierbarkeit – man muss es ja nicht so machen wie das Bitcoin-Modell und könnte stattdessen beispielsweise nur Teile einer Transaktion in der Blockchain verifizieren lassen, das spart Kapazitäten.” Das generelle Motto lautet: “Als Jurist sind Sie dazu da, Dinge möglich zu machen.”