Private Equity in den Mix der Mittelstandsfinanzierung aufnehmen
Der Mittelstand wird gerne als das Rückgrat der deutschen Wirtschaft gelobt. Die Zahlen sprechen für sich: Rund 37 % der Gesamtumsätze der Unternehmen in Deutschland werden von kleinen und mittelständischen Akteuren erwirtschaftet; 60 % der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten sind hier tätig. Allerdings werden von Beobachtern gerne die stagnierenden Investitionen von deutschen Unternehmen gerade im Heimatmarkt moniert. Welche Motive stehen hinter dieser Zurückhaltung? Und wie können mittelständische Unternehmen gezielt und sinnvoll Investitionen finanzieren? Bankkredit ist und bleibt Nr. 1Der klassische Bankkredit ist unverändert das mit Abstand wichtigste Finanzierungsinstrument in Deutschland. Mitte 2014 hatten Unternehmen (ohne Berücksichtigung der Finanzwirtschaft) Verbindlichkeiten von rund 1 400 Mrd. Euro, davon entfielen rund 800 Mrd. Euro auf Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten in Deutschland. Dagegen nimmt sich das gesamte Portfolio von Private Equity in Deutschland mit knapp 40 Mrd. Euro bescheiden aus.Eine seit dem 19. Jahrhundert gewachsene Landschaft aus Banken, Sparkassen und genossenschaftlichen Instituten versorgt wie eh und je den Mittelstand mit Krediten; Kundenbeziehungen lassen sich oft in Jahrzehnten messen. Daran haben auch wachsende regulatorische Anforderungen als Folge von Basel I bis III nicht viel geändert. Hinzu kommt, dass der Gang an den Kapitalmarkt gerade für kleinere Mittelständler mit hohem Aufwand verbunden ist, da die Transparenzanforderungen oftmals den Rahmen des bisher Gewohnten (und Notwendigen) weit übersteigen. Faktisch ist daher die Anleihe für die meisten Mittelständer keine echte Alternative zum Bankkredit. Eine Ausnahme stellen börsennotierte Gesellschaften dar, die von Hause aus über die entsprechenden Informationssysteme verfügen und relativ problemlos die notwendige Transparenz gewährleisten können. Die Welle an Mittelstandsanleihen der vergangenen Jahre, die immerhin ein hohes einstelliges Milliarden-Euro-Volumen erreicht hat, dürfte vermutlich nur eine Modeerscheinung gewesen sein – eine zunehmende Anzahl von Ausfällen hat das gesamte Segment in ein neues Licht gerückt. Denn aufgrund der in Relation zum Leitzins erheblichen Zinsaufschläge dieser Anleihen müssen viele dem “High Yield”-Segment zugerechnet werden – das gilt auch für die damit verbundenen Risiken. Dies hatte ganz offensichtlich eine Reihe von Anleihezeichnern verdrängt.Viele Unternehmen haben aus der Finanzkrise von 2008/2009 gelernt und verfügen heute über eine sehr viel höhere Eigenkapitalquote als zum damaligen Zeitpunkt. Doch wie lässt sich die Investitionstätigkeit des Mittelstands in das Gesamtbild der deutschen Wirtschaft einordnen? Wie kann die Aufnahme von Fremdkapital zu Wachstumszwecken gefördert werden? Es ist kein Geheimnis, dass international tätige deutsche Konzerne in den vergangenen Jahren vergleichsweise wenig im eigenen Land investiert haben, während im Ausland beachtliche Investitionen in Übernahmen und neue Produktionsanlagen erfolgt sind. Und auch der Mittelstand kann sich diesem Trend nicht verschließen. Im Bereich der Automobilzulieferer beispielsweise gilt verstärkt die Devise: “Im Kontinent für den Kontinent”. Das bedeutet, dass in Europa für europäische Produktionsstandorte der Kunden, in Nordamerika für nordamerikanische und in Asien für asiatische gefertigt wird. Denn damit lassen sich signifikante Steigerungspotenziale hinsichtlich Schnelligkeit, Flexibilität und Effizienz in der gesamten logistischen Lieferkette realisieren. Darüber hinaus können sogenannte “Local content”-Anforderungen besser erfüllt werden. Partner, nicht BossEine Finanzierungsalternative, die sich dem mittelständischen Unternehmer anbietet, ist die Minderheitsbeteiligung, wie sie beispielsweise seit mehr als 25 Jahren von der BWK angeboten wird. Die Vorteile liegen auf der Hand. Eine stärkere Bilanz erleichtert die Aufnahme von Fremdkapital, so dass Private Equity hier eher als Partner der Unternehmen und Banken gesehen werden sollte. Im Gegensatz zum Verkauf von Mehrheitsanteilen an operativ stark involvierte Investoren angelsächsischer Prägung behält der Unternehmer das Heft des Handelns in der Hand und ist weiterhin Herr im Haus. Ein vertraglich vereinbartes Rückkaufsrecht kann für zusätzliches Vertrauen sorgen.Ein wichtiger Erfolgsfaktor bei diesem Ansatz ist das Thema Langfristigkeit. Ein Engagement über einen in seiner Laufzeit befristeten Fonds angelsächsischer Prägung birgt nämlich den Nachteil, dass der Ausstieg zu einem unpassenden Zeitpunkt erfolgen kann, wenn die Altgesellschafter den Rückkauf (noch) nicht stemmen können oder das Umfeld ungünstig ist. Demgegenüber kann die Finanzierung über eine Evergreen-Struktur ohne Laufzeitbegrenzung hier helfen, da der Finanzinvestor zeitlich flexibel und langfristig orientiert agieren kann. Ein Verkauf der Anteile sollte immer in enger Abstimmung aller Parteien erfolgen. Nicht zu unterschätzen ist auch das Vertrauen des Investors in Altgesellschafter und Management als notwendiges Fundament der Zusammenarbeit. Denn die meisten Unternehmer kennen ihr Business und benötigen in der Regel keine operative Hilfe des Investors, der als Minderheitsgesellschafter ohnehin nur begrenzten Einfluss hat.Dabei sollten wir trotz der angestrebten “Mittelstandsverträglichkeit” den ursprünglichen Sinn von Private Equity nicht vergessen: die Steigerung des Unternehmenswertes. Dieser Anspruch sollte alle Gesellschafter einen. Eine Beteiligungsgesellschaft kann zum Unternehmenserfolg beitragen, indem Sie den Beirat konstruktiv und professionell nutzt, um ihre Expertise wohldosiert einzubringen. Gerade bei der strategischen Ausrichtung des Unternehmens oder Expansionsprojekten im Ausland bietet sich Hilfe an. Auch wenn der Stallgeruch fehlen mag: Viele Beteiligungsexperten verfügen durchaus über relevante Expertise, die über den Beirat ins Unternehmen fließen kann. Entscheidend ist dabei das Fingerspitzengefühl des Investors, das sich aus Persönlichkeit, Erfahrung und Unternehmenskultur ergibt. Hier sind deutsche Beteiligungsgesellschaften meist im Vorteil, da sie die Sprache des Mittelstands besser verstehen als ihre Wettbewerber. Dieser “weiche” Faktor wird oft übersehen und muss konsequent gelebt werden.Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der deutsche Mittelstand aktuell solide finanziert ist und sich weiterhin auf die Banken verlassen kann. Ein radikaler Wandel ist nicht abzusehen. Dennoch kann ein breiterer Finanzierungsmix unter Zuhilfenahme von Private Equity ratsam sein, wenn Wachstumspotenziale noch besser erschlossen werden sollen.—Jochen Wolf, Sprecher der Geschäftsführung der BWK GmbH Unternehmensbeteiligungsgesellschaft