Procredit fürchtet Ausweitung des Ukraine-Kriegs
jsc Frankfurt
Die Bankengruppe Procredit befürchtet eine Ausweitung des Ukraine-Kriegs. Während die Holding-Gesellschaft mit Sitz in Frankfurt in der Ukraine eine Tochter unterhält und dort nun um ihr Geschäft bangt, drohen auch andere Länder in den Sog des Krieges zu geraten, wie die Gruppe am Donnerstag in ihrem Geschäftsbericht für das zurückliegende Jahr hervorhob. „Neben dem Konflikt in der Ukraine ist eine potenzielle Ausweitung des Konflikts auf weitere Länder in Osteuropa, speziell jene, in denen Procredit-Banken tätig sind, in der aktuellen Lage der wesentlichste Risikofaktor für die Gruppe.“ Die Banken der Procredit konzentrieren sich auf das Geschäft mit kleinen und mittleren Unternehmen.
Zwar nennt der Bericht neben der Ukraine kein weiteres Land beim Namen. Doch dürfte der Vorstand vor allem Georgien und Moldau im Kopf haben. In beiden Ländern ist die Bankengruppe mit einer eigenständigen Tochter aktiv, auch wenn das Geschäft dort jeweils überschaubar ist (siehe Grafik). Das Risiko eines russischen Angriffs ist hier wie dort real: In Georgien marschierte die russische Armee bereits 2008 ein, um dem Land die Kontrolle über die Region Südossetien zu entziehen. Zuvor hatten georgische Truppen die Stadt Zchinwali in der nach Unabhängigkeit strebenden Region besetzt. In Moldawien wiederum hatte sich 1992 Transnistrien, ein schmaler Landstrich auf der östlichen Seite des Flusses Dnjester, mit russischer Hilfe abgespalten. Das Land mitsamt der Region grenzt unmittelbar an die Ukraine. Georgien und Moldawien sind beide ehemalige Sowjetrepubliken, die nicht der Nato angehören. Allerdings vermutet die Bank offenbar, dass der Krieg auf die Ukraine beschränkt bleiben könnte. Der Konflikt werde das operative Geschäft nämlich „wahrscheinlich nur in der Ukraine“ stärker treffen, heißt es im Bericht.
Angst vor Enteignung
Bereits vor zwei Wochen hatte die Bank gegenüber der Börsen-Zeitung erklärt, dass sie am Geschäft in der Ukraine festhalte. Dieses Ziel bekräftigt das Management nun auch im Geschäftsbericht: „Die Procredit-Gruppe steht hinter ihrer Bank in der Ukraine.“ Der Krieg werde bei der Tochter in Kiew aber zu Zahlungsausfällen und zu einem Abschmelzen der Sicherheiten führen. Die Gefahr einer Insolvenz innerhalb des ukrainischen Staats wiederum schätzt die Gruppe als gering ein. Größtes Risiko für die Bank sei vielmehr der „Nichtfortbestand des ukrainischen Rechtsstaats“. In einem Stresstest nahm die Bank bereits den Effekt einer etwaigen Enteignung unter die Lupe. „In allen Szenarien war die Vermögens- und regulatorische Kapitallage der Gruppe ohne Berücksichtigung kapitalstärkender Maßnahmen solide.“ Die Kapitalquote werde womöglich stärker sinken, allerdings deutlich über der Mindestschwelle bleiben.
Insgesamt weist die Gruppe zum Jahresende ein Kernkapital von 792 Mill. Euro aus und eine entsprechende Quote von 14,1%. Hinter der Bankengruppe, die um die Jahrtausendwende aus Mikrofinanzinstituten in verschiedenen Ländern hervorgegangen war, stehen unter anderem die KfW, die Weltbank-Tochter IFC und die spezialisierte Firma Zeitinger Invest. 39% der Anteile gelten als Streubesitz. Seit Jahresbeginn hat sich der Kurs in etwa halbiert. An der Börse in Frankfurt ist die Bank aktuell rund 241 Mill. Euro wert.
Den Bilanzgewinn aus dem vergangenen Jahr will die Gruppe vortragen – damit strebt das Management also einen Verzicht auf eine Dividende an. Dabei lief das zurückliegende Jahr rund: Unterm Strich blieb ein Konzernergebnis von rund 80 Mill. Euro nach zuvor 41 Mill. Euro stehen. Denn während der Zinsüberschuss von 202 Mill. auf 222Mill. Euro kletterte und der Provisionsüberschuss von 47 Mill. auf 51Mill. Euro zunahm, sank die Risikovorsorge im zweiten Coronajahr von 29 Mill. auf 6 Mill. Euro. Allerdings stiegen die Kosten, und zwar von 171 Mill. auf 181 Mill. Euro.
Eine Prognose für das laufende Jahr sei wegen des Kriegs nicht möglich, heißt es. Ein Kreditwachstum wie im vergangenen Turnus, als der Bestand um 12,8% auf 5,9 Mrd. Euro zulegte, sei im laufenden Jahr aber nicht realistisch. Mittelfristig erkennt die Bank „starke profitable Wachstumschancen“, und zwar in allen Märkten außer der Ukraine.