Finanzdienstleistungen

Protestwelle trifft Spaniens Banken

Spaniens Banken stehen nach einer Unterschriften-Kampagne eines pensionierten Arztes gegen einen Ausschluss älterer Menschen von Finanzdienstleistungen unter Druck. Die Regierung zeigt Sympathie für den Protest. Die Finanzbranche reagiert mit einem Maßnahmenkatalog, um die Wogen zu glätten.

Protestwelle trifft Spaniens Banken

Von Thilo Schäfer, Madrid

Als Carlos San Juan, ein 78-jähriger pensionierter Arzt aus Valencia, in der zurückliegenden Woche das spanische Wirtschaftsministerium in Madrid besuchte, war das Aufgebot der Medien groß. Der Mann war gekommen, um der Regierung die 600000 Unterschriften zu überreichen, die er mit seiner Aktion für eine bessere Behandlung älterer Menschen in der Finanzbranche gesammelt hatte. Die Kampagne beklagt, dass viele Menschen nur noch schwer Zugang zu Finanzdienstleistungen erhielten. Der Unmut richtet sich gegen den Abbau von Bankfilialen in den vergangenen Jahren. Auch ist nicht klar, ob alle Kunden Geschäfte über eine App regeln können, so wie von der Branche angestrebt.

San Juan wurde im Ministerium vom Staatssekretär Carlos Cuerpo offiziell empfangen. Beim Verlassen des Gebäudes begegnete der Aktivist offenbar geplant der Wirtschaftsministerin Nadia Calviño, die ihm vor laufenden Kameras ihre Unterstützung zusicherte. „Wir haben festgestellt, dass unsere Älteren nicht den Service bekommen, den sie verdient haben“, sagte die Ministerin und forderte die Branche zu Lösungen auf.

„Ich bin alt, aber kein Idiot“

Der Pensionär aus Valencia traf mit seiner Aktion unter dem Motto „Ich bin alt, aber kein Idiot“ den Nerv vieler Mitbürger. Auch andere Bürgerorganisationen haben sich bereits über eine „finanzielle Exklusion“ beschwert. Der Umbruch in der Branche hat zuletzt an Fahrt aufgenommen. Beim Platzen der Immobilienblase 2008 gab es in Spanien mehr als 46000 Bankfilialen. Mittlerweile hat sich die Zahl mehr als halbiert. Von einst rund 50 Kreditinstituten sind heute nur zehn übrig geblieben. Vor allem die lokal verwurzelten Sparkassen sind verschwunden.

Das Negativzinsumfeld hatte den Spardruck auf die Banken weiter erhöht. Die Branche baute massiv Stellen ab und schloss Filialen. Die Pandemie gab der Digitalisierung einen unerwarteten Schub. Die Bankvorstände feierten den Paradigmenwechsel, weg vom Schalter hin zur App. Doch viele Kunden sehen sich bei dieser Entwicklung auf der Strecke geblieben, vor allem Ältere, aber auch die Bevölkerung in den dünn besiedelten Regionen Spaniens. Dabei ist deren Bedeutung für die Branche nicht zu unterschätzen. Die Kunden über 60 Jahre haben im gesamten Banksystem Einlagen von rund 500 Mrd. Euro, wie eine Studie von Caixabank ergab.

„Das Problem, das Carlos San Juan beschreibt, existiert, es ist echt, aber wir hatten es so nicht richtig eingeschätzt“, erklärte der Vorsitzende des Bankenverbandes AEB, José María Roldán, am Mittwoch. Tags darauf kam die Antwort der Branchenverbände in Form einer Liste von Vorschlägen auf freiwilliger Basis. Die Banken sollen sich darum bemühen, grundsätzliche Dienste, wie Einzahlen und Abheben, verstärkt über Dritte anzubieten, zum Beispiel über Tankstellen, Geschäfte und Post­ämter. Die persönliche Betreuung über das Telefon soll verstärkt werden. Apps und andere digitale Produkte sollen nun für ältere Menschen leichter gemacht werden, und die Kunden sollen geschult werden.

Einige Banken reagierten bereits. So verlängert Santander die Öffnungszeiten mit Vorrang für ältere Menschen. Caixabank, die durch die Fusion mit Bankia stark verschlankt wurde, versprach, keine Filialen mehr in Orten zu schließen, wo sie die einzige verbliebene Bank ist.

Bei aller Reue und dem Gelöbnis zur Besserung warnten die Banken aber, dass sich die Zeiten änderten. „Die Digitalisierung ist die Zukunft“, sagte Verbandschef Roldán, „das ist ein weltweiter Trend.“

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