Provinzial Nordwest kehrt üppig aus
Der Ostdeutsche Sparkassenverband will sich von seiner Beteiligung an der Provinzial Nordwest trennen. Damit zwei der anderen Anteilseigner den Kauf finanzieren können, schüttet der Versicherer fast doppelt so viel aus wie gewöhnlich – obwohl die europäische Versicherungsaufsicht einen Dividendenstopp für die Branche propagiert. Von Antje Kullrich, KölnMitten in der Coronakrise und den damit einhergehenden Unsicherheiten genehmigen sich die Eigentümer der Provinzial Nordwest eine außerordentlich hohe Ausschüttung. Der zweitgrößte öffentliche Versicherer kehrt für das vergangene Geschäftsjahr 106 Mill. Euro an seine Eigner aus. Das ist fast doppelt so viel wie im Jahr zuvor und stellt auch im Vergleich zu den Jahren davor einen absoluten Spitzenwert dar. Der Versicherer hat damit – bis auf etwa 82 000 Euro – seinen gesamten Bilanzgewinn einschließlich der Gewinnvorträge aus den Vorjahren ausgekehrt.Der Grund ist in der anstehenden Fusion mit der Provinzial Rheinland zu suchen. Der Ostdeutsche Sparkassenverband (OSV) will sich noch vor dem Zusammenschluss von seinem Anteil von 2 % an der Provinzial Nordwest trennen. Eine Sprecherin des Verbandes bestätigte den geplanten Ausstieg und sagte, die Verhandlungen zum Verkauf seien weit fortgeschritten. Damit scheidet der kleinste der vier Aktionäre aus dem Eigentümerkreis aus. Nach Informationen der Börsen-Zeitung wollen der Sparkassen- und Giroverband für Schleswig-Holstein, der bislang 18 % der Provinzial besitzt, und der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) die Anteile übernehmen. Der LWL hält bislang 40 % an der Provinzial Nordwest, genauso viel wie der Sparkassenverband Westfalen-Lippe. LWL-Direktor Matthias Löb bestätigte auf Anfrage die Pläne. Der Sparkassenverband Westfalen-Lippe (SVWL) will sich dem Vernehmen nach nicht an der Übernahme der OSV-Anteile beteiligen. Der LWL dürfte damit am fusionierten Provinzial-Konzern künftig einen Tick mehr Anteil haben als der SVWL. Der Unterschied würde sich aber auf weniger als einen Prozentpunkt belaufen. EIOPA dringt nicht durchMit der hohen Ausschüttung stellt sich die Provinzial Nordwest gegen die europäische Aufsichtsbehörde EIOPA, die Anfang April die Erst- und Rückversicherer dringend aufgefordert hatte, vorläufig keine Dividenden zu zahlen. Sie hatte den Vorstoß mit der Unsicherheit über die Auswirkungen der Coronakrise begründet. Die deutsche Versicherungsaufsicht BaFin sieht das allerdings etwas anders und hat sich gegen einen generellen Dividendenstopp ausgesprochen. Sie pocht auf die individuelle Sicht auf einzelne Unternehmen.Im Falle der Provinzial Nordwest hat jedoch auch die BaFin kritisch nachgefragt. “Wir haben dazu zwei ausführliche Stellungnahmen gegenüber der BaFin verfasst, unter anderem zur Wirkung auf Solvenzquote, Risikotragfähigkeit, Liquidität und Gewinn-und-Verlust-Rechnung auch im Lichte von Corona”, teilte der Versicherer mit. Nach den “überzeugenden Begründungen” habe die Aufsicht aber keinen Einwand geäußert.Skepsis angesichts der hohen Ausschüttung haben auch die Arbeitnehmervertreter gezeigt. Allerdings sei wichtig gewesen, dass die Anteile des OSV nicht an Dritte veräußert würden, sagte Verdi-Vertreter Frank Fassin. Auch sei mit der Höhe der Ausschüttung sichergestellt, dass die Provinzial nicht aus der Substanz schöpfe, sondern Gewinnvorträge nutze. Konkurrenten zahlen auchAlle vier großen öffentlichen Versicherer beglücken ihre Anteilseigner in diesem Jahr mit Dividenden. Lediglich die Versicherungskammer Bayern hat nach einem mehr als halbierten Konzernergebnis ihre Ausschüttung etwas gekürzt – allerdings deutlich unterproportional zur Ergebnisentwicklung um lediglich 12 % auf 71 Mill. Euro.Die Provinzial Rheinland hat nach einem deutlich gestiegenen Jahresergebnis ihre Dividende von 18 Mill. auf 24 Mill. Euro erhöht, damit aber nicht einmal ein Drittel des Bilanzgewinns ausgekehrt. Milliarden an AktionäreDie öffentlichen Versicherer verhalten sich damit ähnlich wie die börsennotierte Konkurrenz. Angesichts weitgehend stabiler Solvenzquoten und guter Finanzpolster schütten die Marktführer für 2019 Dividenden in Milliardenhöhe aus. Allianz, Munich Re und Talanx haben allesamt ihre Ausschüttungen im Vergleich zum Vorjahr etwas erhöht.