Provisionen sollen Zinsüberschuss ersetzen

Niedrigzinsumfrage: Banken rechnen mit höheren Wertberichtigungen - Stress-Szenario drückt 68 Häuser unter Kapitaluntergrenze

Provisionen sollen Zinsüberschuss ersetzen

Mit einem spürbar höheren Provisionsüberschuss wollen Deutschlands Banken den Schwund in ihrem Zinsüberschuss fast komplett kompensieren. Die Aufseher stellen offen in Frage, ob das gelingen kann. Stärker noch als der Rückgang im Zinsüberschuss aber dürften bis 2021 Wertberichtigungen belasten.bn Frankfurt – Deutschlands Banken wollen ihre geldpolitisch bedingte Verminderung des Zinsüberschusses nahezu komplett durch eine Ausweitung des Provisionsüberschusses auffangen. Dies hat die neueste Niedrigzinsumfrage von Deutscher Bundesbank und der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) ergeben. Den abgefragten Planzahlen der 1 555 Kreditinstitute zufolge wird sich deren Gesamtkapitalrentabilität, gerechnet als Jahresüberschuss im Verhältnis zur Bilanzsumme, bis 2021 um 16 % reduzieren, und zwar von durchschnittlich 0,51 % auf 0,43 %. Der Jahresüberschuss sollte dabei um 9 % sinken. Zugleich kalkulieren die Institute indes mit einer Ausweitung ihrer Bilanzsumme um 10 %. Während der Rückgang des Zinsergebnisses die Institute demnach 27 Basispunkte kosten wird, sollte die Entwicklung des Provisionsüberschusses die Kennzahl zugleich um 24 Basispunkte in die Höhe hieven (siehe Grafik).Dies zeigt, dass die Folgen des Zinstiefs das Ergebnis der Institute weiter drücken, allerdings in abgeschwächtem Ausmaß. Vor zwei Jahren hatte die Bundesbank nach der damaligen Niedrigzinsumfrage mitgeteilt, die Kreditinstitute rechneten bis 2019 mit einer Reduktion ihres Vorsteuerergebnisses um rund 25 % – “und das trotz derzeit günstiger wirtschaftlicher Rahmenbedingungen sowie geplanter Kostensenkungen”, wie es damals hieß. In einer Pressekonferenz am Mittwoch zogen nun hochrangige Vertreter der Bankenaufsicht die neuesten Projektionen der Institute zur Ausweitung der Provisionseinnahmen mehr oder minder offen in Zweifel. “Das muss man auch hinterfragen”, erklärte Andreas Dombret, im Bundesbank-Vorstand für Bankenaufsicht zuständig. Die “sehr sportliche Annahme” zeuge gleichwohl davon, welche Anstrengungen Banken unternähmen, um Rückgänge im Zinsüberschuss zu kompensieren. Kaum verhohlene Skepsis”Da ist natürlich ziemlich viel Wunschdenken dabei”, sagte Raimund Röseler, bei der BaFin als Exekutivdirektor für Bankenaufsicht zuständig. “Ganz blauäugig” seien die Planungen allerdings nicht. So haben Röseler zufolge viele Banken bereits höhere Entgelte etwa für die Kontoführung durchgesetzt. Anekdotische Erfahrungsberichte von Banken zeugten dabei davon, dass Entgelte erhöhende Institute bislang nicht signifikant Kunden verloren haben. Als schwieriger zu realisieren erweisen sich demnach Pläne, die Einnahmen aus dem Wertpapiergeschäft zu steigern.Die kaum verhohlene Skepsis der Aufseher kann nicht verwundern, sind es doch Banken selbst, die darauf hingewiesen haben, dass sie den Rückfall im Zinsüberschuss schon deshalb nicht durch Provisionserträge würden kompensieren können, da auf den Zinsüberschuss in der Regel drei Viertel und auf Provisionen nur ein Viertel ihres Ertrags entfallen. “Alle Empfehlungen, die Rückgänge bei der Ertragsquelle Zins durch höhere Provisionserträge auszugleichen, sind aus meiner Sicht wohlfeil, da nicht umsetzbar”, hatte etwa Helaba-Chef Herbert Hans Grüntker erklärt. Die Deutsche Kreditwirtschaft (DK) forderte am Mittwoch, dass die “sehr expansive Geldpolitik nicht zum Dauerzustand werden darf, sondern Schritt für Schritt beendet werden muss”.Dabei ist der Rückgang im Zinsüberschuss den Planungen der Banken zufolge gar nicht einmal die größte Ergebnisbelastung bis 2021. Viel stärker noch wird das Bewertungsergebnis ins Kontor schlagen, und zwar mit 43 Basispunkten Rückgang der Gesamtkapitalrentabilität (siehe Grafik). Damit gehen die Institute davon aus, dass die Phase sinkender Wertberichtigungen im Kreditgeschäft nicht mehr sehr lange andauern wird. Dombret zufolge zeugt dies von Realismus, wollen die Banken doch bis 2021 ihre Bilanzsumme ausweiten und damit mehr Risiken eingehen. Ein Drittel der Banken plant infolge eines Anstiegs der Risikoaktiva mit einem Rückgang der Kapitalquote. Aggregiert sollte die Kapitalquote der Institute gleichwohl von 15,9 % auf 16,5 % steigen. Mit einem Sprung im sonstigen Ergebnis, sprich einer reduzierten Bildung stiller Reserven nach HGB 340 g, wollen die Institute diesen Effekt leicht überkompensieren. Dombret wies auf Anfrage darauf hin, dass er eine Auflösung stiller Reserven nicht zu beanstanden habe. Diese Reserven dienten genau dem Zweck, um sie in einer solchen Lage auflösen zu können. Dies könne freilich nur einmal geschehen. Der Stigma-Effekt ist wegDass die Lage der Kreditwirtschaft nicht gewöhnlich ist, zeigt sich an einer überraschend hohen Fusionsbereitschaft der Institute. Der Umfrage von BaFin und Bundesbank zufolge kann sich beinahe jede zweite Bank auf mittlere Sicht Zusammenschlüsse vorstellen. Bei jedem zehnten der befragten Institute sind die Absichten bereits konkret. “Ich entnehme dem, dass der Stigma-Effekt, den Fusionen im Bankensektor einmal gehabt haben, so nicht mehr existiert”, sagte Dombret. Er wies allerdings darauf hin, dass mehr Institute bereit seien, ein anderes Institut zu übernehmen, als selbst übernommen zu werden. Vielleicht werde die Anzahl der Fusionen daher tatsächlich kleiner ausfallen.Von den fünf Stressszenarien, welche die Aufseher die Institute rechnen ließen, würden die beiden Extremvarianten die Institute am ehesten destabilisieren – ein Zinsanstieg um 200 Basispunkte würde die Gesamtkapitalrentabilität 2017 glatt halbieren. Ein nochmaliger Zinsrückgang um 100 Basispunkte wiederum würde sie bis 2021 sogar 60 % Rentabilität kosten. “In allen Szenarien sehen wir eine Erosion der traditionellen Ertragsbasis, aber nirgendwo sehen wir ein flächendeckendes Problem des deutschen Bankensektors”, erklärte Röseler.Im Stresstest, dessen Resultate der Aufsicht als Basis für die Festsetzung individueller Mindestkapitalquoten im Zuge der aufsichtlichen Überprüfung und Bewertung (SREP) dienen, sank die aggregierte harte Kernkapitalquote der Institute auf Einjahressicht um 2,95 Prozentpunkte auf 13,29 %, vor allem wegen des unterstellten Zinsanstiegs und dessen Folgen für verzinste Positionen. Stille Reserven der Institute berücksichtigt, würden infolge des Stresses rund 4,5 % oder 68 der 1 555 Häuser die aufsichtlichen Mindestanforderungen unterschreiten, wie es hieß. “Wir wissen auch, wer die 68 Banken sind. Deswegen sitzen wir hier auch relativ entspannt”, sagte Röseler und deutete damit an, dass es sich um Institute handelt, in deren Fall sich die Aufsicht keine Sorgen um Folgeeffekte macht.Vom Vorhaben, sich zur Lage der deutschen Pensionskassen zu äußern, nahmen die Aufseher fürs Erste Abstand. Die Antworten der Pensionskassen seien “nicht so fundiert” sowie “zum Teil widersprüchlich” gewesen, erklärte Dombret: “Da müssen wir noch eine Qualitätssicherung machen.”