Provisionsverbot – Auf dem Weg in die Servicewüste
Geht es nach dem Willen von EU-Kommissarin Mairead McGuinness, soll es in der EU schon bald keine Provisionen mehr geben, wenn es um die Beratung zu Anlageprodukten geht. Davon wären wohl auch Versicherungsanlageprodukte betroffen. Neben erheblichen Preissteigerungen für substanzielle Anlageberatung werden große Teile von Verbrauchern nicht mehr erreicht – mit fatalen Folgen für die private Alterssicherung.
Die Honorarberatung wird vor allem für Kleinanleger teurer sein als die Provisionsberatung. Verbraucherschutz im Internet ist schwer durchsetzbar. Fehlende Transparenz zu den Vergütungen gibt es allenfalls bei Versicherungen, nicht aber bei Fonds, bei denen alle Kosten minutiös offengelegt werden müssen.
Wie würde eine Welt ohne Provisionen aussehen? Nachfolgend dazu einige Thesen.
Banken und Versicherer werden auch weiterhin ihre Produkte verkaufen wollen und müssen. Es wird deshalb massive Investitionen in den Online-Vertrieb mit breit angelegten (Online-)Medienkampagnen geben, die hohe Kosten verursachen. Zur Abwicklung des gesamten Vertragsservice, den bislang die Vermittler geleistet haben, werden Callcenter und Chat-Möglichkeiten aufgebaut.
Banken und Sparkassen werden den Filialabbau beschleunigen und bei vermögenden Kunden die Honorarberatung forcieren. Gebühren für Konto- und Depotführung sowie die Zinsen für Finanzierungen werden deutlich steigen. Versicherer werden Teile ihres bisher selbständigen Außendienstes in einen angestellten Außendienst umstellen, der im Zweifel deutlich mehr Kosten verursachen und weitaus anfälliger für Miss-Selling sein wird.
Vermittler, die den Schritt in die Honorarberatung versuchen, müssen entsprechende Vereinbarungen und damit höhere Preise beim Kunden durchsetzen. Preisdruck entsteht durch ein somit anfallendes Mahnwesen, um Forderungsausfälle wegen nicht gezahlter Honorare zu begrenzen. Preistreibend wirken auch Umsatzsteuern, die auf die Honorare zu veranschlagen sind. Wegen überhöhter Honorare wird es auf Sicht eine gesetzliche Honorarordnung geben, die klare Vorgaben zum Zeitaufwand für bestimmte Dienstleistungen der Honorarberater sowie für das dafür zulässige Honorar enthalten wird. Auch digitale Vergleichsportale werden mit Blick auf fehlende Provisionseinnahmen Paywalls für die Nutzer aufbauen und per Telefon und Chat verkaufen.
Die Honorarberatung wird den meisten Kleinanlegern zu teuer sein und deshalb wie schon bisher nicht angenommen werden. In einer Flut von Online-Angeboten werden am Ende geradeversich unbedarfte Verbraucherinnen und Verbraucher überfordert sein und Entscheidungen zur Geldanlage und Vorsorge zurückstellen. Online-Abschlüsse werden falsch priorisiert und Verträge nicht richtig dimensioniert werden. Verbraucherinnen und Verbraucher, die ohne Anstoß durch einen Berater ihr Geld auf dem Girokonto belassen und nicht für das Alter vorsorgen, werden unversorgt bleiben. Bei Vertragsänderungen müssen die Kunden auf den Internetseiten der Anbieter allein zurechtkommen, ohne Ansprechpartner.
Welches Bild haben Befürworter eines Provisionsverbotes von der Tätigkeit eines Vermittlers? Offensichtlich ein falsches. Denn deren Tätigkeit beim Kunden besteht vielleicht zu 10% aus Verkauf. 90% entfallen darauf, komplexe Materie in der Sprache des Kunden zu erklären, Möglichkeiten aufzuzeigen, beim Ausfüllen von Formularen zu unterstützen, Fördermöglichkeiten aufzuzeigen, Schriftwechsel und Meldungen an Behörden wie Zulagenstellen, Kindergeldstellen und Finanzämter zu übernehmen, Verträge an veränderte Verhältnisse und Kundensituationen anzupassen und während der Laufzeit für den Kunden Vertragsangelegenheiten zu regeln.
Mit all dem werden Kunden in einer Welt ohne Provisionen im Internet allein gelassen, oder sie werden sich an anonyme Callcenter wenden müssen.