Qualifikationen für das Bankgeschäft von morgen
Die Finanzbranche erlebt einen fundamentalen Umbruch, den viele Experten in den Fachmedien als disruptiv bezeichnen. Nicht zuletzt haben die Fusionsdiskussionen in den letzten Wochen gezeigt, dass gerade in Deutschland die Branche über Geschäftsmodelle der Banken und Sparkassen heiß diskutiert und Antworten für die Zukunft noch nicht gefunden sind.Wer sich aber über die Schlüsselqualifikationen für das Bankgeschäft von morgen Gedanken macht, muss sich zu allererst mit den gravierenden Veränderungen auseinandersetzen, welche die Bankenbranche derzeit vor Herausforderungen stellt, die sämtliche Anpassungsnotwendigkeiten im Zuge der Finanz- und Eurokrise übertreffen. Die Krisenszenarien in der gesamten Wirtschaft und in der Bankenbranche sind noch keineswegs bewältigt. Für die Qualifikation der Bankmitarbeiter von morgen im Privatkundengeschäft sind die entscheidenden Faktoren die veränderten Anforderungen und Erwartungen, welche Kunden an das Bankgeschäft stellen, und zwar vor allem bedingt durch den Megatrend der Digitalisierung.Die Hochschule der Sparkassen-Finanzgruppe hat zusammen mit dem Institut für angewandtes Wissen e.V. (iaw-köln) mehrere Studien durchgeführt, die sich mit veränderten Kundenanforderungen befassen. Dabei haben sich zwei wesentliche Erkenntnisse herauskristallisiert:Erstens verhält sich ein und derselbe Kunde in seinen Erwartungen in verschiedenen Situationen ganz unterschiedlich, weshalb eine Segmentierung der Kunden selbst in einen noch so ausgeklügelten Cluster nicht ausreicht. Das heißt der Kunde und seine Ansprüche an die Beratung müssen aus dessen jeweiliger Situation betrachtet werden.Zweitens hat sich das Verhalten der Kunden drastisch verändert. Wie auch in anderen Konsumwelten informiert sich der Kunde zuallererst im Internet und entscheidet dann, ob er gleich über den Point of Sale im Internet abschließt oder ob er sich doch von kompetenter Seite beraten lassen möchte. Auch dann hängt es entscheidend von der Beratungskompetenz ab, ob ein Abschluss zu Stande kommt. Gleichzeitig steigt die Bereitschaft der Kunden, sich auf Vergleichsportale zu verlassen, Beratungen auch per Robo Advising via Computer zu akzeptieren und sich gegenüber neuen Anbietern wie Amazon oder Apple, Facebook oder Paypal für Finanzdienstleistungen zu öffnen.Bereits diese wenigen Beispiele und Trends verdeutlichen, dass sich die Schlüsselqualifikationen von den Bankbeschäftigten in Zukunft weiter verändern werden. Hierbei muss allerdings differenziert werden, welche Mitarbeitergruppen im Fokus stehen.Für die Gruppe der Berater und Beraterinnen im Privatkundengeschäft ist der Schwerpunkt auf folgende Qualifikationen zu legen: In erster Linie gilt es, die Beziehungskompetenzen der Berater weiter zu stärken. Traditionell wurde die Beziehung zwischen dem Berater und dem Kunden immer als langfristige persönliche Beziehung betrachtet. Im Idealfall gilt dies auch weiterhin. Was sich aber verändert hat, ist die Kundentreue zur Bank. Festzustellen ist eine erhöhte Wechselbereitschaft gepaart mit dem Wunsch der Kunden, aus der Situation heraus eine kompetente und zeitnahe Beratung zu erfahren. Vertrauen aufbauenDie Studien über die Erwartungshaltungen der Kunden haben zudem klar ergeben, dass bei komplexeren Themen wie zum Beispiel die Erstfinanzierung einer Immobilie die Kunden in aller Regel mindestens zwei oder drei Termine bei unterschiedlichen Anbietern wahrnehmen. Hieraus folgt, dass es den Beratenden gelingen muss, sehr schnell eine vertrauensvolle Beziehung zur Kundschaft aufzubauen und dies insbesondere dann, wenn sich die beiden Parteien zum ersten Mal zusammenfinden. Verbindlich auftretenFür alle Situationen in der Beratung gilt es, die Beziehungen zu stärken, beispielsweise durch ein sehr verbindliches Auftreten. Beziehungskompetenz bedeutet gleichermaßen, Netzwerke aufzubauen und zu pflegen, beispielsweise im Immobiliengeschäft zu Maklern, Notaren, aber auch zu möglichen Finanzierungspartnern und Förderinstituten bis hin zu Bauunternehmen und Handwerksbetrieben. Die entscheidende Schlüsselqualifikation wird sein, dass sich der Berater in die Situation seiner Kundschaft und deren Probleme und Herausforderungen hineinversetzen kann. Darüber hinaus werden auch digitale Ökosysteme eine zunehmende Rolle spielen. Der Berater muss sich mit diesen digitalen Welten auseinandersetzen und dem Kunden dabei Orientierung geben können. Digitale KompetenzMit der fortschreitenden Digitalisierung und der damit einhergehenden Nutzung aller Vertriebskanäle lässt sich zweifelsohne als weitere zentrale Schlüsselqualifikation der Zukunft die digitale Kompetenz der Bankbeschäftigten identifizieren. Stellt man im Kompetenzfeld Kunden- und Serviceorientierung das digitale Anforderungsprofil eines Mitarbeiters heraus, so lassen sich folgende Kompetenzen ableiten: Der/die Mitarbeiter/in kann die Grundbegriffe der digitalen Technik erläutern, bewirbt sowohl die Online- als auch die mobilen Lösungen des Kreditinstituts proaktiv, kennt die digitalen Service- und Beratungsprozesse des eigenen Instituts und zum Teil auch die des Wettbewerbs und wendet diese zeitlich und örtlich flexibel an, erkennt die von den Kunden präferierten digitalen Kommunikationskanäle und wendet die digitalen Beratungsprozesse und medialen Opportunitäten ziel- und adressatengerecht an.Dabei sind weitere Kompetenzbereiche im Zusammenhang mit der digitalen Kompetenz der Mitarbeiter noch um Stichworte wie Selbstorganisation, analytische Fähigkeiten oder auch Wertebewusstsein (Datenschutz, Verhalten in sozialen Netzwerken, etc.) zu erweitern.Setzt man konsequent die Brille der Kunden auf, so kann darüber hinaus festgestellt werden, dass sich die Kunden wünschen, mit dem Berater auf Augenhöhe zu kommunizieren. Dabei “übersetzt” der Berater komplexe Sachverhalte und macht diese für den Kunden verständlich. Es wird jedoch keineswegs vom Berater erwartet, dass er alle fachlichen Feinheiten selbst beherrscht. Die Einbindung weiterer Expertise wird durchaus sehr geschätzt.Die Schlüsselqualifikationen, die auch in der Zukunft Bestand haben werden, lassen sich wie folgt formulieren: Nach wie vor zählt eine ausgeprägte Kunden- und Serviceorientierung, die sich als hohes Interesse am Kundenbedürfnis mit individuellen, ideenreichen und flexiblen Antworten zu lösungsorientierten Angeboten verdichtet. Hervorragende Kommunikationsfähigkeiten wie aktives Zuhören mit adressatengerechten Umgangsformen, selbstbewusstes, gewinnendes Auftreten sowie Begeisterungsfähigkeit für die eigenen Angebote gehören ebenfalls dazu. Der Kunde erwartet, dass der Berater das Banking für ihn einfach macht und komplexe Informationen in Worten ausdrückt, die der Kunde je nach eigenem Vorwissen gut verstehen kann. Was bleibt als Aufgabe?Die genannten Beispiele der Schlüsselqualifikationen für das Bankgeschäft von morgen wurden aus dem Privatkundengeschäft und auf der Basis von Kundenbefragungen zu deren Erwartungen vor dem Hintergrund sich aktuell schnell verändernder Rahmenbedingungen abgeleitet. Die vorgestellten Gedanken verkennen nicht die Komplexität der vielen, äußerst unterschiedlichen Arbeitsplätze in den Kreditinstituten. Diese reichen von der strategischen Planung über das Risikomanagement, von einem modernen Projektmanagement und dessen Begleitung durch agile Projekte der Personal- oder Organisationsabteilung, von der Vertriebssteuerung im Firmen- und Privatkundengeschäft über die Kundenberatung in den Geschäftsbereichen und vom Vorstand bis zur Informationstechnologie und einem guten Service im Call-Center. Auf Wesentliches konzentrierenEs bedarf daher differenzierter und aussagekräftiger Anforderungsprofile für alle Arbeitsplätze, welche die heutigen und künftigen Herausforderungen des Bankgeschäfts – oder besser: der gewählten Geschäftsmodelle der Kreditwirtschaft – erfüllen. Der konsequente Blick auf die Erwartungen der Kunden wird dabei helfen, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren, ohne die notwendigen Spezialqualifikationen des einzelnen Arbeitsplatzes zu vernachlässigen.Die Ergebnisse und Erfahrungswerte aus den genannten Studien zu den veränderten Kundenerwartungen fließen in die Lehre an der Hochschule der Sparkassen-Finanzgruppe ein. Dieser Forschungstransfer gewährleistet die passgenaue Vermittlung von Kompetenzen in den berufsbegleitenden Bachelor- und Master-Studiengängen, die im Bankgeschäft von morgen gefordert werden. Dieter Rohrmeier, Professur für Management, Personal und Organisation an der Hochschule der Sparkassen-Finanzgruppe – University of Applied Sciences, Bonn