GASTBEITRAG

Quantencomputer verändern die Finanzwelt

Börsen-Zeitung, 9.9.2017 Vor drei Jahrzehnten war die theoretische Realisierbarkeit von Quantencomputern Gegenstand von wissenschaftlicher Forschung. Heute stehen die Prototypen zum Kauf bereit, wenn auch zu Preisen, die derzeit nur für...

Quantencomputer verändern die Finanzwelt

Vor drei Jahrzehnten war die theoretische Realisierbarkeit von Quantencomputern Gegenstand von wissenschaftlicher Forschung. Heute stehen die Prototypen zum Kauf bereit, wenn auch zu Preisen, die derzeit nur für Großunternehmen erschwinglich sind.So haben Unternehmen wie Google, die NASA, Volkswagen und Temporal Defense Systems 15 Mill. Dollar bezahlt, um das neueste Modell eines Quantencomputers des kanadischen Tech-Unternehmens D-Wave Systems, den D-Wave 2000Q, zu kaufen. Um ein Gefühl für die Leistung von Quantencomputern zu bekommen, reicht es, sich vorzustellen, dass ihr wankelmütiger Nachbar einen Quantencomputer besitzt, der in der Lage ist, die kompliziertesten verschlüsselten Nachrichten zu dekodieren und jedes Passwort in wenigen Minuten zu enthüllen. Er kann die geheime Kommunikation zwischen den Menschen sehen und Zugang zu jeder Datenbank erhalten. Es klingt wie eine Zukunftsgeschichte aus einem James-Bond-Film, wird aber bereits in Kürze Realität sein.Schwierige Probleme, für die klassische Computer keine effiziente Lösung finden, können mit Quantencomputern schnell und einfach gelöst werden. Auch die Kryptografie-Methoden, die Quantenmaschinen anbieten, sind weitaus sicherer als klassische Computer. Verschlüsselung bedrohtIm Gegensatz zu Hackern, die einen Bug in einem System finden müssen, um es zu durchdringen, können Quantencomputer auch die besten und “sichersten” klassischen IT-Systeme bedrohen. Eine der bekanntesten Verschlüsselungsmethoden, die fast alle Banken verwenden, ist der RSA-Algorithmus, benannt nach den drei Computerwissenschaftlern Ron Rivest, Adi Shamir und Leonard Adleman, die diese Methode erfunden haben.Die Macht dieser Verschlüsselungsmethode beruht auf der Tatsache, dass, obwohl die Multiplikation von zwei Primzahlen ein sehr einfaches Problem ist, eine Faktorisierung einer gegebenen Zahl in primäre Faktoren im Allgemeinen sehr schwierig ist. Mit anderen Worten: Ein klassischer Computer kann zwei Primzahlen in einer effizienten Weise multiplizieren, aber er kann eine Zahl nicht in ihre primären Faktoren effizient faktorisieren.Die meisten Banken nutzen ein RSA-1024-System, um ihre Online-Kunden zu schützen. Es bedeutet, dass sie “öffentliche Schlüssel” von 1024 Bits verwenden, die mit der RSA-Methode verschlüsselt sind. Um diese Methode zu entschlüsseln, benötigt ein klassischer Computer 1 000 Jahre Berechnungszeit.Im Jahr 1994 entwarf Peter Shor, ein US-amerikanischer Informatiker, einen Quantenalgorithmus, der es einem Quantencomputer ermöglicht, die RSA-Verschlüsselung in wenigen einfachen Schritten zu dekodieren, das heißt in wenigen Stunden. Hier und zugleich dortDie Überlegenheit der Quantencomputer resultiert aus einem der Grundprinzipien der Quantenmechanik: Superposition. In der Quantenwelt sind Partikel ausgedehnte Objekte, zum Beispiel über eine räumliche Region, anstatt an einem bestimmten Punkt zu sein – wie Wellen, die sich erweitern. Die Natur der Quantenteilchen ist daher eher probabilistisch; das heißt, mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit kann jedes Quantenteilchen an irgendeinem Punkt des Raumes gefunden werden, im Gegensatz zu unserer allgemeinen Vorstellung, wonach ein klassisches Teilchen sich entweder an einem bestimmten Punkt befindet oder eben nicht.Es gibt mehrere Illustrationen, die versuchen, diesen Effekt in einfachen Worten zu erklären. Man stellt sich zwei Skifahrer vor, einen klassischen und einen Quanten-Skifahrer. Sobald sie einen Baum beim Skifahren erreichen, muss der klassische Skifahrer die rechte Seite oder die linke Seite des Baumes wählen.Erst nach der Fahrt auf beiden Seiten kann er herausfinden, welcher Weg kürzer war. Der Quanten-Skifahrer kann jedoch gleichzeitig über verschiedene Bahnen, einschließlich der kürzesten, Ski fahren. Das macht er in einer “Superposition”. Schneller zur LösungSuperposition ermöglicht es Quantencomputern, Rechnungen exorbitant schneller als ihre klassischen Brüder durchzuführen. Ähnlich wie bei klassischen Computern, die mit Bits arbeiten, verwenden Quantencomputer Quantum-Bits, die als Qubits bekannt sind. Dank der Superposition können Qubits zu jeder Zeit sowohl 0 als auch 1 mit gewissen Wahrscheinlichkeiten sein – eine Leistung, die auch die schnellsten klassischen Computer, also Supercomputer, nicht erreichen.”Quantenoperatoren”, ähnlich klassischen Operatoren, transformieren und manipulieren diese Qubits nach “Quantenalgorithmen”, die entworfen worden sind, um die Probleme zu lösen. Somit unterscheiden sich Quantencomputer grundlegend von Supercomputern, was ihnen ermöglicht, Probleme viel schneller als klassische Computer anzugehen.So können zum Beispiel Quantencomputer beim Börsenhandel mit außergewöhnlicher Geschwindigkeit und Effizienz jeden Händler mit klassischen Computern übertreffen. Aufgrund ihrer Fähigkeit, andere Systeme zu durchdringen, können sie zudem beobachten, was andere Händler tun. Beim Hacken eines bestimmten konventionellen Computersystems bedeutet das nicht, dass andere konventionelle IT-Systeme angegriffen werden. Für einen Quantencomputer sind alle klassischen Systeme in gleichem Maße leicht zugänglich.Während Wissenschaft und Technologie des Quantencomputers schnell vorankommen, scheinen die politischen Entscheidungsträger dieser Entwicklung hinterherzuhinken. Jede neue Technologie kann positiv oder negativ für die Menschheit eingesetzt werden, deshalb braucht es einen Rahmen. Bis jetzt gibt es in Bezug auf Quantenrechner noch keine globale Regulierungsstelle, um ihre Verwendung zu bestimmen, wie IT-Experten monieren.Bis auf die letzte Minute zu warten, um einen Rahmen zu entwerfen oder das Problem zu beheben, könnte sehr riskant werden. Der Millennium Bug und das Chaos, das er in den letzten Tagen des Jahres 1999 verursachte, erscheinen im Vergleich zu den potenziellen Konsequenzen eines Missbrauchs von Quantencomputern lächerlich klein.Derzeit verfügt D-Wave Systems über Investoren aus unterschiedlichen Bereichen, darunter auch In-Q-Tel, den Hightech-Arm der CIA. Natürlich fördern die Investoren dabei neue Ideen von Unternehmen, um ihre Interessen zu verfolgen oder sich in Zukunft hohe Gewinne zu sichern. Allerdings bieten Quantencomputer aufgrund ihrer unvergleichlichen Fähigkeiten, verglichen mit klassischen Systemen, viel mehr als andere Tech-Ideen. Es ist schwer zu glauben, dass Investoren diese Technologie, wie jede andere geschäftliche Beteiligung, einfach verkaufen, wenn sie ausgereift ist.Auch wenn die Effizienz von D-Wave-Produkten unter Wissenschaftlern immer noch umstritten ist – fest steht, dass Quantencomputer Einzug in unseren Alltag halten werden. Deshalb könnte es alle Nationen teuer zu stehen kommen, wenn sie bei der Vorbereitung und Anpassung der heutigen IT-Systeme Zeit verlieren.—-Mahya Karbalaii, CEO Takwin Business Solutions