Quantitative Easing zeigt deutliche Spuren im Markt

Jeder zweite Pfandbrief mit negativer Rendite - Verstärkt im Wettbewerb mit anderen Instrumenten - Qualitätsmerkmale dürfen nicht zur Disposition stehen

Quantitative Easing zeigt deutliche Spuren im Markt

Mit ihrem als Quantitative Easing (QE) titulierten Ankaufprogramm für Wertpapiere hat die Europäische Zentralbank (EZB) seit Januar deutliche Spuren an den europäischen Rentenmärkten hinterlassen. Zwar steht der Ankauf von Staatsanleihen im Fokus des Programms, zu leicht wird jedoch vergessen, dass es ursprünglich einmal als eine Erweiterung des im Oktober 2014 beschlossenen Programms zum Ankauf von Asset Backed Securities (ABS) und Covered Bonds (Covered Bonds Purchase Programme 3, CBPP3) angekündigt worden war. Unter dem CBPP3 hatte die EZB bis Ende Mai für insgesamt 85 Mrd. Euro Covered Bonds auf ihre Bücher genommen – mehr als 82 % davon übrigens aus dem Sekundärmarkt. Damit beläuft sich der Anteil der Covered Bonds am QE-Programm auf knapp 36 %.Was bedeutet das für die Renditen? Die Ankündigung des CBPP3 im Oktober 2014 und des Quantitative Easing im Januar 2015 haben den Renditerückgang am Covered-Bond-Markt beschleunigt. Weite Teile des Covered-Bond-Marktes verzeichnen seit Jahresanfang gar negative Sekundärmarktrenditen. Von den im Iboxx EUR Covered Index vertretenen Anleihen wies volumengewichtet beinahe jede fünfte Emission eine negative Rendite auf – und dies trotz des deutlichen Sell-off im Monat Mai. Mehr noch: Weit über 90 % der Anleihen verzeichneten eine Rendite von weniger als 1 %. Ein noch deutlicheres Bild ergibt ein Blick auf den deutschen Pfandbrief: Knapp jeder zweite Pfandbrief weist mittlerweile eine negative Rendite aus, und nur drei aus hundert rentieren über 1 %.Zudem lässt sich aufgrund nachlassender Liquidität eine sukzessive Austrocknung des Marktes beobachten. Das liegt zum einen im Hold-to-Maturity-Ansatz der EZB begründet, der dem Markt handelbare Wertpapiere entzieht, zum anderen aber auch an der Tatsache, dass sich für Investoren zwar bei einem Verkauf stille Reserven heben lassen, die ungelöste Frage nach der Wiederanlage aber viele davon abhält, ihre Portfoliostruktur zu ändern.Erinnern wir uns: Neben der Bekämpfung der Deflationsgefahr war das CBPP3 unter anderem auch mit der Notwendigkeit begründet worden, dass die Kreditversorgung in der Eurozone verbessert werden müsse. Der Covered-Bond-Markt in Europa war allerdings vor der Ankündigung bereits ein funktionierender Markt: Der Marktzugang für Emittenten – auch aus der Peripherie – war gegeben. Es stellt sich also die Frage, ob die Maßnahme ihr Ziel erreicht hat – zumal die zurückhaltende Kreditvergabe nicht nur liquiditätsbedingt war, sondern auch von anderen Faktoren wie ungünstigen Konjunkturdaten und spezifischen Risikoeinschätzungen abhing. Wandel bei InvestorenWas machen Investoren? Das historisch niedrige Renditeniveau hat zu einer starken Verschiebung zwischen den verschiedenen Pfandbrief-Investorengruppen geführt. Vereinfacht gesagt: Dem Rückgrat der Refinanzierung von Immobilieninvestitionen in Deutschland laufen die traditionellen Investorengruppen davon. Pensionskassen, Lebens- und Sachversicherungen sowie Versorgungswerke können wegen des extrem niedrigen, teilweise gar negativen Renditeniveaus über Zinskupons von Pfandbriefen keine ausreichenden Liquiditätsströme mehr für ihre Zahlungsverpflichtungen generieren. Die erforderlichen Renditen für die Absicherung der Liquiditätsströme liegen bei 2,5 bis 3 %, was Covered Bonds und insbesondere Pfandbriefe angesichts der oben angeführten Niedrigrenditen als Anlageinstrumente ausschließt.Auch Privatpersonen, bei denen der Pfandbrief in der Vergangenheit aufgrund seiner Sicherheit beliebt war, tun sich mit der Anlage in nahezu renditelose Pfandbriefe schwer.Übrig bleiben die Zentralbanken und die Liquiditätsportfolien von Banken als Anlegerbasis für Euro-Covered-Bonds. Für Letztere sind Covered-Bond-Benchmarks vor allem deshalb interessant, weil sie als liquide Aktiva der Stufe 1 gemäß den Kriterien der Mindestliquiditätsquote (Liquidity Coverage Ratio, LCR) bewertet werden – ebenso wie Staatsanleihen. Den Ausschlag für die Kaufentscheidung zugunsten des Covered Bond gibt dabei oft genug ein, wenn auch kleiner, Renditeaufschlag gegenüber Staatsanleihen.Dass Covered Bonds durch die Maßnahmen der Zentralbank an Attraktivität für bestimmte Investoren verlieren, hat die EZB anscheinend bewusst in Kauf genommen. Denn ein Ziel des CBPP3 vom Oktober 2014 war ausdrücklich, einen “positiven Spill-over für andere Märkte” zu erreichen. Die Investoren sollten gezwungen werden, verstärkt in andere, mitunter risikoreichere Asset-Klassen zu investieren, um eine halbwegs akzeptable Gesamtrendite zu erzielen – vorausgesetzt, die individuellen Anlagebedingungen des Investors erlauben Investments z. B. in Aktien, nachrangige Anleihen, direkte beziehungsweise indirekte Kredite oder Fremdwährungen. In Anbetracht des auf Sicherheit ausgerichteten Managementauftrags vieler institutioneller Investoren in Deutschland erscheint jedoch der geforderte Strategieschwenk wegen der damit verbundenen Risiken gesellschaftspolitisch fragwürdig.Welche Folgen hat das für die Pfandbriefemittenten? Auf den ersten Blick wirkt die aktuelle Marktsituation für sie paradiesisch. Schließlich unterstützt die EZB als Investor den Markt zuverlässig durch ihre monatlichen Ankäufe. Zudem können Pfandbriefe aktuell so günstig wie noch nie platziert werden.Sollten sich mittelfristig die Verhältnisse aber wieder normalisieren, stellt sich eine wichtige Frage: Steht dann die bisher so verlässliche Investorenbasis für den Pfandbrief – zuallererst Versicherer und Versorgungswerke – wieder im gewohnten Umfang zur Verfügung? Die Antwort ist nicht selbstverständlich, denn aufgrund der beschriebenen veränderten Marktlage haben viele Investoren Geld und Kapazitäten eingesetzt, um Kompetenz auch für andere Asset-Klassen aufzubauen. Diese neuen Kompetenzen dürften in einer normalisierten Marktlage nicht einfach wieder eingestellt werden. Investoren werden deshalb nach einem längeren Rückzug aus dem Pfandbriefmarkt nicht zwangsläufig wieder bereitstehen, wenn sich die Pfandbriefrenditen wieder auf höherem Niveau befinden. Der Pfandbrief dürfte also dauerhaft bei seiner traditionellen Klientel in einem stärkeren Wettbewerb mit anderen Instrumenten stehen – und das mit allen Konsequenzen hinsichtlich des Relative Value.Wie lässt sich die Investorenbasis nachhaltig sichern? Vor dem beschriebenen Hintergrund gewinnt die Pflege der Investorenbasis für Pfandbriefbanken an Bedeutung. Dabei geht es aber nicht nur darum, die inländischen Investoren “bei der Stange zu halten”, sondern auch darum, den Pfandbrief im Ausland als liquides High-Quality-Produkt für eine Investition in Euro zu vermarkten. Das dürfte jedoch nicht ohne Konsequenzen für das Emissionsverhalten von Pfandbriefemittenten bleiben: Benchmark-Emissionen werden zunehmen, Namenspapiere bzw. Private Placements dürften seltener werden. Alternative: FremdwährungEine weitere Möglichkeit, im aktuellen Renditeumfeld neue Investoren zu gewinnen oder bestehenden Anlegern eine Alternative zu bieten, ist die Emission von Pfandbriefen in Fremdwährungen. Diese bieten neben der teilweise höheren und steileren Zinskurve in anderen Währungen üblicherweise einen Credit-Spread-Aufschlag zu vergleichbaren Emissionen in Euro. Daher können Fremdwährungspfandbriefe auch für klassische Euro-Investoren eine interessante Alternative darstellen, sofern ihre Währungserwartung zu der entsprechenden Position passt.Dabei darf eines auf keinen Fall geschehen: Im veränderten Wettbewerb mit anderen Anlageformen im In- und Ausland dürfen die herausragenden Qualitätsmerkmale des deutschen Pfandbriefs nicht zur Disposition stehen. Nur unter diesen Bedingungen wird der deutsche Pfandbrief auch in Zukunft seinen Platz im nationalen und internationalen Anlageuniversum behalten.—Thomas Ortmanns, Mitglied des Vorstands der Aareal Bank