INVESTOR RELATIONS - PRO

Quartalsberichte sind doch gar nicht das Problem

Es geht um Erwartungsmanagement - nichts anderes

Quartalsberichte sind doch gar nicht das Problem

Im Jahre acht der Finanzkrise wird immer noch darüber räsoniert, wie man der vermeintlichen Casino-Mentalität, vulgo: dem Zocken, in einigen Bereichen der Finanzmärkte Einhalt gebieten kann. In den USA haben sich kürzlich einige große institutionelle Investoren und Pensionskassen vehement für langfristig orientiertes Anlegen ausgesprochen und als ein Grundübel und einen Verstärker der Finanzkrise kurzfristiges Spekulieren mit Wertpapieren ausgemacht (Focusing Capital on the Long Term http://www.fclt.org/).Langfristig ist gut, kurzfristig ist schlecht. Ist das so? Das kommt aus einem Land, das in einigen Bundesstaaten sexuelle Praktiken verbietet, das aber die größte Pornografie-Industrie beherbergt. Dass Raucher wie psychisch Kranke stigmatisiert, aber in dem praktisch alle Tabakkonzerne dieser Welt domizilieren. Ich finde die gerade in den USA geführte Langfristigkeitsdebatte scheinheilig. Nach mir die SintflutWorum geht es wirklich? Schädlich ist es, wenn Manager auf Biegen und Brechen versuchen, Erwartungen des Kapitalmarktes zu treffen oder zu übertreffen. In der für die Betriebswirtschaft typischen Blutleere spricht man vom Principal-Agent-Problem und meint damit, dass angestellte Manager (Agents) Entscheidungen treffen, die ihnen nutzen (an Ziele gekoppelte Boni oder Aktienoptionen), die allerdings den Eigentümern (Principals) schaden, weil sie Wert vernichten. Klassiker dieses Phänomens sind unter anderem die Reduzierung von CapEx oder Forschung & Entwicklung oder der Verkauf von ganzen Sparten, wodurch sich kurzfristig die Rendite erhöhen lässt. Gefährdet wird allerdings dabei das langfristige Überleben des Unternehmens, wenn – siehe BP – der Mangel an rechtzeitig durchgeführten Ersatzinvestitionen in technische Infrastruktur zu massiven Betriebsunfällen führt oder wenn nach dem Tod sogenannter Cashcows keine neuen Produkte mehr in der Pipeline sind. Törichtes HandelnNicht von der Hand zu weisen ist auch, dass ständiges Handeln und Umschichten des Portfolios Rendite frisst und sich daraus das Gebot ableiten lässt, mit Augenmaß und Konzentration das Portfolio zu ändern, und nicht bei jeder schlechten Nachricht eines Unternehmens, oder wenn der Quartalsbericht nicht den Erwartungen entspricht, sofort zu verkaufen. Wer aber nur langfristiges Investieren als gutes Investieren durchsetzen will, verkennt, dass Aktieninvestments sich immer darum drehen, bei einem Tief, einer Unterbewertung einzusteigen und quasi auf dem erahnten Zenit des Aktienpreises auszusteigen. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Arbitrage drei Monate oder drei Jahre braucht.Unternehmerisch kurzfristig Handeln, um Kapitalmarkterwartungen zu treffen, wie auch hektisches Kaufen und Verkaufen von Aktien aufgrund vereinzelter Signale ist töricht. Ich bin davon überzeugt, dass es vielen Kritikern von Quartalsberichten um diese Art Verhalten geht, und sie haben Recht damit, es zu kritisieren. Aber sie setzen am falschen Ende an. Was hat das mit Quartalsberichten zu tun? Würde unternehmerische Anorexie aufhören, wenn es keine Quartalsberichte mehr gäbe? Wäre hyperaktives Investieren ein Phänomen der Vergangenheit? Ich glaube nicht.Der Kern von Investor Relations (IR) ist das Management von Erwartungen. Wenn die Ergebnisse im Quartalsbericht schlechter sind, als die Märkte erwarten, dann zeigt sich die Qualität der IR. Ich mag mir kein Unternehmen vorstellen, das nicht über einen Zeithorizont von mehreren Monaten, wenn nicht gar Jahren plant und in der Lage ist, unterjährig darüber zu berichten. Aber ich verstehe, dass der in den vergangenen Jahren gestiegene Reporting-Aufwand gerade für kleinere Unternehmen eine Belastung darstellt, der man sich gerne entledigen würde. Insbesondere dann, wenn sich für die Aktie kaum noch Käufer finden lassen.—Ralf Frank, Geschäftsführer der DVFA