GASTBEITRAG

Quotrix und Co. im Einklang mit geltendem Recht

Börsen-Zeitung, 22.9.2017 Börsliche Ein-Market-Maker-Systeme wurden in Deutschland schon vor der Einführung der Finanzmarktrichtlinie Mifid I betrieben. Das elektronische Handelssystem Quotrix gibt es bereits seit dem Jahr 2001. Die Handelssysteme...

Quotrix und Co. im Einklang mit geltendem Recht

Börsliche Ein-Market-Maker-Systeme wurden in Deutschland schon vor der Einführung der Finanzmarktrichtlinie Mifid I betrieben. Das elektronische Handelssystem Quotrix gibt es bereits seit dem Jahr 2001. Die Handelssysteme Market Maker Munich (Gettex) und Lang & Schwarz Exchange kamen dann in den Jahren 2015 und 2016 hinzu. Diese Handelssysteme kennzeichnet, dass Ausführungen grundsätzlich gegen lediglich einen Market-Maker erfolgen, wobei dies bei Gettex bloß teilweise zutrifft. Es ist schon seit über 15 Jahren streitig, ob derartige Handelssysteme multilaterale Systeme sind.Bereits vor der Implementierung von Mifid I entwickelte die Börsensachverständigenkommission die Rechtsansicht, dass Ein-Market-Maker-Systeme keine Handelssysteme mit Marktplatzfunktion seien. Dieser Ansatz wurde von der Vorgängerbehörde der europäischen Wertpapieraufsicht ESMA, dem Committee of European Securities Regulators (CESR), fortgeführt, indem sie Handelssysteme, bei denen lediglich ein Market-Maker der Kontrahent aller Geschäfte ist, als bilaterale Systeme einstufte. Im Rahmen von Mifid I und nunmehr in der begleitenden Verordnung Mifir (Erwägungsgrund 7, S. 2), niedergelegt, dass ein bilaterales System vorliegen soll, wenn eine Wertpapierfirma jedes Geschäft für eigene Rechnung tätigt, auch wenn sie als risikolose Gegenpartei zwischen Käufer und Verkäufer steht. Dies wurde als Ausdruck der vorgenannten Einstufung der ESMA gesehen. Andere RechtsansichtVor diesem Hintergrund kann es für Quotrix als ein glücklicher Umstand bezeichnet werden, dass die Börsenaufsicht des Landes Nordrhein-Westfalen bereits vor der Implementierung von Mifid I ihre Erlaubnis erteilt hat. Jahre später sind ihr die Börsenaufsichtsbehörden der Länder Bayern und Hamburg gefolgt und haben den börslichen Betrieb der Handelsplattformen Market Maker Munich (Gettex) und Lang & Schwarz Exchange erlaubt. Der deutsche Ansatz widerspricht der Rechtsansicht anderer europäischer Aufsichtsbehörden, beispielsweise der Financial Conduct Authority (FCA) im Vereinten Königreich.Beide Ansichten können sich auf den Erwägungsgrund 7 auf Seite 2 der Verordnung Mifir berufen. Die Ansicht der europäischen Wertpapierbehörde und der anderen europäischen Aufsichtsbehörden berücksichtigt allerdings nicht den Hintergrund und den Gesamtzusammenhang der reformierten Finanzmarktrichtlinie Mifid II und von Mifir.Die Trennung von multilateralen und bilateralen Systemen geht einher mit der Trennung von Handelsplätzen auf der einen Seite und systematischen Internalisierern sowie sonstigen Over-the-Counter-Market-Makern auf der anderen Seite. Handelsplätze führen per Definition die Handelsinteressen Dritter zusammen. Da jedenfalls der Handelsplatzbetreiber nicht Dritter sein kann, ist ihm ein Zusammenführen mit eigenen Handelsinteressen nicht gestattet. Das wird auf der Rechtsfolgenseite durch entsprechende Verbote bekräftigt. Eine Ausnahme besteht lediglich für Betreiber von organisierten Handelssystemen, die Handelsinteressen in Bezug auf illiquide öffentliche Schuldtitel auch gegen sich selbst auszuführen dürfen.Dem Handelsplatz stellen Mifid II und Mifir die systematischen Internalisierer und sonstige OTC-Market-Maker gegenüber. Sie betreiben ein Handelssystem, in dem sie Handelsinteressen Dritter gegen sich selbst ausführen und in diesem Rahmen Handel für eigene Rechnung betreiben. Es ist ihnen nicht gestattet, auch die Handelsinteressen Dritter untereinander in einer dem Handelsplatz vergleichbaren Weise zusammenzuführen. Von Drittem betriebenDaraus ergibt sich für die Abgrenzung von multilateralen und bilateralen Systemen, dass der Betreiber eines multilateralen System lediglich die Handelsinteressen Dritter zusammenführt. Der Betreiber eines bilateralen Systems führt hingegen die Handelsinteressen Dritter gegen sich selbst aus. Demnach kann ein Ein-Market-Maker-System jedenfalls als Börse (geregelter Markt) betrieben werden, solange ein Dritter und nicht der Betreiber in dem System als der einzige Market-Maker agiert.Für multilaterale und organisierte Handelssysteme gibt es allerdings – anders als für Börsen – eine besondere Rechtsfolge. Hier muss der Betreiber sicherstellen, dass alle Handelsteilnehmer oder Kunden mit allen Übrigen interagieren können. Da dies bei reinen Ein-Market-Maker-Systemen nicht möglich ist, dürfen diese nicht als multilaterales oder organisiertes Handelssystem betrieben werden.Diese Auslegung wird auch von Aspekten des Anlegerschutzes getragen. Börsen bieten Anlegern ein hohes Schutzniveau, weil sie verpflichtet sind, das Zustandekommen marktlagegerechter Preise zu gewährleisten. Dementsprechend ist der Market-Maker in einem börslichen Ein-Market-Maker-System verpflichtet, marktlagegerechte Preise zu quotieren. Dies kann von der Handelsüberwachungsstelle der Börse aufgrund ihrer Marktnähe effizient überwacht werden.Könnten Ein-Market-Maker-Systeme nicht auch von Börsen betrieben werden, wäre der Betrieb ausschließlich im Rahmen eines bilateralen Systems von einem systematischen Internalisierer oder sonstigen OTC-Market-Makern möglich. Da in bilateralen Systemen kein vergleichbar hoher Anlegerschutz gewährleistet ist, wäre der Anleger schlechter gestellt, wenn das Gesetz nicht auch den Betrieb börslicher Ein-Market-Maker-Systeme gestatten würde.Vor diesem Hintergrund berücksichtigt die enge Auslegung von Erwägungsgrund 7 Seite 2 in der Verordnung Mifir nicht den Umstand, dass ein Ein-Market-Maker-System auch von einem anderen als dem Market-Maker selbst betrieben werden kann. Bei einer Mifir-konformen Interpretation muss der Erwägungsgrund dahingehend verstanden werden, dass sich ein bilaterales System dadurch auszeichnet, dass der Systembetreiber jedes Geschäft für eigene Rechnung abschließt, auch wenn er als risikolose Gegenpartei zwischen Käufer und Verkäufer steht.Für die Handelssysteme Quotrix, Market Maker Munich (Gettex) und Lang & Schwarz Exchange impliziert dies, dass sie nicht dem geltenden Recht widersprechen. Für die Betreiber von geregelten Märkten in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union bedeutet dies, dass auch sie Ein-Market-Maker-Systeme als einen geregelten Markt betreiben dürfen.—-Die Rechtsfrage wird von den Autoren ausführlich in Ausgabe 37 der WM Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht vom 16. September 2017 unter dem Titel “Ein-Market-Maker-Systeme in der neuen Kapitalmarktregulierung – Abgrenzung zwischen multilateralen und bilateralen Systemen” diskutiert. —-Christoph Kumpan, Professor Universität Halle-Wittenberg —-Hendrik Müller-Lankow, Rechtsanwalt, Frankfurt a. M.