"Radikale Vereinfachung notwendig"

AT Kearney mahnt in Studie schnelleren Umbau deutscher Retailinstitute beim Online-Banking an

"Radikale Vereinfachung notwendig"

bg Frankfurt – Die Unternehmensberatung AT Kearney zeigt sich unzufrieden mit dem Tempo des Umbaus bei den deutschen Retailbanken. In ihrem “Retail Banking Radar 2015” bemängeln die Consultants, dass zum einen Fortschritte auf der Kostenseite fehlen. Trotz aller Stabilität seien die deutschen Institute “unter den Schlusslichtern bezüglich Effizienz und Effektivität”, so AT-Kearney-Partner Andreas Pratz. Die Kosten seien im Vergleich zum Vorjahr um 2,5 % gestiegen, von daher sei “ein signifikanter Effizienzsprung” notwendig. Trendthema MobileZum anderen drohe Deutschland beim laufenden Umbau im Retail Banking den Anschluss zu verlieren, sind andere Länder doch bei Mobile Banking und Payment-Angeboten sehr viel flotter unterwegs. Insgesamt drohe Deutschland bei dem Trendthema rund um das Fintech-Phänomen den Anschluss zu verpassen, befürchtet Pratz. Um wieder nach vorn aufzuschließen, sei “eine Kombination aus Innovation und radikaler Vereinfachung in einem onlineorientierten Retail Banking” notwendig.Dabei empfiehlt AT Kearney den deutschen Instituten, eine Doppelstrategie zu verfolgen, um zu den Besten in Europa aufzuschließen: Zum einen sollten die Felder im digitalen und mobilen Banking besser besetzt werden und dabei auch Themen wie Online-Investing und Instant Lending gestärkt werden. Zum anderen müssten eine Angebotsvereinfachung, volldigitale Verarbeitung sowie ein Umbau vom Filial- zum onlinebasierten Vertriebsmodell angegangen werden.Diese strategischen Weichenstellungen haben derzeit eine hohe Relevanz im deutschen Privatkundengeschäft. Nachdem die HypoVereinsbank im vergangenen Jahr ihren Filialumbau mit korrespondierendem Ausbau des Online-Banking auf den Weg brachte, sind auch Deutsche Bank und Commerzbank mittendrin in der stärkeren Hinwendung zu verschlankten Strukturen mit erhöhter Nutzung digitaler Kapazitäten. Die Commerzbank will bis Ende dieses Jahres alle Angebote grundsätzlich online abschlussfähig haben, die Zahl der Produkte wird halbiert. Die Deutsche Bank dürfte bis Ende Juli Auskunft über geplante Veränderungen im “blauen” Privatkundengeschäft geben, wenn die 90-Tage-Frist abläuft, innerhalb deren Details zum konzernweiten Strategieprogramm vorgestellt werden. Unbestätigten Gerüchten zufolge sollen rund 200 Filialen ihre Pforten schließen.Dass beim Personal deutscher Retailbanken Anpassungsbedarf besteht, legen auch die Daten von AT Kearney nahe. Die Verwaltungskostenquote in Deutschland liegt bei 68 % und damit außerordentlich hoch im europäischen Vergleich – weniger effizient sind nur Österreich und Portugal. Und beim Umsatz je Retail-Banking-Mitarbeiter erreichen deutsche Banken mit 144 000 Euro lediglich die Hälfte des Umsatzes von Instituten in Belgien, den Niederlanden oder in Nordeuropa. Von daher seien Effizienzgewinne im deutschen Massengeschäft notwendig, würden andere Länder doch nachweislich profitabler wirtschaften. Dabei ist der Ertrag pro Kunde im deutschen Retail Banking im Vergleich zum Vorjahr sogar leicht gestiegen (+2 %); dieser Wert bleibt aber mit 555 Euro pro Privatkunden weiter deutlich unter dem europäischen Durchschnitt von 644 Euro.Insgesamt erhole sich der Bankensektor in Europa weiterhin nur sehr langsam, so das zentrale Fazit des aktuellen “Retail Banking Radar”. Dabei habe das sinkende Niveau der Risikovorsorge zwar generell für eine höhere Rentabilität gesorgt, dennoch müsste im derzeitigen Niedrigzinsumfeld noch mehr unternommen werden, um Ertragssteigerungen zu erzielen sowie die Kosteneffizienz zu verbessern. Die Profitabilität je Kunde wurde 2014 im europäischen Schnitt der Retailbanken um 30 % auf 155 Euro verbessert (siehe Grafik). Dabei sind regional starke Unterschiede festzustellen: In Skandinavien und in der Schweiz sind die Banken europaweit am profitabelsten. In der Schweiz erzielten die Institute 382 Euro je Kunde dank höherer Preise und fortlaufender Innovation, während die Banken in Skandinavien ihre Kosten durch Digitalisierung senken würden, so AT Kearney.Die Berater gehen davon aus, dass die europäischen Retailbanken 2015 insgesamt eine leichte Erholung verzeichnen werden, unter anderem dürfte die Zinsmarge leicht steigen. Für die Studie wurde die Performance von 97 Privatkundenbanken und Bankengruppen in 24 west- und osteuropäischen Ländern ausgewertet.